Der Gerichtsprozess um eine Messerattacke im Eingangsbereich einer Veranstaltung im Weserstadion im Dezember 2016 steht weiterhin unter keinem guten Stern. Konnte am Amtsgericht schon zum Auftakt am 23. November nicht in der Sache selbst verhandelt werden, so platzte der Prozess am Mittwoch nun komplett. Am zweiten Verhandlungstag fehlte ein Schöffe und der Richter setzte die Hauptverhandlung aus. Der Prozess muss zu einem späteren Termin noch einmal komplett neu begonnen werden.
Angeklagt wegen schwerer Körperverletzung sind in diesem Verfahren vier Männer aus Bremen. Laut Anklageschrift wollten sie am 11. Dezember 2016 nachts um kurz nach 1 Uhr in die „Persische Nacht“, die im Businessbereich des Weserstadions stattfand. Dort wurde ihnen jedoch der Einlass verwehrt, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Daraufhin habe es zunächst verbale Drohungen gegeben, dann ein Gerangel und Schubsereien. Schließlich habe einer der vier Angeklagten seinem Gegenüber mit einem Messer eine sieben Zentimeter lange Schnittwunde im Gesicht zugefügt.
Der erste Versuch, den Tathergang aufzuklären, scheiterte. Wie berichtet beschäftigte sich das Gericht beim Prozessauftakt im November fünf Stunden lang mit den unerwartet aufgedeckten Kontakten der Zeugen, allesamt Türsteher aus Hamburg, zur Bremer Polizei.
Am Mittwoch sollten dieselben Zeugen nun erneut vernommen werden, diesmal zur Sache. Doch dazu kam es wieder nicht. Einer der beiden Schöffen hatte sich am Montag krankheitsbedingt abgemeldet. Ein Bandscheibenvorfall, teilte der Richter mit. Soweit noch kein Problem, für solche Fälle gibt es Listen mit anderen Schöffen als Ersatz. Tatsächlich habe er auch die feste Zusage eines Schöffen gehabt, dass dieser zum zweiten Prozesstag erscheinen werde, erklärte der Richter. Allein – bis Mittwochmittag fehlte von dem Mann im Gerichtssaal jede Spur. Eine Entschuldigung lag nicht vor und alle Versuche des Gerichts, ihn auf die Schnelle telefonisch zu erreichen, scheiterten.
Die Folgen für den nicht erschienenen Schöffen waren zügig geklärt: Er wurde mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro belegt. Zudem muss er die für diesen Verhandlungstag entstandenen Kosten tragen. Darunter fallen unter anderem die Kosten für die drei Zeugen aus Hamburg, die erneut nach Bremen beordert worden waren, die Kosten für einen ebenfalls bestellten Übersetzer sowie gegebenenfalls die Kosten für die Anwälte der vier Angeklagten. Wobei der Richter bei der Verhängung des Ordnungsgeldes („eine Muss-Vorschrift“) zu bedenken gab, dass die Abwesenheit des Schöffen, mit dem er ja erst vor zwei Tagen gesprochen habe, natürlich auch einen ernsten Hintergrund haben könnte. „Das ist alles sehr merkwürdig, da muss man ja das Schlimmste befürchten.“
„Eine Muss-Vorschrift“
Weitaus komplizierter entwickelte sich anschließend die Frage, wie es mit dem Prozess weitergehen sollte. Zum einen folgt die Auswechslung eines Schöffen oder die Nachbesetzung über eine Liste mit Hilfsschöffen sehr genau festgelegten Vorschriften. Nicht von ungefähr werden die Einsätze der einzelnen Schöffen das gesamte Jahr im Voraus ausgelost, um jedwede Art der Manipulation auszuschließen.
Zum anderen zeigten sich die Anwälte der Angeklagten nicht eben glücklich darüber, dass die Schöffen vom ersten Verhandlungstag aus diesem Prozess raus sind. Der persönliche Eindruck, den diese Schöffen am ersten Verhandlungstag von den Zeugen gewonnen hätten, sei schon sehr wichtig und drohe nun verloren zu gehen, erklärte einer der Verteidiger. Und regte an, dass sich das Gericht bei dem ursprünglichen Schöffen erkundigen solle, wie schwerwiegend der Bandscheibenvorfall denn gewesen sei. Vielleicht sei der Mann ja nur am Mittwoch verhindert und könne zum nächsten Termin wieder antreten.
Diese Möglichkeit bestand allerdings nicht mehr, weil der Richter zu diesem Zeitpunkt die Hauptverhandlung bereits ausgesetzt hatte, ein Neuanfang mit anderen Schöffen somit unumgänglich war. Was zu weiteren juristischen Problemen in Sachen Schöffenbestellung und möglichen Revisionsgründen führen könnte.
Am Ende entschied sich das Gericht für einen harten Schnitt. Die Hauptverhandlung wurde ausgesetzt und beginnt nun am 20. Dezember noch einmal komplett von vorn. Mit neuen Schöffen, mit der erneuten Verlesung der Anklageschrift, mit der abermaligen Anhörung der Zeugen über ihre Kontakte zur Bremer Polizei. Und irgendwann dann wohl auch mit dem Versuch, die Tat vom 11. Dezember 2016 aufzuklären.
(Dieser Artikel wurde um 17.33 Uhr aktualisiert.)