Die ersten großen Stürme des Jahres haben Bremen kurzzeitig einen seltenen Gast beschert: Offenbar vom starken Wind die Weser hochgetrieben, ist eine Trottellumme gesichtet worden, zuerst in Höhe des Parks Links der Weser. Als der Ornithologe Thomas Kuppel aus dem Viertel, der gerade auf dem Fahrrad hinter Dreye in den Wiesen unterwegs war, die Nachricht erhielt, fuhr er sofort los.
Er entdeckte den „ziemlich entkräfteten“ Hochseevogel im Europahafen zwischen Haubentauchern. Der einzige deutsche Brutplatz mit etwa 4000 Trottellummenpaaren ist der Helgoländer Vogelfelsen. „Von der Art liegen wohl keine zehn Nachweise aus Bremen vor“, sagt Thomas Kuppel – historische Daten, die bis ins 18. Jahrhundert zurückgingen, mitberücksichtigt.
Gänsesäger und Schellenten machen sich rar
Sonst ist der Winter aus vogelkundlicher Sicht eher unspektakulär für Thomas Kuppel und die rund 30 Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Bremer Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft. Weil kaum etwas zugefroren sei, hätten sich nur wenige Vögel aus den Gebieten an der Ostsee in die Bremer Region aufgemacht. Gänsesäger und Schellenten machten sich rar.
Bei einer Wasser- und Watvogelzählung hat Thomas Kuppel in seinem Beobachtungsgebiet zwischen Werdersee und Ahausen Taucher, Schwäne, Gänse, Enten, Möwen und Reiher registriert. Seine und die Ergebnisse anderer Zählerinnen und Zähler aus der vergangenen Woche werden über den Dachverband Deutscher Avifaunisten zusammengetragen und international ausgewertet. Watvögel – Schnepfen, Kiebitze und Regenpfeifer etwa – kommen dabei weniger häufig vor.

Ein extrem seltener Gast in Bremen: Eine offenbar vom Sturm verwehte Trottellumme in der Weser, Höhe Häfen. Einziger deutscher Brutplatz der Hochseevögel ist der Helgoländer Vogelfelsen.
Wer Vögel als Vorboten des Frühlings schätzt, kommt jetzt als Beobachter voll auf seine Kosten: „Wenn man jetzt rausgeht, sieht und hört man viele Rückkehrer aus den Winterquartieren“, sagt der Vogelexperte. „Bis Mai geht das so weiter.“ Mancherorts reiche – auch in der Stadt – der Blick aus dem Fenster.
Gute Orte zur Vogelbeobachtung seien aber auch Friedhöfe, Parks, das Weserufer, Seen und Teiche. Außer alten Bekannten seien „Tausende von Gänsen“ zu beobachten, deren Unterarten häufig zusammen anzutreffen seien. Kuppel hat unter ihnen eine in dieser Gegend nicht eben häufige Rothalsgans ausgemacht.
Einige Gäste sind besonders zeitig dran, nicht nur, weil sie vom Winde verweht worden sind. „Die Tendenz, dass vor allem die Singvögel früher wieder zurückkommen, gibt es ja schon länger“, sagt Thomas Kuppel. „Jetzt singen schon eine Menge Feldlerchen, Zaunkönige, Heckenbraunellen und Buchfinken. Auch Spechte trommeln zunehmend in der Stadt – dank stattlicher Bäume.“ Selbst Waldvögel wie Eichelhäher seien inzwischen häufiger anzutreffen, „und im Bürgerpark brüten Hohltauben“.
Einen Rückzugsort für Waldohreulen haben die Stürme „Ylenia“ oder „Zeynep“ beseitigt: Der Findorffer Lebensbaum, der seit ein paar Jahren den Vögeln als Winterschlafplatz diente, ist „im Sturm umgefallen“, weiß Thomas Kuppel. Zwei der Eulen habe er in der Nachbarschaft in einer jungen Tanne wiederentdeckt. Bis zu 20 Vögel hatten in dem Lebensbaum eine Schlafgemeinschaft gebildet. Von Fußgängern und Radfahrern hatten sich die nächtlichen Jäger kaum stören lassen und tagsüber mit geschlossenen Augen im Nadelgeäst gehockt und gedöst, während Vogel- und Fotofreunde sie begeistert ins Visier nahmen.
„Am Unisee ist seit einigen Wochen ein Prachttaucher zu sehen“, sagt Kuppel. Auch der ist in Bremen eher selten. „Außerhalb der Brutzeit sind das Salzwasservögel“, erklärt der Vogelkenner. Zu den in dieser Gegend seltenen Vögeln zählt auch der Amerikanische Stelzenläufer, den er im Hollerland gesehen hat. „In Europa ist der aber noch nie als Wildvogel gesichtet worden.“ Auch dieses Exemplar ist keiner, der Vogel trägt einen Ring. Thomas Kuppel vermutet, er könnte während einem der Stürme aus einer Voliere entkommen sein - und die Flatter gemacht haben.