An diesem kalten Donnerstagmorgen strahlt Friedrich Merz mit der Sonne um die Wette. Der Kanzlerkandidat der Union ist bester Laune, als er vor der Zentrale des Bremer Satelliten-Herstellers OHB von Konzernchef Marco Fuchs empfangen wird. Der Medienandrang ist für Bremer Verhältnisse enorm, die erste Reihe der Landes-CDU ist komplett vertreten und Demonstranten gegen Merzens Migrationspolitik haben sich nicht einmal in der Nähe des gut gesicherten Firmengeländes gezeigt.
Am Abend zuvor war Merz noch in Vechta. "2500 Leute in der Halle, tolle Stimmung", schwärmt er, und Fuchs äußert sich bewundernd über das Reisepensum von Politikern im Wahlkampf. "Winston Churchill wurde am Ende seiner Amtszeit gefragt, welche drei Dinge er am meisten vermissen werde. Kennen Sie seine Antwort?", fragt Merz den Gastgeber. Fuchs verneint. "Transport, Transport, Transport." Inzwischen hat der Konvoi des Kandidaten, bestehend aus zwei dunklen Mercedes-S-Limousinen, zwei Vans mit abgedunkelten Seitenfenstern sowie drei Polizeifahrzeugen, schon irgendwo geparkt.
Merz und Fuchs sind sich erst kürzlich auf der Münchener Sicherheitskonferenz MSC begegnet, dort wurde offenbar auch der Besuch bei OHB vereinbart. Das Timing ist perfekt, denn neben Merz hat die Hightech-Schmiede an diesem Tag viele internationale Gäste. Vertreter der Europäischen Weltraumagentur ESA und des EU-Wettersatellitenprojekts MTG (Meteosat Third Generation) sind angereist, um einen Blick auf einen gerade fertiggestellten MTG-Satelliten zu werfen. Das will Merz natürlich auch tun, denn "das Thema interessiert mich wirklich sehr".
Bevor der Satellit mit einem von OHB entwickelten Instrument zur Schadstoffmessung (Sentinel-4) Ende Juni in den Orbit geschossen wird, konnte ihn Merz schon von oben betrachten, nämlich von der Empore der Produktionshalle. Auf dem Programm standen zudem – eng getaktet – Besichtigungen der Satelliten SAR-Lupe (militärische Aufklärung) und Galileo (europäisches Navigationssystem). Das fand praktsich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: In den sogenannten Reinraum lässt man immer nur sehr kleine Gruppen in Schutzkleidung, da waren der Kanzlerkandidat, Bremens CDU-Bundestagsabgeordneter Thomas Röwekamp und das OHB-Management unter sich.
Nach einer Dreiviertelstunde blieben dann noch rund zehn Minuten für ein Statement vor den zahlreichen Medienvertretern. Luft- und Raumfahrt sei eines der "strategisch wichtigsten Themen", befand Merz. "Das müssen wir in Europa gemeinsam voranbringen, aber auch Kompetenzen in Deutschland halten." Merz betonte, dass es hierzulande eben nur zwei Satelliten-Spezialisten gebe: OHB und Airbus. "Das Thema Weltraum wurde in den letzten Jahren unterschätzt", kritisiert Merz die noch amtierende Rest-Ampelregierung. Wegen der neuen US-Regierung unter Donald Trump sei es noch wichtiger geworden, auf diesem Feld unabhängig von der bisherigen Führungsmacht zu werden. "Deshalb ist es gut, dass wir den Regierungswechsel bei uns schon jetzt haben", gibt sich Merz mit Blick auf den nahen Wahlsonntag siegessicher.
Auf eine Nachfrage zum Thema "grüner Stahl", der auch im Bremer Arcelor-Werk nach dessen Umrüstung produziert werden soll, heißt es vom potenziellen nächsten Bundeskanzler nüchtern: "Der ist immer noch zu teuer, kann aber noch wettbewerbsfähig werden." Die Priorität ist für ihn ganz klar: Zunächst muss Stahl aus Deutschland wieder wettbewerbsfähig werden, unabhängig von der Methode seiner Erzeugung. Erst dann könne man auch darüber reden, ihn möglichst umweltfreundlich zu produzieren.
Ähnlich äußert sich Merz im Foyer des Satellitenbauers auch zum Thema europäische Armee. "Das ist der dritte Schritt, und wir haben mit der Ernennung von Andrius Kubilius zum neuen EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt im September gerade den ersten getan."
Der Kandidat muss weiter, es steht am Nachmittag noch ein Auftritt in Darmstadt und abends einer in Berlin an. Für den späten Freitagnachmittag in der Oberhausener Rudolf-Weber-Arena sind sogar noch Plätze frei. Am Samstag dann, endlich, Wahlkampfabschluss: Im Münchener Löwenbräu-Keller unterstützt Merz die bayerische Schwesterpartei CSU.
Aus Bremen reist er nach einer guten Stunde nicht mit leeren Händen ab: Marco Fuchs drückt ihm noch ein Paket edlen Kaffee in die Hand sowie die Biografie seines Vaters Manfred Fuchs, die ihn in die Riege der "Weltraumpioniere" einreiht. Ein Modell des MTG-Satelliten gibt es obendrauf, und dann verrät Fuchs auch noch, dass seine Eltern beide CDU-Mitglieder waren und er im "roten Huchting" aufgewachsen sei. Der Unionskanzlerkandidat in der SPD-Hochburg Bremen – das war eher ein Besuch bei sicheren Freunden als ein harter Kampf um Wählerstimmen, um die womöglich entscheidenden Prozentpunkte.