- Wirtschaft und Arbeitsplätze
- Hafenausbau
- Klimaneutraler Stahl
- Gesundheitsvorsorge und Fachkräfteanwerbung
- Bürgergeld
- Zugverkehr
"Die da oben" ist ein häufiger Ausruf, wenn die Rede von Bundespolitikern ist. "Die da oben" würden sich zu wenig um die Belange der Bürger kümmern. Viele Bürger spüren eine große Distanz zur Bundespolitik, wie eine vom WDR beauftragte Umfrage ergab. Entscheidungen, die der Bundestag trifft, scheinen den einfachen Bürger nicht zu berühren. Dabei nehmen Bundesgesetze Einfluss auf den Alltag, im Positiven wie auch im Negativen. Der Text zeigt an einigen Beispielen, wie sich Entscheidungen des Bundes auf Bremerinnen und Bremer auswirken.
Wirtschaft und Arbeitsplätze
Welchen Einfluss der Bund auf die Entwicklung von Arbeitsplätzen haben kann, merkte die Stadt Bremerhaven schmerzlich in den Jahren 2010 bis 2019, so die Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke). „Die politischen Entscheidungen zur Begrenzung des Ausbaus erneuerbarer Energien, insbesondere der Offshore-Windenergie, haben Bremerhaven stark getroffen“, sagt sie. Über 3000 Arbeitsplätze seien dadurch verloren gegangen. Viele Unternehmen hätten den Standort verlassen. Helfen könne die letzte Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2023. Es regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien ins Stromnetz.
Auf den Ausbau von Fotovoltaikanlagen habe sich die Förderung durch den Bund bereits positiv ausgewirkt, stellt Vogt fest. Davon profitierten lokale Handwerksbetriebe. „Viele Unternehmen haben sich auf diesen Bereich spezialisiert“, erklärt die 59-Jährige.
Noch keinen nennenswerten Aufschwung gab es für die Windenergiebranche in Bremerhaven. „Allerdings sehe ich in den ehrgeizigen Ausbauzielen für die Offshore-Windenergie eine große Chance für Bremerhaven“, sagt die Wirtschaftssenatorin. „Besonders wichtig ist, dass die bestehenden Offshore-Wind-Ausbauziele nicht wieder reduziert werden.“ Das Land brauche Planungssicherheit und die passende Infrastruktur. Dabei spiele der Hafenausbau eine wesentliche Rolle.
Hafenausbau
Nördlich des Bremerhavener Stadtkerns liegt das stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven. Die Häfen sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für das Land, doch müssen sie ausgebaut und modernisiert werden. Dafür ist das Land zuständig. Nicht nur Bremen, sondern alle Küstenländer fordern eine stärkere Beteiligung des Bundes. In Bremerhaven steht unter anderem die Sanierung der Stromkaje aus. Sie ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit des Containerterminals. „Ob und in welchem Umfang Bundesmittel bereitgestellt werden, hängt maßgeblich von den Entscheidungen der kommenden Bundesregierung ab“, erklärt Vogt. Die Finanzierung könne das Land Bremen nicht alleine stemmen.
Klimaneutraler Stahl
Auch der Umbau der Stahlindustrie hänge von der Beteiligung des Bundes ab – aber nicht nur. An der Weser, am Rande der Bremer Industriehäfen, liegt einer der größten Arbeitgeber des Landes. Bei Arcelor-Mittal geht es um nicht weniger als 3100 Arbeitsplätze, den Erhalt des Standorts Bremen und um eine klimafreundliche Stahlproduktion. Das Bremer Werk soll auf eine kohlenstoffdioxidarme Produktion umgerüstet werden. So will es die Bremer Politik, und so will es auch die Belegschaft: „IG Metall und Betriebsräte setzen auf eine Industriepolitik, die die Unternehmen in der Transformation fördert und fordert. Es braucht einen Umbau der Industrie auf umweltfreundliche Produktion, den Erhalt von Arbeitsplätzen und den Ausbau neuer Technologien. Wir können es uns nicht erlauben, von der Zukunft abgehängt zu werden“, sagt Michael Gerdes von der IG Metall Bremen.
Und so wollte es die Bundesregierung: Im Mai 2024 erhielten die Standorte Bremen und Eisenhüttenstadt die Zusage einer Förderung in Form von 1,1 Milliarden Euro durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). 250 Millionen Euro zahlt das Land Bremen, der rot-grün-rote Senat und die CDU gehen dabei im Gleichschritt.
Das Problem: Arcelor-Mittal hat noch keine Zusage gegeben, ob sie die Umrüstung, die insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro kosten soll, tatsächlich durchführen wird. Ende des vergangenen Jahres demonstrierten die Beschäftigten vor der Werkszentrale dafür, laut Unternehmen sei der Standort weiter im Rennen. Dafür müssten aber die Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa stimmen – unter anderem ein niedrigerer Industriestrompreis. Die kommende Bundesregierung wird darüber mitentscheiden, ob es in Zukunft grünen Stahl aus Bremen geben wird. Und damit auch über Tausende Arbeitsplätze in der Region.
„In Bremen arbeiten wir weiter an den Vorbereitungen für die technologische Transformation“, sagt eine Sprecherin von Arcelor-Mittal. „Vom Bund und der nächsten Bundesregierung erwarten wir, dass sie mit hohem Druck die notwendigen Schritte einleitet, damit die Energiekosten für die Stahlproduktion in Deutschland wieder international wettbewerbsfähig werden.“
Gesundheitsvorsorge und Fachkräfteanwerbung
In der Stadt Bremen sucht unter anderem der Klinikverbund Bremen „Gesundheit Nord“ (Geno) nach Fachkräften, schildert die Sprecherin Karen Matiszick. „So wie alle Krankenhäuser in Deutschland spüren auch wir den Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen, insbesondere in der Pflege.“
2023 verabschiedete die Ampel das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das Gesetz mit dem sperrigen Namen sollte es auch für Krankenhäuser erleichtern, Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland anzulocken. Auch der Klinikverbund wirbt Fachkräfte aus dem Ausland an. Inzwischen seien 80 internationale Pflegekräfte angestellt, sagt Matiszick. Die Krankenhaus-Dachgesellschaft arbeitet mit Agenturen zusammen, die bei der Anwerbung helfen. Vor Ort betreuen Mitarbeiter die neuen Pflegekräfte bei Behördengängen, der Wohnungssuche und der Integration.
Dahinter stecken viel Einsatz, Geld und Organisation. Eine Erleichterung brachte das Gesetz nicht: „Die Überarbeitung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes hat auf die reglementierten Berufe, zu denen alle Gesundheitsberufe gehören, nach unserer Einschätzung keinen großen Einfluss gehabt“, erläutert Matiszick. Das Gesetz fokussiere sich zu wenig auf Pflegefachpersonal, sodass die Suche weiterhin den Krankenhäusern überlassen bleibe.
Bürgergeld
An anderer Stelle sieht die Zukunft absehbar düster aus. So etwa beim Projekt „Sprungbrett“ des Trägers Therapiehilfe Bremen. Dort arbeiten 30 Bürgergeldbezieher in Arbeitsgelegenheiten, früher Ein-Euro-Jobs genannt. Das Jobcenter finanziert das Projekt bis Ende Juni. Über den Zeitraum hinaus ist die Beschäftigung nicht gesichert. Es gebe für die Menschen auch keine alternativen Förderungen, erklärt der Projektleiter, Matthias Weniger: „Die Sparpolitik des Jobcenters trifft die Menschen mit den geringsten Vermittlungschancen, die aber am ehesten auf Unterstützung angewiesen wären. Dies ist sowohl gesundheits- als auch sozialpolitisch für diese Stadt ein Desaster.“
Das Waller Projekt steht mit den Herausforderungen nicht allein. 385 Arbeitsgelegenheiten fielen in Bremen dieses Jahr weg. Grund dafür sind Kürzungen der Mittel des Bremer Jobcenters, das sich aus Bundeshaushaltsmitteln finanziert. Doch der Etat für 2025 wurde durch den Ex-Finanzminister weiter reduziert.
Das Bürgergeld war eines der Vorzeigeprojekte der Ampelregierung. Am 1. Januar 2023 ist es bundesweit in Kraft getreten – nach harten Verhandlungen zwischen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und dem damaligen Finanzminister Christian Lindner sowie zwischen der Ampel und der Union. Es ersetzte das Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt, nach 18 Jahren. Die Referentin der Arbeitnehmerkammer sah darin eine Verbesserung. Die Ampel habe „den Zugang der Kundinnen und Kunden des Jobcenters zu Qualifizierungsmaßnahmen gestärkt“, sagt Alexandra Krause. „Berufliche Weiterbildung, die zu einem echten Berufsabschluss führt, ist der Schlüssel der Arbeitsförderung.“ Um die Förderung durch das Jobcenter beizubehalten, brauche es einen Kurswechsel des Bundes, sagt Krause.
Zugverkehr
Bahnkunden können sich über einige Verbesserungen auf und an der Schiene freuen, bei denen der Bund das Land Bremen unterstützt. Die Modernisierung der Bahnhöfe Bremerhaven-Wulsdorf und Bremen-Oberneuland wurde laut Aygün Kilincsoy, Pressesprecher der Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung, zwischen 2021 und 2024 durch Bundesfördermittel in Höhe von 345.000 Euro unterstützt.
Für die Zeit zwischen 2021 und 2028 ist außerdem ein Budget von einer halben Million Euro für die Modernisierung des Bahnhofs Bremen-Neustadt eingeplant. Der Ausbau der Station Bremerhaven-Lehe wurde bisher mit fast einer halben Million Euro gefördert. In den kommenden vier Jahren sollen noch knapp drei Millionen hinzukommen.
Am stärksten schlage allerdings die Erweiterung der Weichen und Signale am Bremer Hauptbahnhof zu Buche. Für die Zeit von 2021 bis 2028 würden Bundesfördermittel von rund elf Millionen Euro erwartet. Darüber hinaus bekomme das Tochterunternehmen der Bahn, DB Infrago, für die Instandhaltung der Schieneninfrastruktur auch im Land Bremen Bundesfördermittel direkt bereitgestellt, erklärt Kilincsoy.
Auch in die kleineren Schienen, auf denen die Bremer Straßenbahnen täglich Hunderttausende Menschen befördern, wird investiert. Das Projekt „Linie 2 verbindet“, mit dem Reisende in Zukunft ohne umzusteigen von Gröpelingen bis nach Tenever fahren können, ist bereits angelaufen. Für dieses Vorhaben sowie auch für die Verlängerungen der Linien 1 und 8 wird laut Kilincsoy eine Bundesförderung angestrebt.