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Deputation für Arbeit Tiefe Einblicke in die Jobcenter-Misere

Eigentlich hat Jobcenter-Chef Thorsten Spinn gar kein Geld mehr, um in diesem Jahr noch Langzeitarbeitslose zu qualifizieren. Warum das so kommen konnte und wie er diesen Menschen trotzdem weiterhelfen will.
07.08.2024, 05:00 Uhr
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Tiefe Einblicke in die Jobcenter-Misere
Von Joerg Helge Wagner

Es sind viele und gewichtige Fragen, die auf Thorsten Spinn am Dienstag in der Deputation für Arbeit einprasseln: Werden die Mitarbeiter der Jobcenter bei der Vergabe von Gutscheinen nicht kontrolliert? Welche Folgen hat es im kommenden Jahr, wenn man schon jetzt auf das Budget von 2025 „vorgreifen“ muss? Warum wird für annähernd gleiche Leistungen manchmal das Doppelte ausgegeben?

Im Juni hatte sich herausgestellt, dass wegen interner Buchungsfehler das Jahresbudget für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen bereits erschöpft war – dazu musste der Geschäftsführer den Deputierten rund 90 Minuten lang Rede und Antwort stehen. Am selben Tag brachte die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft zudem eine sogenannte Kleine Anfrage ein, die nicht weniger als 57 Einzelfragen beinhaltet. Manches, aber bei Weitem nicht alles konnte Spinn bereits vor der Deputation beantworten. Dabei lieferte er tiefe Einblicke in die strukturelle Misere der Jobcenter und die begrenzten Möglichkeiten eines lokalen Managers, etwas dagegen zu unternehmen.

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Es geht laut Spinn damit los, dass das Budget pauschal vom Bund zugeteilt wird, aber gar kein Bedarf abgefragt und folglich auch nicht angemeldet wird. In guten Jahren kann das den angenehmen Effekt haben, dass das Verwaltungsbudget mehr als auskömmlich ist, man also beim Personal nachlegen kann. Dieses Jahr aber ist es anders herum: Da die Haushaltsposten für Eingliederung und Verwaltung gegenseitig deckungsfähig sind, müssen frei werdende Stellen erst einmal unbesetzt bleiben, damit man Arbeitslose weiter fördern und qualifizieren kann. Zudem brauche er dafür bis Jahresende rund 1,5 Millionen Euro aus dem Budget für 2025 – „und die stehen dann im kommenden Jahr eben nicht mehr zur Verfügung“.

Ursache für die Finanzpanne sind offenbar unterschiedliche Buchungsvorgaben und wohl auch Mitarbeiter, die bei der Zuteilung von Bildungsgutscheinen recht freihändig und großzügig agieren konnten. Bei Nachfragen der FDP-Abgeordneten Bettina Schiller dazu bemühte Spinn den Begriff der „ermessenslenkenden Weisungen“, die es nun gebe. In früheren Jahren habe es eher das „Problem“ gegeben, das Budget auch auszuschöpfen und „das Geld gut an die Berechtigten zu bringen“.

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Die können sich übrigens aussuchen, bei welchem Träger sie sich qualifizieren lassen – sofern dieser zertifiziert ist. "Dabei sind wir komplett außen vor", berichtet der Geschäftsführer, gegen Gutschein werde die Rechnung erstattet. Das begehrte Zertifikat etwa erteile unter anderem der Tüv Nord. Das Neutralitätsgebot verbiete es dem Jobcenter sogar, seinen Kunden für Coachings den günstigsten Träger zu empfehlen.

Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) will das Controlling nun gemeinsam mit dem Jobcenter Bremen verbessern. „Ich glaube aber nicht, dass wir Einsparungen auf Bundesebene ausgleichen können.“ Es gebe jedoch einen „Umlaufbeschluss der Länder“ gegen einen entsprechenden Kabinettsentwurf der Bundesregierung. Diesen nennt Grünen-Fraktionschefin Henrike Müller „eine Katastrophe“ – bislang habe sich das Bremer Jobcenter „nur etwas Zeit erkauft“.

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