Keine einzige neue Windenergieanlage ist im Land Bremen seit 2018 gebaut worden. Im Land stehen 89 Windräder, davon 25 in Bremerhaven. Niedersachsen weist knapp 6400 Anlagen auf. Auch dort sind in den vergangenen Jahren wenig neue Windräder aufgestellt worden. 2020 waren es 48, im vergangenen Jahr 104. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordert, den Ausbau deutlich zu beschleunigen: Bis 2030 seien etwa 16.000 zusätzliche Windenergieanlagen nötig, um das Ziel von 80 Prozent erneuerbarer Energie für die Stromversorgung zu erreichen.
Aktuell sei ein Windrad in Bremen in der Planung, erklärt Jens Tittmann, Sprecher der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, auf Nachfrage. Dann seien alle im Flächennutzungsplan der Stadt dafür vorgesehenen Gebiete bebaut. Die Stadtstaaten könnten nicht in dem Maß wie die anderen Bundesländer Vorrangflächen für den Ausbau bereithalten, darüber müsse im Bundesrat noch gesprochen werden. Habeck will zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft nutzen. In Hamburg (68) und Berlin (zwölf) stehen noch weniger Anlagen als Bremen.
Anlagen sind etwa 20-mal leistungsstärker geworden
Das Ausbaupotenzial liegt Tittmann zufolge nicht in mehr, sondern in leistungsstärkeren Anlagen, ein Trend, der bereits seit gut zehn Jahren zu beobachten sei. Insgesamt liegt die installierte Leistung im Land Bremen bei knapp 200 Megawatt (200.000 Kilowatt).
War Anfang der 1990er-Jahre ein Ertrag von 150 Kilowatt zu erwarten, sind es inzwischen 2300 bis 3400 Kilowatt (2,3 bis 3,4 Megawatt). Offshore-Anlagen, die auf See gebaut werden, bringen mehr: In Bremerhaven stehen sieben Anlagen mit je fünf sowie eine mit acht Megawatt.
Auf See sollen laut Habeck bis 2030 weitere 30 Gigawatt Leistung möglich werden. Ende 2020 gab es laut Deutsche Windguard rund 1500 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 7,8 Gigawatt – das sind 7,8 Millionen Kilowatt. Eine Aufstockung sei wichtig, um die Energie- und Klimaziele zu erreichen, heißt es aus dem niedersächsischen Umweltministerium, stelle aber zugleich eine große Herausforderung dar. Denn die Trassen für den Energietransport, der derzeit über Kabel laufe, seien begrenzt. Eine Alternative könnte sein, Wasserstoff auf See zu erzeugen und diesen per Pipeline oder Schiff zu transportieren.
Niedersachsen: 1,4 Prozent der Landesfläche für Windkraft
An Land sei bis 2030 eine installierte Leistung von mehr als 100 Gigawatt (also 100.000 Megawatt) Windenergie nötig, um die Klimaziele zu erreichen, machte Minister Habeck deutlich. Niedersachsen hat sich bereits ein klares Ziel gesetzt: Bis 2030 will es 1,4 Prozent der Landesfläche für die Windkraftnutzung planerisch bereitstellen und ermöglichen, dass 20 Gigawatt installiert werden können. Ab 2030 soll das Ziel bei 2,1 Prozent der Landesfläche für bis zu 30 Gigawatt liegen, teilt die Pressestelle des Umweltministeriums auf Anfrage mit.
Für die Planung und die Bereitstellung der Flächen sind die Kommunen zuständig und sollen es auch in Zukunft bleiben. Das betonte Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des niedersächsischen Städtetags, gegenüber dem NDR. Um die Akzeptanz vor Ort zu erhalten und möglichst zu erhöhen, seien ausreichende Mitsprachemöglichkeiten beim Aufstellen oder der Erneuerung von Anlagen wichtig. Denn neben sich hinziehenden Genehmigungsverfahren behinderten Klagen und Proteste gegen Windparks den Ausbau.
Auch gegen die vorerst letzte neue Windenergieanlage in Bremen, die am Bultensee aufgestellt werden soll, gab es Protest. Fünf Jahre lang kämpfte eine Bürgerinitiative gegen die Realisierung in dem Überschwemmungs- und Landschaftsschutzgebiet. Die Gruppe argumentierte, Zugvögel und Fledermäuse seien durch das Windrad gefährdet. Zudem sei der Abstand zu den Wohngebäuden zu klein, dies könne gesundheitlichen Auswirkungen haben, durch sogenannten Infraschall – nicht hörbaren, tief frequenten Schall. Die Genehmigung für den Bau wurde im Sommer 2021 erteilt. Die „Verspargelung“ der Landschaft, Natur- und Tierschutz, Lärmbelästigung oder gesundheitliche Schäden werden von Protestgruppen als Argumente gegen Windenergieanlagen genannt.
Eine repräsentative Umfrage aus dem August 2021 im Auftrag Fachagentur „Windenergie an Land“ zeigt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Windenergie seit Jahren bei etwa 80 Prozent liegt. Eine andere repräsentative Studie für die Agentur für erneuerbare Energien von Ende 2020 hat sich mit der Frage beschäftigt, was die Menschen von einer Anlage in ihrer direkten Nachbarschaft halten würden. Grundsätzlich würden das 47 Prozent der Befragten befürworten – und von denen, die bereits mit einer Anlage nebenan leben, 56 Prozent.