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Biontech-Impfstoff soll begrenzt werden "Das verursacht Chaos in den Praxen"

Weil kurzfristig zu wenig Impfstoff von Biontech verfügbar ist, soll mehr Moderna verwendet werden. Geplante Termine und geübte Praxisabläufe sind damit hinfällig. Die ersten Ärzte wollen das Impfen aufgeben.
23.11.2021, 15:03 Uhr
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Von Timo Thalmann

Die Ankündigung des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), dass der Corona-Impfstoff von Biontech kurzfristig nur noch begrenzt verfügbar sein wird, hat bei den niedergelassenen Ärzten für erhebliche Unruhe gesorgt. Ab dieser Woche ist die Bestellmenge auf 30 Dosen je Arzt limitiert. Auch für öffentliche Impfstellen sollen die Mengen entsprechend gedeckelt werden. "Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern, der nicht da ist", begründete Spahn die Entscheidung. Später äußerte der Minister Verständnis für den Unmut der Ärzte, entschuldigte sich für die schlechte Kommunikation und kündigte an, dass Biontech in der kommenden Woche doch noch eine Million zusätzliche Impfdosen liefern wird. An der grundsätzlichen Deckelung von Biontech ändert das aber nichts. Fragen und Antworten zum Thema.

Welche Rolle spielt Moderna?

Der Impfstoff Moderna, für den es unbegrenzte Bestellmöglichkeiten gibt, zeigt in bisherigen Studien eine genauso gute, teilweise sogar bessere Wirkung als Biontech, auch bei Auffrischungen. "Dieses Vakzin hat in den Praxen aber bislang überhaupt keine Rolle gespielt", sagt Jens Wagenknecht, stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbands in Niedersachsen und Mitglied im Bundesvorstand des Verbandes mit insgesamt mehr als 30.000 Mitgliedern. In Niedersachsen sei es nahezu ausschließlich in den inzwischen geschlossenen Impfzentren verwendet worden. In Bremen wurde Moderna anfänglich vor allem in den Kliniken angewandt, um das Personal zu immunisieren. Laut Zahlen des Robert Koch-Instituts sind in beiden Ländern sowie bundesweit bislang weniger als zehn Prozent aller Impfungen mit Moderna erfolgt, bei über 75 Prozent kam Biontech zum Einsatz, weitere rund zehn Prozent wurden mit Astra-Zeneca durchgeführt. Johnson & Johnson spielt mit einem Anteil von weniger als vier Prozent eine untergeordnete Rolle.

Wird mehr Moderna bestellt?

Das Bremer Gesundheitsressort geht laut Sprecher Lukas Fuhrmann davon aus, dass der Anteil von Moderna nun erheblich steigen wird. "Das ist rein organisatorisch für die Impfstellen, die mobilen Teams sowie das ab kommender Woche startende neue Impfzentrum in der ehemaligen Sparkasse am Brill kein Problem", sagt Fuhrmann.

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Was sagen die Hausärzte?

"Diese so plötzlich veranlasste Regelung sorgt für unnötige Diskussion mit den Patienten und Patientinnen in den Praxen", sagt Hans-Micheal Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Bremen, der rund 250 Ärzte vertritt. Er fordert, die Begrenzung der Bestellmengen wenigstens um zwei bis drei Wochen zu verschieben. "Mit diesem Vorlauf können wir in den Praxen die Fehlplanung des Bundesgesundheitsministers vermutlich auffangen." Laut Mühlenfeld sind aber nicht alle Kollegen dazu bereit. "Es wird vermutlich Praxen geben, die keine Corona-Impfungen mehr anbieten, falls die Entscheidung nicht korrigiert wird", berichtet er. Das haben im Saarland bereits zahlreiche niedergelassene Ärzte angekündigt, wie die dortige Kassenärztliche Vereinigung (KV) mitteilt. Mit der Begrenzung der Liefermenge „würgt der Bundesgesundheitsminister den Impfturbo ab und verursacht Chaos in den Praxen“, heißt es von der KV.

Gibt es neue Lieferwege?

Neben zusätzlichen Aufklärungsgesprächen stellt ein kurzfristiger Umstieg auf Moderna die Praxen vor organisatorische Herausforderungen. "Die gesamte Impflogistik muss neu geplant werden", erläutert Wagenknecht. Biontech werde zum Beispiel in Fläschchen mit sechs bis sieben Dosen geliefert. Moderna hingegen mit zehn bis 20 Impfdosen je Flasche. Das sei abhängig von der Verwendung. "Bei Auffrischungsimpfungen wird die Hälfte der Dosis verwendet, die bei einer Erst- oder Zweitimpfung gebraucht wird." Bei Biontech sei diese Dosis hingegen stets gleich. Die Konsequenz: Zahl und Taktung der Impftermine müsse anders geplant werden als bislang. Ein weiterer Unterschied: "Die Biontech-Impfungen kann man auf eine Spritze ziehen und dann innerhalb einiger Stunden verwenden, bei Moderna muss der Impfstoff unmittelbar vor der Verwendung aufgezogen werden", sagt Wagenknecht. Die Folge: Alle Arbeitsabläufe in den Praxen sind neu zu strukturieren, unter Umständen mit Folgen für die Personalplanung. "Wir haben jetzt aber bereits zahlreiche Impf-Termine unter anderen Voraussetzungen vergeben."

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Gibt es zusätzliche Impfsprechstunden?

Ja, Wagenknecht verweist auf das gemeinsam mit dem niedersächsischen Gesundheitsministerium und der Kassenärztlichen Vereinigung vereinbarte Vorhaben, ab Ende November in rund 180 Praxen landesweit zusätzliche Impfsprechstunden einzurichten. Geplant ist jeweils eine Praxis pro 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner je Landkreis. An diese Praxen sollen sich vor allem diejenigen wenden, die keinen eigenen Hausarzt haben oder deren angestammte Praxis keine Corona-Impfungen anbietet. "Wir wissen jetzt nicht, mit welchen Impfstoffen in welchen Mengen wir uns darauf vorbereiten können", sagt Wagenknecht.

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