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Immer höhere Eigenanteile Warum die Pflege in Bremen besonders teuer ist

Die Pflegekosten in Bremen explodieren: Mit 3456 Euro Eigenanteil sind sie die höchsten in Deutschland. Ein Anstieg von über 63 Prozent in drei Jahren zeigt die dramatische Entwicklung.
11.02.2025, 05:00 Uhr
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Warum die Pflege in Bremen besonders teuer ist
Von Timo Thalmann

Nirgendwo in der Republik ist ein stationärer Pflegeplatz so teuer wie in Bremen: Im Schnitt werden dafür nach der jüngsten Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen in Deutschland (VDEK) im ersten Jahr 3456 Euro private Zuzahlung pro Monat fällig. Das sind 472 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt, und er liegt sogar 817 Euro über den Durchschnittskosten im benachbarten Niedersachsen. Die Bremer Pflegekosten sind zusätzlich durch hohe Anstiege im Vergleich zu den Vorjahren gekennzeichnet. Im Januar 2024 wurden Pflegebedürftige in Bremen im Schnitt noch mit Zuzahlungen von 2831 Euro montalich belastet, im Januar 2023 waren es 2251 Euro, ein Jahr zuvor 2115 Euro. Der Preisanstieg in drei Jahren beträgt damit mehr als 63 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit hat sich der Eigenanteil in der stationären Pflege in dieser Zeit um knapp 40 Prozent verteuert.

Wie setzt sich dieser hohe Eigenanteil zusammen?

Der von den Bewohnern einer stationären Pflegeeinrichtung zu entrichtende Eigenanteil setzt sich aus vier Komponenten zusammen: Das ist zum ersten die Zuzahlung zu den eigentlichen Pflegekosten, zum zweiten die Aufwendungen für Unterbringung und Verpflegung. Darin sind neben den Mahlzeiten vor allem Nebenkosten wie zum Beispiel Heizung, Strom und Wasser enthalten. Dritte Komponente sind die sogenannten Investitionskosten, eine Art Kaltmiete für die Unterkunft sowie schließlich eine Umlage zu den Ausbildungskosten. Jeder einzelne dieser Posten hat sich verteuert. Den größten Anteil haben die Pflegekosten, er liegt in Bremen aktuell bei 1895 Euro. Vor drei Jahren allerdings, im Januar 2022, betrug die Zuzahlung zu den reinen Pflegekosten nur 788 Euro, weniger als die Hälfte des heutigen Betrags und seinerzeit auch weniger als die Kosten für Unterkunft und Verpflegung.

Warum ist die Pflege in Bremen so viel teurer geworden?

Die Pflegekosten sind überall gestiegen, aber den 240 Prozent in Bremen seit Januar 2022 steht bundesweit eine Verteuerung von 78 Prozent gegenüber. Der Branchenexperte Timm Klöpper, zugleich Mitglied im Vorstand des Bremer Landesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), macht drei Bremer Besonderheiten für diesen enormen Kostenzuwachs verantwortlich:

  • Besonders breite Anwendung eines Tarifvertrages: Es war Bremen, wo Arbeitgeber und Verdi 2017 erstmals einen Tarifvertrag für die Pflege abgeschlossen haben, der seitdem immer wieder angepasst wurde. In dem Tarifwerk sind inzwischen zum Beispiel auch die Gehälter für die Bereiche der Hauswirtschaft in den Pflegeeinrichtungen geregelt. "Allein hier gab es im vorigen Jahr mit einem Anstieg des Stundenlohns von 13,15 Euro auf 15,16 Euro in der niedrigsten Lohngruppe ein Gehaltsplus von rund 15 Prozent", sagt Klöpper. Und der Tarifvertrag wird in Bremen von den Wohlfahrtsverbänden bis zu den privaten Trägern nahezu flächendeckend angewendet. Die höheren Gehälter machen die Pflege teurer.
  • Weniger große Einrichtungen: Bremens Pflegeheime sind tendenziell kleinere Häuser, als man sie in vielen Flächenländern vorfindet. Es gibt mehrere Einrichtungen mit weniger als 40 Bewohnern, das größte Bremer Pflegeheim hat offiziell 137 Plätze. Politisch gewollt sind in Bremen höchstens 80. "In anderen Bundesländern finden wir dagegen auch viele Einrichtungen mit 200 und mehr Pflegebedürftigen", sagt Klöpper. Große Häuser könnten zahlreiche Basiskosten auf mehr Zahler aufteilen, sodass es für den Einzelnen günstiger werde.
  • Mehr Pflegepersonal: Laut Klöpper hat kein anderes Bundesland die seit Mitte 2023 geänderten Vorgaben zur Personalbemessung bereits so flächendeckend umgesetzt wie Bremen. Es geht dabei um den neuen Paragrafen 113c im elften Sozialgesetzbuch. Er sieht einen anderen Schlüssel für das Pflegepersonal vor als bislang. Das sorgt für zusätzliche Pflegehilfskräfte, was wieder höhere Pflegesätze bedeutet. Aktuell ist die Vorgabe im Gesetz eine Möglichkeit, aber keine Verpflichtung für die Anbieter. "Man kann eigentlich erwarten, dass diese zusätzlichen Hilfskraftstellen nach und nach auch in den anderen Bundesländern kommen", schätzt Klöpper. Dann würden auch dort die Preise stärker anziehen. Je nach Struktur eines Pflegeheims beziffert Klöpper die Kosten für den neuen Personalschlüssel allein auf 400 bis 500 Euro pro Monat und Pflegeplatz.

Ist die Pflege in Bremen dann auch besser?

Die Frage ist kaum seriös zu beantworten. Klöpper berichtet, dass nahezu alle Häuser mit dem neuen Pflegeschlüssel von einer höheren Zufriedenheit bei den Beschäftigten berichten. Das Mehr an Personal sorge für deutlich mehr Zeit, um sich um die Bewohner zu kümmern. "Wahrscheinlich sind daher auch die Pflegebedürftigen zufriedener."

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