- Österreich: Allgemeine Impfpflicht soll im Februar kommen
- Was muss passieren, damit es in Deutschland eine Impfpflicht gibt?
- Juristen sehen rechtliche Grundlagen für Impfpflicht im Grundgesetz
- Was spricht gegen eine allgemeine Impfpflicht?
- Wie könnte eine Impfpflicht praktisch durchgeführt werden?
- Welche Strafen könnten Ungeimpften drohen?
In Bremen sind 79,7 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft (Stand: 23. November). Bundesweit ist der Wert nicht so hoch, nur 68 Prozent der Deutschen haben laut Robert Koch-Institut (RKI) zwei Spritzen erhalten. Damit sind gut 30 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik noch ungeimpft. Jetzt wo die vierte Welle die Bundesrepublik wieder im Griff hat und die Infektionszahlen steigen, werden die Rufe nach einer Impfpflicht laut. Wäre das in Deutschland überhaupt möglich? Und wie könnte sie umgesetzt werden?
Österreich: Allgemeine Impfpflicht soll im Februar kommen
In Österreich werden die Menschen ab 1. Februar 2022 dazu verpflichtet, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Das kündigte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am vergangenen Freitag an. Rund 66 Prozent der Österreicher sind laut österreichischem Covid-19 Open-Data-Informationsportal (Stand: 23. November) vollständig gegen das Coronavirus geimpft, damit liegt das Land unter dem EU-Durchschnitt.

Österreichs Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat vergangen Freitag verkündet, eine Impfpflicht im Land einzuführen.
Als Grundlage der Impfpflicht ist ein neues Gesetz geplant, das noch vom Parlament verabschiedet werden muss. Hier gilt eine Zustimmung als sicher. Verfassungsjuristinnen und -juristen hätten nach Informationen des ORF.at bereits wiederholt signalisiert, dass es in der derzeitigen Situation keine rechtlichen Bedenken gebe. Wer gegen die Impfpflicht verstößt, muss mit Verwaltungsstrafen rechnen, Details stehen noch nicht fest.
Verschiedene Medien berichten, dass Geldbußen von bis zu 3600 Euro möglich sein könnten. Wer diese Strafe nicht bezahlt, muss demnach sogar bis zu vier Wochen in Haft. Verweigerern einer Auffrischungsimpfung drohen immerhin noch Bußgelder von bis zu 1450 Euro.
Was muss passieren, damit es in Deutschland eine Impfpflicht gibt?
Da eine Impfpflicht ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ist, muss sie verhältnismäßig sein. Ein legitimer Zweck wäre beispielsweise, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Die steigenden Corona-Zahlen heizen die Debatte wieder an. Bund und Länder hatten sich bereits für eine Impfpflicht bei bestimmten Berufsgruppen wie Pflegepersonal geeinigt. Von Vertretern einer möglichen Ampel-Koalition zwischen SPD, Grünen und FDP heißt es, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf in Kürze vorliegen soll. Mit einer gesetzlichen Grundlage kann also eine Impfpflicht eingeführt werden.
Allerdings kann derzeit nur eine Impfpflicht für "bedrohte Bevölkerungsgruppen" verabschiedet werden. So steht es im aktuellen Infektionsgesetz. Der Bundestag müsste also über eine allgemeine Impfpflicht entscheiden – das wurde in der Vergangenheit mehrfach von verschiedenen Politikern abgelehnt. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beurteilte die Pflicht generell skeptisch. Dies sei nicht nur eine Rechtsfrage, sondern auch eine Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. "Es ist eine Frage von Freiheit und Verantwortung." Auch der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer sagte zu einer allgemeinen Impfpflicht: "Wir halten sie für verfassungswidrig."
Juristen sehen rechtliche Grundlagen für Impfpflicht im Grundgesetz
Zuspruch bekommen die Befürworter einer Impfpflicht von vielen Juristen aus Deutschland. So wäre diese nach Ansicht des Staatsrechtlers Ulrich Battis vom Grundgesetz gedeckt. "Eine solche allgemeine Impfpflicht ist durchaus vertretbar – und zwar, um das Leben anderer Menschen zu schützen", sagte der Rechtswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität der Neuen Osnabrücker Zeitung. Battis verwies auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt. "Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das ebenfalls der Artikel 2 festschreibt, hat dahinter zurückzutreten."
Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Die Freiheit der Einzelnen endet da, wo Freiheit und Gesundheit anderer in Gefahr sind – das ist hier der Fall, wenn die Impfkampagne nicht gelingt." Mayer machte klar, dass es um eine Impfpflicht und keinen Impfzwang ginge.
Was spricht gegen eine allgemeine Impfpflicht?
Viele Kritiker argumentieren, dass eine Impfpflicht verfassungswidrig sei. So sprechen einige Rechtsexperten davon, dass zu stark in die Grundrechte und die individuelle Freiheit der Bürger eingriffen werde. Jede medizinische Behandlung bedürfe demnach der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Allerdings sieht das Grundgesetz auch vor, dass die Rechte auf Freiheit, Leben und körperliche Unversehrtheit eingeschränkt werden können – allerdings nur durch Gesetze.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, äußerte sich ebenfalls sehr skeptisch. Eine allgemeine Impfpflicht dürfte "wegen des schwerwiegenden Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auch unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sein", sagte er.
Wie könnte eine Impfpflicht praktisch durchgeführt werden?
Das ist das große Fragezeichen: "Eine allgemeine Impfpflicht für alle Menschen im Land – die hat es noch nie gegeben", erklärte Spahn im Deutschlandfunk-Interview. Zu Vergleichen mit einer früheren Pocken-Impfpflicht sagte er, diese habe nur für Kinder und bestimmte Berufsgruppen gegolten. Zudem konnten die Pocken mit der Impfung praktisch ausgelöscht werden. Experten sind sich allerdings uneins, inwiefern das auch bei dem Coronavirus möglich ist.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht einer Impfpflicht skeptisch gegenüber.
Welche Strafen könnten Ungeimpften drohen?
Es sei fraglich, wie man eine Impfpflicht durchsetzen würde – so könne ein Bußgeld reichere Menschen weniger stark berühren als ärmere, erklärte Spahn.
In Kitas, Schulen, Flüchtlingsunterkünften und im Gesundheitswesen gilt seit dem 1. März 2020 eine Masern-Impfpflicht. Das Gesetz sieht vor, dass Eltern, die ihre in einer Einrichtung betreuten Kinder nicht impfen lassen, mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro belegt werden können. Kinder, die schon in der Kita oder in der Schule sind, mussten nachweisen, dass sie geimpft sind oder die Masern schon hatten. Ungeimpfte Kinder können von der Kita ausgeschlossen werden, von der Schule wegen der allgemeinen Schulpflicht nicht. Ungeimpfte Mitarbeiter dürfen nicht mehr arbeiten.