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Kitas Was für und gegen die Arbeit von Tageseltern in Bremer Krippen spricht

An dem Plan der Bildungssenatorin, Tageseltern in die Kitas zu holen, scheiden sich die Geister. Die einen finden das längst überfällig, die anderen befürchten eine Verschlechterung der Lage in den Kitas.
24.09.2022, 05:00 Uhr
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Was für und gegen die Arbeit von Tageseltern in Bremer Krippen spricht
Von Sara Sundermann

Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) will angesichts des Fachkräftemangels Tagesmütter und -väter in die Krippen holen. Ziel ist es, mehr Kitaplätze zu schaffen. In Bremen fehlen Plätze für rund 1200 angemeldete Kinder. Hauptgrund dafür ist Personalmangel: In der Stadt konnten bereits etliche Kitagruppen nicht öffnen, weil Erzieherinnen und Erzieher fehlen.

Nach Konflikten mit den Linken und der Gewerkschaft Verdi über die Öffnung der Kitas für Tageseltern gibt es einen Kompromiss, auf den sich Bildungssenatorin und Verdi geeinigt haben. Angenommen ist der Kompromissvorschlag aber noch nicht. Die Senatorin bekommt für ihr Vorhaben sowohl Gegenwind als auch Zuspruch.

Was ist konkret geplant?

Tagesmütter und -väter betreuen bis zu fünf Kinder unter drei Jahren, meistens in ihrer eigenen Wohnung. Künftig sollen Tageseltern auch in Kitas arbeiten können, und zwar als zweite Kraft in einer Krippen-Gruppe. Bisher wird eine Gruppe mit zehn Kindern im Idealfall von zwei Erzieherinnen geführt oder von einer Erzieherin und einem Sozialassistenten. Künftig könnten dies auch eine Erzieherin und eine Tagesmutter tun.

Der neue Kompromiss sieht vor, dass Kitas, die Tageseltern einstellen, ihnen eine Weiterbildung anbieten müssen, zum Beispiel zur Sozialassistentin. Zudem soll die neue Regelung zunächst bis Ende 2025 gelten und dann überprüft werden.

Wie unterscheidet sich die Ausbildung von Tageseltern und Erziehern?

Tageseltern absolvieren in Bremen meist eine anderthalbjährige Ausbildung mit mehr als 380 Stunden. Die Standardausbildung zur Erzieherin dauert vier bis fünf Jahre (mehr als 5000 Stunden). Sozialassistenten machen eine zweijährige Ausbildung. Bezahlt werden sollen die Tageseltern in Kitas laut Bildungsressort nach Entgeltgruppe S2, das entspricht etwa 2300 bis 2800 Euro brutto. Sie bekämen damit deutlich weniger Gehalt als Sozialassistenten (Entgeltgruppe S4) und Erzieher (Gruppe S8, entspricht 3000 bis 3900 Euro brutto).

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Was erhofft sich die Bildungssenatorin von der Öffnung?

„Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung: In Bremen sind nach wie vor Tausende Kinder nicht mit einem Platz in der Kindertagesbetreuung versorgt, weil in der Vergangenheit nicht genug Plätze geschaffen wurden“, sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). Viele Kinder hätten vor der Schule nie eine Kita besucht. „Das macht sich ein Leben lang bemerkbar.“ Deshalb wolle sie Kitas die Möglichkeit geben, zusätzliches Personal zu beschäftigen. Das Bildungsressort wirbt derzeit mit einer Kampagne dafür, dass sich mehr Menschen als Tageseltern qualifizieren. Wenn Tageseltern künftig fest angestellt in Kitas arbeiten dürfen, könnte dies mehr Bewerber anlocken, so die Hoffnung.

Welche Sorgen machen sich die Kritiker?

Gerade für die vielen Bremer Kinder, die Beeinträchtigungen oder Sprachförderbedarf haben, werde gut ausgebildetes Personal gebraucht, sagt Stefanie Lehmann vom Personalrat von Kita Bremen. Der Erzieherberuf müsse auf- und nicht abgewertet werden.

Nach dem neuen Modell trage zudem eine Fachkraft in einer Gruppe die alleinige Verantwortung, kritisiert die FDP. Möglich sei auch, dass sich viele selbstständige Tageseltern in den Krippen bewerben. Dann würden zwar Plätze in Kitas entstehen, aber Plätze bei Tageseltern wegbrechen.

„Wir können Stand jetzt mit dem Kompromiss leben, aber uns fehlt für den Kitaausbau eine Langzeitplanung“, sagt Jörn Kroppach von Verdi Bremen. „Wir brauchen eine Kita-Offensive, einen großen Wurf.“ Konkret müsse Bremen die beliebte praxisintegrierte Ausbildung für Erzieher ausbauen, fordert er.

Was halten Eltern von der Idee?

Die Zentralelternvertretung lehnt den Plan ab: „Wenn man jetzt die Fachkräftedichte weiter ausdünnt, vergrault man noch mehr Erzieher“, sagt Ann-Kathrin Rohde vom ZEV-Vorstand. „Es wird dann noch schwieriger für die Erzieherinnen, den Alltag zu stemmen. Das erscheint uns für diese Gruppe, auf die es gerade im Moment so ankommt, nicht sinnvoll.“

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Was sagen Tageseltern zu dem Plan?

In Bremen gibt es laut Behörde derzeit rund 230 bis 250 Tagesmütter und -väter. „Wir begrüßen es sehr, wenn wir künftig in Kitas arbeiten können“, sagt Mathias Schadwinkel vom Tagespflegerat. „Wir sind nicht nur angelernte Kräfte, wir gehen auf dieselben Fachschulen wie die Erzieher und sind besonders qualifiziert für Kinder unter drei.“ Damit würden keine Betreuungsstandards abgesenkt, ganz im Gegenteil: „Das ist eine Bereicherung für die Kitas.“ Fest angestellt in einer Kita zu arbeiten, könnte für viele Tageseltern attraktiv sein, glaubt er: „Nicht jeder möchte selbstständig arbeiten.“

Auch bei der Zentralstelle Pflegekinder in Bremen (PIB), die Tageseltern an Familien vermittelt, begrüßt man den Plan der Senatorin. „Fehlende Kitaplätze betreffen oft Kinder, die ohnehin benachteiligt sind – manche fallen wirklich durchs Raster“, sagt PIB-Geschäftsführerin Judith Pöckler von Lingen.

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