Sie wussten, dass was kommt, ahnten aber nicht, wie schlimm es wird. "Meine Warn-App hat die Gefahr für den Ort angezeigt", erzählt Monika Huwald, "dunkellila, die höchste Alarmstufe." Das war am Mittwochabend, bis zum nächsten Morgen war die Katastrophe passiert.
Die Familie Huwald besitzt ein Haus in Mayschoß, lebt aber in Bremen. Das 900-Seelen-Dorf an der Ahr, berühmt für seine erfolgreichen Winzer, ist seit dem Hochwasser nicht mehr wiederzuerkennen. Die Gebäude zum Fluss hin sind alle zerstört. Auf der anderen Seite der Hauptstraße sieht es nicht viel besser aus. Es gibt kein Wasser, kaum Strom, und weil die Straße kaputt ist, war das Dorf tagelang abgeschnitten.
Hilfe kam schließlich über eine Schotterpiste und über Wanderwege in den Weinbergen. Eine Möglichkeit, die auch von den Huwalds genutzt wurde. Die beiden Söhne der Familie sind am Sonnabend mit einem Unimog nach Mayschoß gefahren, um die Bewohner zu versorgen. Sie haben Fotos mitgebracht, die das ganze Ausmaß zeigen, "wie nach einem Tsunami", zitiert Monika Huwald jemanden aus dem Dorf.
Ihr Haus steht oben am Hang. Sie hat es von den Eltern geerbt. Schäden gibt es so gut wie keine, außer dass der Keller vollgelaufen ist. "Peanuts", sagt Hans-Dieter Huwald. Nichts, meint er, rein gar nichts im Vergleich zum Schicksal anderer Dorfbewohner. Huwald berichtet von einem Mann, der sich im letzten Moment retten konnte: "Er ist über das Dach seiner Garage in den Weinberg geflohen, kurze Zeit später war die Garage weg. Der Mann wäre nicht zu retten gewesen." In Mayschoß sind bislang drei Todesopfer gezählt worden, zwei Menschen werden noch vermisst. Das Dorf gehört zum Landkreis Ahrweiler, dort sind es insgesamt 122 Tote, 155 Vermisste und 763 Verletzte.
Mutter, Vater, die Kinder, alle aus der Familie Huwald wollen helfen. Einer der Söhne ruft aus dem Katastrophengebiet beim WESER-KURIER an. Bautrockner, sagt er, "wir brauchen Bautrockner". 95 Prozent der Gebäude in der Gegend seien durchnässt. Das eigene Haus auch, aber eben nur im Keller, und das ist ein Glück – nicht nur für die Huwalds, sondern auch für eine andere Familie.
Die Bäckerei Ockenfels hat ihr Geschäft, zu dem ein Café gehört, in einem Gebäude am Flussufer, das der Familie auch zum Wohnen dient. Schöne Lage. Gefährliche Lage. "Beim Hochwasser 2016 kamen die Fluten ein paar Treppenstufen zur Terrasse hoch", erzählt Mirja Ockenfels. Nicht schlimm, nur Wasser im Keller, was soll's. Im Gegenteil: "Damit konnten wir später den Schlamm wegspritzen."
So hatten sie sich das auch dieses Mal wieder gedacht und die Pumpen schon bereitgestellt. "Die Prognose ging im Laufe des Abends aber immer weiter nach oben. Das Wasser stieg, kam durch die Tür ins Café, und dann war klar: Wir müssen hier raus", sagt die 43-Jährige. Schnell noch die wichtigsten Sachen geschnappt, und ab zum Nachbarn, dessen Haus deutlich höher liegt. Die Frau, ihr Mann und die zwei Kinder, acht und zwölf Jahre alt – in Sicherheit. "Als wir rausgingen, kam die Ahr auch von hinten ans Haus heran, es war höchste Zeit." Das Gebäude der Bäckersfamilie ist schwer beschädigt worden. Unmöglich, darin zu wohnen, zumindest fürs Erste. Doch wohin stattdessen?
Und das ist das Glück im Unglück. Es gibt ja diesen guten Kontakt zu den Huwalds. "Wir schauen nach dem Haus und parken dort oft unser Auto, damit es belebt aussieht", sagt die Bäckersfrau. Das Haus ist heute ein Ferienhaus, voll möbliert und selten genutzt. Ein ideales Ausweichquartier. "Wir sind sehr, sehr froh darüber, seit Dienstag gibt es sogar Strom. Die Familie Huwald hilft uns enorm."
Mirja Ockenfels erzählt das am Handy, ein mühsames Gespräch, weil jedes Mal nach nur wenigen Sätzen der Empfang weg ist. Die letzte Nachricht kommt am Abend per SMS: "Es wird sehr viel untereinander geholfen. In all dem Schrott ist das eine positive Stimmung. In der Kirche gibt es etwas zu Essen und alles, was gespendet wurde. Dort sind Duschen und seit Mittwoch auch Toiletten. Jetzt geht es zum Essen. Viele Grüße, Mirja."