Aumund-Hammersbeck. Brauchen Edeka-Märkte eine Videoüberwachung, brauchen Tankstellen eigenes Sicherheitspersonal? Im Allgemeinen nein, in Aumund-Hammersbeck schon. Rund um die Lerchenstraße hat die Raubkriminalität in jüngster Zeit derartig zugenommen, dass sich Gewerbetreibende zu ungewöhnlichen Vorkehrungen gezwungen sehen. Doch der Abschreckungswert ist offenbar gering. In immer kürzerer Folge ereignen sich Überfälle.
Für Inge Steffen ist es "nur eine Frage der Zeit, bis die Versicherung mich rausschmeißt". Ihr Edeka-Markt an der Ecke Lerchenstraße / Hünertshagen ist in den vergangenen Jahren schon mehrfach von Räubern heimgesucht worden, doch so kurz wie zuletzt waren die Intervalle noch nie. An beiden zurückliegenden Sonnabenden schlug ein noch unbekannter Täter zu. Videoaufzeichnungen legen jedenfalls den Verdacht nahe, dass es sich um den gleichen, etwa 30 bis 35 Jahre alten Mann handelte, der - mit einem Brotmesser bewaffnet - die Herausgabe der Kassenbestände erzwang.
Während die erste Tat am 14. Januar sozusagen "normal" ablief, hatte die zweite am 21. Januar eine Vorgeschichte, bei der die Polizei nicht besonders gut wegkommt. Ermittler des Raubdezernates hatten am frühen Abend Hinweise darauf erhalten, dass zu späterer Stunde "ein Supermarkt in Aumund überfallen werden sollte", wie Behördensprecher Dirk Siemering auf Anfrage der NORDDEUTSCHEN bestätigt. Außer Inge Steffens Edeka-Markt gibt es in Aumund kein Lebensmittelgeschäft, das bis 24 Uhr geöffnet ist. Die Beamten legten sich allerdings nicht im Laden auf die Lauer, sondern versuchten laut Siemering, die Täter durch eine "Raumüberwachung" der weiteren Umgebung dingfest zu machen.
Private Security schützt Tankstelle
Das ging in die Binsen. Gegen 23.45 Uhr kreuzte ein mit Kapuzen-Shirt und Schal maskierter Mann im Kassenraum auf, zeigte sein Brotmesser vor und raubte den Inhalt der Kasse.
Wann ist es wieder so weit? Das fragt sich nicht nur Inge Steffen. Von der jüngsten Welle von Überfällen ist nicht nur ihr Edeka-Markt betroffen. Weitere Schauplätze waren der im Foyer befindliche Bäcker, eine weitere Bäckerei in unmittelbarer Nähe und vor allem die kaum 100 Meter entfernte "Star"-Tankstelle an der Borchshöher Straße. Seit August vergangenen Jahres haben Unbekannte dort bereits viermal die Kasse geleert. In einem Fall gönnte sich der Täter ein kleines Zubrot. Nachdem er die eingeschüchterte Kassenkraft mit seinem Messer in eine Ecke gedrängt hatte, druckte sich der offenbar sachkundige Mann an einem Codierungsgerät seelenruhig fünf Handy-Telefonkarten im Werft von je 25 Euro aus und machte sich anschließend mit den Coupons und Bargeld aus dem Staub.
Seit dem zweiten Überfall beschäftigt Uwe Dornstedt auf dem Tankstellengelände privates Sicherheitspersonal. Der Mineralölkonzern Orlen, dem die "Star"-Kette gehört, übernimmt die Kosten. "Das wird von den Kunden positiv aufgenommen", hat der Pächter registriert. Auf Polizei und Justiz mag er jedenfalls nicht mehr ausschließlich setzen: "Wenn hier in Bremen tatsächlich mal einer geschnappt wird, dann heißt das ja keineswegs, dass der hinterher auch in den Bau wandert."
Inge Steffen sieht trotz der Schlappe vom vergangenen Wochenende keinen Anlass, sich über die Arbeit der Polizei zu beschweren. "Wenn wir sie gerufen haben, waren sie immer schnell da und haben sich die größte Mühe gegeben", attestiert die Geschäftsfrau den Beamten. Es gebe halt nur zu wenige. Inge Steffens Zorn richtet sich deshalb gegen die politische Führung. "Die, die da im Rathaus das Geld einteilen, sollten sich mal abends bei mir im Geschäft auf die Matte stellen und so eine Situation wie am Sonnabend mitmachen. Dann würde sich bestimmt schnell was ändern", ist die Händlerin überzeugt.
Die Polizei hofft derweil, der Raubserie in Aumund bald die Spitze nehmen zu können. Die Kripo arbeite intensiv an der Aufklärung der jüngsten Fälle, sagt Dirk Siemering. Konkreter könne er sich nicht äußern. In der Innenbehörde geht man aktuell davon aus, dass es nicht nur bei Raubdelikten, sondern in der gesamten polizeilichen Kriminalstatistik für das abgelaufene Jahr eine negative Trendwende geben wird. Zuletzt hatte das Ressort für das Jahr 2010 einen Rückgang bei der Zahl der Straftaten in der Stadtgemeinde vermelden können. Das galt auch für Raubtaten in Bremen-Nord. Zwischen 2008 (196 Fälle) und 2010 (157) war die positive Entwicklung signifikant. Zwar liegen die Daten für 2011 noch nicht komplett vor, doch zeichnet sich laut Ressortsprecherin Petra Kodre ab, dass der Pfeil wieder nach oben weist.