Die hohen Infektionszahlen senken: Nicht nur die neuen Beschlüsse von Bund und Ländern vom Donnerstag sollen dabei helfen, sondern auch Auffrischungsimpfungen. Laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist der Schutz sechs Monate nach der zweiten Immunisierung zu erneuern. Einer israelischen Studie zufolge nimmt der Schutz schon früher ab. Deswegen hat etwa der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, eine Auffrischung nach bereits fünf Monaten gefordert.
Von medizinischer Seite spricht nichts gegen eine frühere Booster-Impfung, wie die Drittimpfung auch genannt wird. Mitte November heißt es in einem Brief vom geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an alle Vertragsärzte in Deutschland, der Zeitabstand sei eine Richtschnur und müsse nicht tagesgenau eingehalten werden.
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Doch bei dem Wort tagesgenau scheint es Uneinigkeit zu geben. Bürgerinnen und Bürger haben dem WESER-KURIER geschildert, dass ihr Wunsch nach einer frühzeitigen Drittimpfung abgelehnt wurde. So etwa der Fall eines 70-jährigen Bremers und seiner Frau: Sie gaben bei der Terminbuchung im Online-Portal den Zeitpunkt ihrer zweiten Impfung an, die zu diesem Zeitpunkt rund fünf Monate zurücklag. Als sie den Termin im Impfzentrum Oslebshausen wahrnahmen, waren die sechs Monate noch nicht vorbei. Sie wurde zwar geimpft, er aber nicht. Die Begründung: Es sei noch zu früh, der Mann müsse noch 14 Tage warten. Der 70-Jährige ärgerte sich, bestand auf eine Impfung und bekam sie schließlich doch.
Die beiden scheinen keine Einzelfälle zu sein. Ein junger Mann aus Hannover berichtet, er habe sich bei einem beruflichen Aufenthalt in Hamburg drittimpfen lassen wollen – einen Tag bevor die sechs Monate vergangen waren. Auch er wurde abgelehnt. Sein Hausarzt impfe nur Menschen ab 70 und älter, weil er nicht genügend Impfstoff habe. Eine Kita-Angestellte aus dem Landkreis Verden erzählt, die Gemeinde habe für Mitarbeiter Termine für die Auffrischungsimpfung organisiert. Sie habe diesen aber nicht wahrnehmen können – in ihrem Fall sei es noch zu früh.
Wie genau wird die Frist von sechs Monaten genommen? „In Bremen gilt grundsätzlich die Empfehlung der Stiko“, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Bremer Gesundheitsbehörde. Sie besage: Die Auffrischungsimpfung soll es sechs Monaten nach der zweiten geben – außer, es gibt mehr Kapazitäten, dann auch früher. Das sei aber nicht der Fall, wenn man das Land Bremen insgesamt betrachtet.
Er rechnet vor: Würde man fünf statt sechs Monate als Zeitabstand wählen, wären das 170.000 Impfungen bis Ende Dezember mehr. Im Fall der öffentlichen Impfstellen sei weniger der Impfstoff, sondern eher das Personal das Problem. Je nachdem wie sich die Nachfrage und die Kapazitäten in den nächsten Wochen entwickelten, sei eine frühzeitigere Impfung künftig nicht ausgeschlossen.
Einzelfälle wie die eingangs geschilderten können laut Fuhrmann vorkommen. Letztlich obliege die Entscheidung dem jeweiligen Arzt. Dass der 70-jährige Bremer und seine Frau trotz der Sechs-Monats-Vorgabe einen Termin buchen konnten, sei einer zeitlichen Überschneidung geschuldet. „Die Termincodes wurden noch versendet, als der Ansturm nicht so groß war“, sagt Lukas Fuhrmann. Künftig sollen die Codes erst zwei Wochen vor Ablauf der sechs Monate verschickt werden.
Bei den niedergelassenen Ärzten liege das Problem weniger beim Personal, sagt Detlef Haffke, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Es mangele an Impfstoff (wir berichteten). „Es ist kurios: Der Bund sagt: ‚Wir liefern genug Impfstoff aus‘, die Pharmaunternehmen und die Apotheken sagen das auch – aber es wird weniger geliefert als bestellt.“ Bei steigender Nachfrage und fehlendem Impfstoff müsse also priorisiert werden, wer zuerst mit Vakzin versorgt werde.
Laut Detlef Haffke haben ältere und gefährdete Menschen Vorrang, aber auch diejenigen, deren Erstimpfung bereits sechs Monate zurückliegt. Bei Letzteren lasse der Impfschutz allmählich nach. KVN-Vorstand Mark Barjenbruch zufolge sollen Bürgerinnen und Bürger aber Ruhe bewahren – der Impfschutz verschwinde nicht automatisch nach sechs Monaten.
Wer sich früher drittimpfen lassen möchte, dem empfiehlt Haffke, sich im Internet oder telefonisch bei seinem Hausarzt zu informieren. Wenn dort eine frühere Drittimpfung nicht möglich sei, könnten Bürger andere Wege gehen – und sich etwa bei einem Impfmobil anstellen.
"Grundsätzlich wollen wir vermeiden, dass Menschen beim Impfen abgewiesen werden", sagt Oliver Grimm, Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. Wenn aber bei einem Impfmobil 150 Leute anstehen und nur noch 120 Dosen vorhanden seien, dann kann es laut Grimm passieren, dass der Impfarzt priorisieren muss. Und auch er sagt: "Die Ärzte sind in ihrer Entscheidung am Ende frei."
Wer sich also schon nach fünf Monaten boostern lassen möchte, sollte sich vorab informieren, wo es Kapazitäten dafür gibt. Diese zu erhöhen, hat sich etwa Adrianus Den Hertog, Chefarzt der Orthopädie der Paracelsus-Klinik Bremen, zur Aufgabe gemacht. Seine Klinik boostert nach fünf oder sechs Monaten – solange der Vorrat reicht.