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Jäger und Naturschützer einig Population der Stadtkaninchen steigt

Die Population der Kaninchen in Bremen steigt an, allein im letzten Jahr mussten 1.200 Tiere erlegt werden. Jäger Richard Onesseit sorgt für die Ausgewogenheit und ein Gleichgewicht in der Tierwelt.
21.10.2016, 00:00 Uhr
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Population der Stadtkaninchen steigt
Von Pascal Faltermann

Die Population der Kaninchen in Bremen steigt an, allein im letzten Jahr mussten 1.200 Tiere erlegt werden. Jäger Richard Onesseit sorgt für die Ausgewogenheit und ein Gleichgewicht in der Tierwelt.

Am Straßenrand hoppeln sie dem schwindenden Sonnenlicht entgegen. In den Schrebergärten knabbern sie die Pflanzen an. An Platz 11 am Weserstadion buddeln sie sich in den Erdhügel. Die Population der Kaninchen im Bremer Stadtgebiet steigt an. Da sind sich Jäger und Naturschützer einig.

Allein 1.200 Kaninchen sind im Jahr 2015 erlegt worden. 1.200. Das sagt Stadtjägermeister Harro Tempelmann. Sein Kollege Richard Onesseit ist für einen Teil der Sportanlagen in der Pauliner Marsch und dem Bürgerpark zuständig. Seit sechs Jahren ist dieser sein Jagdgebiet.

Jäger kennen das Karnickel-Problem

Onesseit kennt das Karnickel-Problem. Bei einem Spaziergang durch den Stadtwald spricht er aber nicht nur von Kaninchen. Es geht um die Tier-Bestände, die kleine Raubtierpalette, die Bastardisierung der Enten – der 53-Jährige hat viel zu erzählen.

Die Wasseroberfläche des Stadtwaldsees ist bedeckt mit grüner Entengrütze. Onesseit schreitet am Gewässer entlang. Über der rechten Schulter hängt sein Jagdgewehr, über der Linken ein großes Fernglas. Seine Hündin Gesche geht bei Fuß.

Zwischen dem Grün der Bäume fallen die Sonnenstrahlen auf den Weg, wo das erste Herbstlaub schon liegt. Die Enten schnattern und fliegen ein paar Meter weiter, als der ehrenamtliche Parkjäger vorbei läuft. Diese Idylle, diese Romantik der Natur ist eigentlich durch nichts zu trüben.

Doch dann kommt dieser Satz: „Was das individuelle Leid angeht, ist Mutter Natur eine Schlampe“, sagt Onesseit und schmunzelt. „Sie macht es nie so, wie der Mensch es gerne hätte.“ Der 53-jährige Bremer bezieht diesen Satz auf viele Dinge. Auf die Entwicklung des Wildtierbestandes, die Auswirkungen von Seuchen, die Zusammenhänge in der Natur.

Population steigt

Onesseit spricht viel über die Bestände der Kaninchen. Da die Tiere die Seuchen scheinbar überstanden haben, steigt die Population. „Sie vermehren sich eben wie die Karnickel“, sagt er und hat wieder ein Lachen im Gesicht. Die Myxomatose, die sogenannte Kaninchenpest, oder die Viruserkrankung RHD hätten die Bestände in der Vergangenheit immer wieder stark dezimiert. Das sei im letzten und in diesem Jahr nicht so.

2015 sei die Myxomatose erst relativ spät aufgetreten und habe sich dementsprechend auch nicht so stark verbreitet. Hinzu komme, dass es in diesem Frühjahr ziemlich trocken gewesen sei, wodurch es auch weniger Insekten und Mücken gegeben habe. Ein trockener Frühling ist ungünstig für den Aufbau von großen Mückenpopulationen, denn durch feuchtes Wetter gelinge die Fortpflanzung deutlich schneller.

Mücken seien es, die die Seuchen übertragen. Das war gut für die Vermehrung der kleinen Hakenschläger. So niedlich und putzig die Kaninchen auch sind, sie können eine zerstörerische Kraft entwickeln, wie die instabile Tribüne an Platz 11 des Weserstadions zeigt.

Die Tiere haben dort unterirdische Gänge und Bauten gebuddelt und angelegt, wodurch die Tribüne für bis zu 500 Zuschauer vor einigen Tagen gesperrt werden musste (wir berichteten). „Karnickel sind Landschaftsgestalter“, sagt Onesseit. Und: „Sie fressen nach Preisschild. Sie knabbern lieber an der Rinde der Edelrose als am Löwenzahn.“

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„Ein Bestand entwickelt sich so lange, bis er zusammenbricht“, verdeutlicht Onesseit. Sein Job ist es, die Bestände im Auge zu behalten. Es sei nicht leicht, die Kaninchen zu jagen. Im Bürgerpark dürfen sie geschossen werden. Auf den Sportanlagen ist dafür eine Sondergenehmigung notwendig, da dort immer auch Menschen unterwegs sind.

Das hat auch bei der Jagd seine Nachteile. „Ich habe es schon erlebt, dass ich am frühen Morgen nach Stunden endlich ein Tier im Visier hatte und dann Nordic Walker vorbei kamen, deren Sicherheit vorgeht“, erinnert sich Onesseit. Ihm geht es nicht nur darum, etwas auf dem Teller zu haben. Ihm ist es wichtig, dass möglichst Ausgewogenheit, ein Gleichgewicht in der Tierwelt herrscht.

Füchse im Bürgerpark

Nicht nur die Kaninchen hat Onesseit im Blick. Auch deren natürlicher Feind, der Fuchs, treibt sich im Bürgerpark herum. „Der Fuchs wird in seinem Bestand meist unterschätzt, weil er nur selten zu sehen ist“, sagt Onesseit. Ein, zwei Bauten habe er dieses Jahr gesehen.

Zur kleinen Raubtierpalette im Park gehören auch Marder, der Iltis und vielleicht der Marderhund. Vor allem der Bestand des Steinmarders sei hoch, aber die Raubtiere allein könnten die Bestände nicht an die Bedürfnisse der vom Menschen gestalteten Landschaft anpassen.

Wenn er im Bürgerpark jagt, sind meistens die Enten betroffen. Dabei achtet er vor allem darauf, dass die Gewässer nicht zu stark belastet werden und dass es nicht zur Bastardisierung kommt, der Entstehung von Nachkommen mit genetisch verschiedenen Eltern. Wenn Hausenten sich mit Stockenten kreuzen, entstehen untypische Enten, die die Art negativ beeinflussen.

Niedriger Rehbestand

Für Bisamratten gibt es spezielle Jäger im Bürgerpark. Bisamratten graben vor allem Löcher unter die Uferkanten an den Gewässern im Park. Derzeit eher niedrig ist der Bestand der Rehe auf der 200 Hektar großen Fläche.

Ein Dachs sei noch nicht gesichtet worden. Rebhühner oder Fasane gibt es nicht mehr. Und Wildschweine? Im Bürgerpark auch nicht, aber in einigen Bereichen in Bremen-Nord seien hin und wieder auch Wildschweine aufgetaucht. Aber eigentlich sei die Autobahn 27 und ihr Wildschutz-Zaun als Grenze für die Tiere immer recht gut gewesen.

Jetzt werden es aber immer mehr, vor allem, weil die Wildschweine ein Überangebot an Nahrung haben. Durch die Ansiedlung des Wolfes, würden die Rotten laut Onesseit sogar noch größer und wehrhafter werden. In Gruppen können Wildschweine Wölfe vertreiben. Die Population nehme vor allem durch den vermehrten Anbau von Mais derzeit stark zu und wandere verstärkt in besiedelte Bereiche ein.

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