Da stehen sie nun, die Absperrungen an beiden Enden der Bürgermeister-Smidt-Brücke. Die Verkehrsbehörde hat auf die festgestellten Schäden an dem Bauwerk reagiert und die Zugänge für Fußgänger abgeriegelt. Radfahrer dürfen auf die Fahrbahn ausweichen, der Kfz-Verkehr ist auf jeweils eine Spur beschränkt. Auch der öffentliche Nahverkehr ist betroffen – Straßenbahnen dürfen sich auf der Brücke nicht mehr begegnen.
Das Betretungsverbot für Fußgänger hat mit einer eher theoretischen Gefahr zu tun. Der Bürgersteig auf der Brücke verträgt eine rechnerische Maximalbelastung von 300 Kilogramm pro Quadratmeter. In der Praxis würde eine solche Last kaum je erreicht, höchstens bei einem Gedränge, wie es etwa an Silvester denkbar wäre. Weil man aber auf ein Verbotsschild schlecht schreiben kann „Betreten im größeren Pulk untersagt“, wurde die Nutzung der Weserquerung für Fußgänger ganz untersagt.
Wie berichtet, hatte das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) bei einer näheren Untersuchung des Bauwerks Schäden an den Lagern und Zugankern entdeckt. Ihr Ausmaß veranlasste die Fachleute zu Sofortmaßnahmen, um die Brücke zu entlasten. Das Benutzungsverbot für Fußgänger wird wohl mindestens 14 Tage dauern. Bis dahin sind sie auf die beiden anderen Weserquerungen im Innenstadtbereich verwiesen, also die Stephani- und die Wilhelm-Kaisen-Brücke. Am Freitagnachmittag war allerdings immer wieder zu beobachten, wie Passanten die aufgestellten Schilder ignorierten und die Kfz-Streifen benutzten.
Bremer Weserbrücken in schlechtem Zustand
Was den Autoverkehr angeht, ist die Bürgermeister-Smidt-Brücke mit circa 12.000 Fahrzeugen pro Tag die am wenigsten genutzte unter den fünf Bauwerken, die im Stadtgebiet den Fluss überspannen. Am stärksten belastet ist die Weserbrücke im Verlauf der A1 (110.000), gefolgt von der Stephanibrücke (95.000), der Karl-Carstens-Brücke (32.000) und der Wilhelm-Kaisen-Brücke (22.000).
Allen Querungen gemein ist ihr schlechter Zustand, wenn es auch graduelle Unterschiede gibt. Bereits vor den aktuellen Maßnahmen galt auf der Bürgermeister-Smidt-Brücke eine Gewichtsbegrenzung für den Schwerlastverkehr ebenso wie für die Karl-Carstens-Brücke und die Wilhelm-Kaisen-Brücke. Auf der Autobahnbrücke sind zwei Spuren gesperrt. Dort soll im Frühjahr 2024 mit Sanierungsarbeiten begonnen werden. Auf der Stephanibrücke gelten für Lastwagen Überholverbote und Abstandsregelungen.
Was passiert, wenn es bei einer der Querungen tatsächlich zum Totalausfall kommen sollte, was angesichts der Verfallserscheinungen niemand ausschließen kann? Aus dem Verkehrsressort heißt es dazu in aller Kürze, es gebe Notfallregelungen, „die dann entsprechend zur Anwendung kommen“.
Das bedeutet, dass der Verkehr zusätzlich von den anderen, schon stark belasteten Brücken aufgenommen werden müsste. „Wir haben gar nicht viele Möglichkeiten, das muss man so ehrlich sagen“, räumt Thomas Sauer ein. Der Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbau im ASV hofft zunächst, mit provisorischen Maßnahmen die Zuganker der 250 Meter langen Bürgermeister-Smidt-Brücke entlasten zu können, sodass Zeit für eine planvolle Instandsetzung gewonnen werden kann.
Derweil zeigen sich Wirtschaftsvertreter entsetzt über die fortschreitende Zerrüttung der Bremer Verkehrsinfrastruktur. „Meiner Meinung nach wird das Thema immer noch nicht ernst genug genommen“, sagt Olaf Mittelmann. Der Geschäftsführer des Landesverbandes Verkehrsgewerbe Bremen spricht von einem jahrelangen Stau bei Instandhaltung und Neubau, „der uns jetzt auf die Füße fällt“. Bremen müsse bei der Mittelverteilung „die Prioritäten anders setzen“, wenn der Logistikstandort Bremen nicht bald massiv Schaden leiden soll.
Auch Olaf Orb, bei der Handelskammer zuständig für Standortpolitik, Häfen und Verkehr, kritisiert die Politik. Es sei lange verdrängt worden, wie wichtig die Pflege der Verkehrswege und insbesondere der Weserbrücken ist. „Ihren Komplettausfall können wir uns einfach nicht leisten“, sagt Orb. Es brauche nun konkrete Zeitpläne für die Instandsetzung und entsprechende Haushaltsmittel in Bremen und Berlin. Hintergrund: Von den fünf Brücken befinden sich zwei (Stephanibrücke, A1) in der Trägerschaft des Bundes.
Für den Verkehrsexperten Carsten-Wilm Müller, der bis vor einigen Monaten an der Hochschule Bremen lehrte, gehören falsche politische Schwerpunktsetzungen aus der Vergangenheit zu den Gründen für den Verfall der Infrastruktur, und zwar bundesweit. Für Neubauten seien durchaus Mittel da gewesen, für Instandhaltung eher nicht. „Da muss jetzt Geld rein“, so Müller.