Sie sollte eigentlich längst in Kraft getreten sein, doch die neue Baumschutzverordnung für Bremen und Bremerhaven hängt weiter in der Warteschleife. Es gibt Streit im Detail zwischen dem grün-geführten Umweltressort und der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Die Behörde von Senatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) hatte im vergangenen Jahr eine Neufassung der Verordnung vorgelegt. Sie sieht eine deutliche Verschärfung der Regeln für den Baumschutz auf privaten und öffentlichen Flächen vor.
Weshalb besteht Regelungsbedarf?
Nach Ansicht des Umweltressorts ergibt sich aus dem 2010 überarbeiteten Bremischen Naturschutzgesetz die Aufgabe, den Baumschutz neu zu regeln. Das rot-grün-rote Regierungsbündnis hatte sich im Koalitionsvertrag ausdrücklich zu einer Verordnung verpflichtet, „die sich an fortschrittlichen Regelungen anderer deutscher Großstädte orientiert“.
Was ist konkret geplant?
Der Entwurf aus dem Hause Moosdorf verringert vor allem den Stammumfang, ab dem ein Baum nicht mehr gefällt werden darf. Bisher sind es 120 Zentimeter bei Laubbäumen, 80 bei Obst- und 300 bei Nadelgehölzen. Künftig sollen es generell 80 Zentimeter sein, wobei der Stammumfang in einem Meter Höhe gemessen wird. Auch beim Rückschnitt sollen strengere Vorschriften gelten. Erlaubt die derzeit gültige Schutzverordnung noch allgemein die „Beseitigung von Ästen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung von zugelassenen baulichen Anlagen führen“, so ist die Formulierung in der geplanten Neufassung restriktiver. Zulässig wäre dann noch „der fachgerechte Rückschnitt von Ästen und Zweigen mit einem Umfang von bis zu 15 cm, soweit diese einen Abstand von 1,5 Metern von der Gebäudewand, von Dachüberständen oder von Vorbauten wie Balkonen oder Wintergärten unterschreiten“.
Worin besteht der Konflikt?
Die SPD stört sich nicht so sehr am geringeren Stammumfang. Das neue Limit habe man im Koalitionsvertrag auf Wunsch der Grünen so zugestanden, sagt der sozialdemokratische Baupolitiker Falk Wagner. Um die höhere Regelungsintensität auszugleichen, sei aber mehr Bürgerfreundlichkeit gefragt, wenn Anträge auf Befreiungen von einzelnen Vorschriften gestellt werden. Das gelte für Geschwindigkeit und Spielräume gleichermaßen. „Sinnvoll wäre es zum Beispiel, wenn eine Bewilligung als erteilt gilt, sofern die Behörde innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht reagiert hat“, schlägt Wagner vor. An diesem Punkt beginnt der Konflikt. Denn die Umweltsenatorin erwartet aufgrund der höheren Regelungsdichte auch deutlich mehr Anträge von Grundstücksbesitzern, weshalb die Behörde mehr Personal für die Bearbeitung brauche. Das ist wiederum mit Falk Wagner nicht zu machen. „Wir können es uns schlicht nicht leisten“, sagt der Baupolitiker und SPD-Landesvorsitzende. Zuletzt gab es rund 550 Anträge auf Befreiungen vom Fällverbot pro Jahr.
Was sagen wichtige Akteure?
Der Immobilieneigentümerverband Haus und Grund steht der geplanten Novelle sehr skeptisch gegenüber. Für Geschäftsführer Ingmar Vergau kommt darin eine „Neigung zur Überreglementierung“ zum Ausdruck. Die bisherige Regelung sei völlig ausreichend. Die 80 Zentimeter Stammumfang, die künftig einen Schutz begründen, seien „ein besserer Ast“. Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Freier Wohnungsbau, Peter Sakuth, beklagt neu entstehende Hindernisse für den Wohnungsbau. Tatsächlich enthält der Verordnungsentwurf nun einen eigenen Paragrafen mit detaillierten Dokumentationspflichten bei Neubauvorhaben, die mit dem Baumschutz in Konflikt geraten.
Ganz anders bewertet der Umweltverband BUND den Sachverhalt. Nach Einschätzung von Geschäftsführer Martin Rode müssten die künftigen Regelungen eigentlich noch strenger sein, um den Ansprüchen an eine „progressive Baumschutzsatzung“ zu genügen, wie sie andere Städte auf den Weg gebracht hätten. Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Ralph Saxe (Grüne) fordert in einem Positionspapier mehr Ehrgeiz beim Baumschutz. In einem zweiten Schritt müsse der Geltungsbereich der Verordnung auf Laub- und Nadelbäume ab 60 Zentimeter Stammumfang erweitert werden. Senatorin Moosdorf hält den vorliegenden Entwurf für ein „ausgewogenes Instrument, das mehr Bäume in der Stadt Bremen schützt und gleichzeitig Bauprojekte weiterhin ermöglicht“.
Wie geht es weiter?
Ob und wann es eine koalitionsinterne Verständigung gibt, ist derzeit schwer abzusehen. Damit eine neue Baumschutzverordnung in Kraft treten kann, ist zwar kein Bürgerschafts-, aber ein Senatsbeschluss erforderlich. Auf der Tagesordnung der Landesregierung ist das Thema bisher nicht aufgetaucht. Klarheit soll allerdings bis Anfang Oktober herrschen. Zwischen 1. März und Ende September dürfen Bäume ohnehin nicht gefällt werden.