Für mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte des Bundes und der Kommunen soll es ein kräftiger "Schluck aus der Pulle" werden: Nach dem sehr guten Abschluss vor zwei Jahren will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auch bei den am Freitag begonnenen Tarifverhandlungen viel herausholen. So ist "ein Volumen von acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr monatlich" gefordert. Zudem sollen die Zuschläge für "besonders belastende Tätigkeiten" steigen und Auszubildende wie Praktikanten 200 Euro mehr im Monat erhalten.
Neben Geld spielt auch Zeit eine Rolle. Drei zusätzliche freie Tage fordert Verdi, "um der hohen Verdichtung der Arbeit etwas entgegenzusetzen". Ganz neu ist ein "Meine-Zeit-Konto", über das die Beschäftigten selbst verfügen können. Dann entscheidet jeder für sich Monat für Monat, ob Arbeitszeit, die über den Durchschnitt seiner wöchentlichen Arbeitszeit hinaus geht, einschließlich der Überstundenzuschläge ausgezahlt oder auf sein Zeitkonto gebucht wird. Auch Entgelterhöhungen, Teile des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes oder Zeitzuschläge könnten auf Wunsch dort gebucht werden. Am Ende könnte jeder entscheiden, ob das Guthaben auf dem "Meine-Zeit-Konto" für eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit, zusätzliche freie Tage oder eine längere Auszeit genutzt wird.
Angesichts dieses Forderungspakets erwartet Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen schwierigen Weg zum Kompromiss. Es müsse ein fairer Ausgleich gefunden werden, „zwischen den Interessen des öffentlichen Dienstes und dem notwendigen Respekt vor den Beschäftigten - und auf der anderen Seite aber auch vor den schwierigen Haushaltslagen“, sagte sie am Freitag am Verhandlungsort Potsdam. Gemeinsam mit Karin Welge (SPD), Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin und Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), führt Faeser die Verhandlungen über den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVöD) auf Arbeitgeberseite. Zwei weitere Runden sind für Mitte Februar und Mitte März verabredet.
Markus Westermann, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Bremen-Nordniedersachsen, warnt die Arbeitgeber schon einmal davor, deshalb in der ersten Runde nichts anzubieten: "Wenn die sich gar nicht bewegen, wird auf alle Fälle mit Streiks in den nächsten Wochen zu rechnen sein." Details nennt er freilich noch nicht, aber durchaus vorstellbar ist, dass sich die Bremer Straßenbahn AG beteiligt. Das Unternehmen mit rund 2400 Beschäftigten, die lange nach einem eigenen Tarifvertrag entlohnt wurden, ist seit 2023 an die Entgelte des TVöD gekoppelt.
Am Montag soll erst einmal eine Petition mit rund 3000 Unterschriften an Finanzstaatsrat Martin Hagen übergeben werden. „Setzen Sie sich ein für ein zügiges und gutes Tarifergebnis und geben Sie dem Arbeitgeberverband einen klaren Auftrag für attraktive Arbeitsbedingungen“, lautet der Appell der Beschäftigten.
"Viele Kommunen befinden sich am Rande der Handlungsfähigkeit, die Beschäftigten sind überlastet", betonte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke bereits im Vorfeld. Westermann bestätigt das für Bremen: "Je bürgernäher es wird, desto belasteter ist die Situation." Es gebe keine großen Personalzuwächse mehr, doch die Aufgabe würden immer größer. Zudem sei die Bezahlung in der freien Wirtschaft oft besser. Das sei auch durch den letzten Tarifabschluss nicht aufgeholt worden, "obwohl der schon ganz gut war". Vakante Stellen würden oft zu spät nachbesetzt, weil es nicht genügend qualifizierte Bewerber gebe.
Fakt ist aber auch, dass in Bremen das Personal im öffentlichen Dienst in den fünf Jahren von 2018 bis 2023 um rund 14 Prozent gewachsen ist. In der sogenannten Kernverwaltung und den Ausgliederungen arbeiteten 2023 rund 26.000 Menschen. Für wie viele davon aktuell verhandelt wird, kann Westermann gar nicht genau beziffern. Das liegt daran, dass die Beschäftigten des Landes nach einem anderen Tarifvertrag (TV-L) bezahlt werden, über den aber erst Mitte des Jahres verhandelt wird. Eine Besonderheit in Bremen ist, dass auch viele Beschäftigte der Stadt – etwa Polizisten, Lehrer oder Verwaltungskräfte – Verträge nach dem TV-L haben.
Neben Verdi verhandelt auf Seiten der Arbeitnehmer der Beamtenbund und Tarifunion (dbb). Ohne spürbare Einkommenszuwächse werde der Personalmangel im öffentlichen Dienst drastisch zunehmen, heißt es auch von seiner Seite. „Der Mangel jetzt: 570.000. altersbedingte Abgänge in den nächsten zehn Jahren: 1,4 Millionen Beschäftigte. Wenn wir die Bezahlung im öffentlichen Dienst nicht deutlich verbessern, riskieren wir eine existenzielle Krise“, erklärte der dbb-Verhandlungsführer Volker Geyer.