Jeden Sonnabend folgen viele Bremerinnen und Bremer dem Demonstrations-Aufruf des Aktionsbündnisses "Bremen for Iran": Vor dem Theater am Goetheplatz und auf dem Marktplatz wird mit dem Protestmotto "Frauen, Leben, Freiheit" die Solidarität mit der revolutionären Bewegung im Iran bekundet. An den Kundgebungen haben bereits Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff (CDU) und dessen Stellvertreterin Antje Grotheer (SPD) teilgenommen, die auch politische Patenschaften für die Inhaftierten und zum Tode Verurteilten im Iran übernommen haben.
Dafür sei sie sehr dankbar, erzählt die Iranerin Mitra Razavi, die in Bremen aufgewachsen ist. "Wir sind mit ,Bremen for Iran' auch an Schulen präsent, um über die neuesten Nachrichten zu informieren", sagt sie. Auch im Theater Bremen gibt es immer wieder Solidaritätsveranstaltungen mit der Demokratiebewegung im Iran. Zu den neuesten Schreckensnachrichten gehören die Meldungen von den offenbar systematischen Vergiftungen Tausender Schulmädchen in 25 iranischen Provinzen.
Laut Auskunft des iranischen Gesundheitsministeriums befänden sich bisher 13.000 Schülerinnen wegen der Vergiftungen in stationärer Behandlung. Aber die Dunkelziffer liege wohl weit höher, berichtet die Diplomökonomin und Juristin Razavi. Und das in einem Land, in dem 60 Prozent der Studierenden Frauen sind, fügt sie hinzu. Aber das Regime wolle nicht dulden, dass sie als Ärztinnen oder Ingenieurinnen arbeiteten.
Empörung über Giftgas-Anschläge auf Schülerinnen
Für Razavi und viele Mütter im Iran ist der Einsatz von Giftgas ein Indiz dafür, dass das Mullah-Regime eine weitere Stufe der Verbreitung von Furcht und Schrecken gezündet hat, um die Demokratiebewegung zu ersticken. Doch die Menschen ließen sich nicht mehr einschüchtern und gingen nicht mehr runter von der Straße, sagt die Juristin. Im Gegenteil, die Verzweiflung der Eltern schlage nun in Wut und noch mehr Widerstandskraft um und befeuere die Protestbewegung genauso wie die zahlreichen Todesurteile, die das Regime inzwischen gegen Oppositionelle verhängt hat. Für Frust sorge auch die hohe Inflation.
Für Razavi und ihren Mitstreiter Mohammad Khalkhalian steht fest: Die "Mahsa-Bewegung", die Woche für Woche inzwischen weltweit demonstriere, sei einzigartig. Besonders erfreut sei sie über die breite Unterstützung, die in Bremen von allen Teilen der Bevölkerung und allen politischen Fraktionen komme. Khalkhalian ist seit seinem 13. Lebensjahr Schauspieler, arbeitet heute auch als Regisseur, lebt in Bremen und spielte bereits am Theater Bremen, aber auch am Maxim Gorki-Theater in Berlin. "Das Mullah-Regime im Iran muss wegen Menschenrechtsverbrechen verurteilt werden", sagt Khalkhalian mit Nachdruck.
Hoffnung gibt ihm, dass der UN-Menschenrechtsrat das iranische Regime deutlich sanktioniert habe. Wie beurteilen die Exil-Iraner die Lage in ihrem Heimatland? Dass ein Ende des totalitären Regimes absehbar sei, daran glauben sie felsenfest. Inzwischen habe sich ein Forum mit namhaften und unabhängigen Persönlichkeiten gebildet, darunter Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, die die "Mahsa-Charta" verfasst hätten, berichtet Razavi. Ziel sei es, die demokratischen Bestrebungen im Iran und die Bildung einer Regierung zu unterstützen, in der Staat und Religion getrennt seien. Weiteres Ziel sei es, für die Achtung und Aufrechterhaltung von Menschenrechten durch die Errichtung einer konstitutionellen Sitzung unterschiedlicher Parteien und Persönlichkeiten zu sorgen.
Erst dann könne eine Übergangsregierung gebildet werden – und zwar nur von den Iranerinnen und Iranern selbst. Inzwischen hätten sich auch einige Parteien hinsichtlich der Bildung eines demokratischen Staates gemeldet, erzählt Razavi. Ihr Fazit: Die Iranerinnen und Iraner möchten ganz einfach in Frieden und Freiheit leben. Ein Zeichen dafür setzten jetzt junge Frauen, die einen Video-Clip ins Netz stellten, der sie tanzend und ohne Kopftuch zeigt. Ein doppelter Tabubruch, denn Musik und Tanz sind in dem Mullah-Regime besonders für Frauen verboten.