Die Zahl der erkannten Extremisten nehme insgesamt bundesweit zu, zugleich sinke die Hemmschwelle, auch schlimmste Gewalttaten zu begehen, sagt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Den Schwerpunkt dabei macht er am rechten Rand aus: „Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sind derzeit die größte Herausforderung für den Verfassungsschutz und stellt auch die Polizeien vor große Herausforderungen“, erklärte Mäurer am Donnerstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019. Bei der Aufklärung der geistigen Brandstifter der „Neuen Rechten“ sieht der Innensenator Bremen bundesweit in einer Vorreiterrolle.
Gleich drei rechtsterroristische, rassistisch und antisemitisch begründete Anschläge hätten seit Juni 2019 die Bundesrepublik erschüttert und das sich bereits in den letzten Jahren abzeichnende steigende rechtsextremistische Bedrohungspotenzial in den Fokus der Sicherheitsbehörden gerückt, erläuterte Mäurer. Halle mit zwei Toten und zwei Verletzten, Hanau mit zehn Toten und fünf Verletzten sowie die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Die Gefahr durch rechtsextremistisch motivierte Einzeltäter, die sich insbesondere im virtuellen Raum und jenseits bekannter rechtsextremistischer Organisationsstrukturen radikalisieren, stellt die Gesellschaft vor neue Herausforderungen.“
Dabei, so Mäurer, komme dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) eine besondere Rolle zu. In seiner Funktion als Frühwarnsystem habe die Behörde die Aufgabe, offene und verdeckte antidemokratische Positionen und Akteure zu identifizieren und Gefahren aufzuzeigen. In diesem Sinne habe das Bremer LfV in den vergangenen Jahren bei der Aufklärung der geistigen Brandstifter der „Neuen Rechten“ bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen. Durch die frühzeitige Beobachtung der „Jungen Alternative“ und der „Identitären Bewegung“ sowie Verbot und Auflösung der rechtsextremistischen Bremer Gruppierung „Phalanx 18“ habe man deutlich gemacht, „dass Hass und Hetze von Rechtsextremisten mit unseren demokratischen Werten nicht vereinbar sind“, betonte Mäurer.
„Null-Toleranz-Strategie“ gegenüber rechtsextremistischen Bestrebungen
Um reale und virtuelle Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu erkennen, verfolgt Bremens Verfassungsschutz insbesondere einen personenorientierten Ansatz, erklärte der Leiter des LfV, Dierk Schittkowski. Neben der Stärkung der Analysefähigkeit im Internet bilde die enge Zusammenarbeit mit anderen Bremer Behörden eine wichtige Grundlage zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Das betreffe beispielsweise die Zuverlässigkeitsprüfungen bei der Erteilung der Waffenerlaubnis oder des Bewachungspersonals von Einrichtungen. Die „Null-Toleranz-Strategie“ gegenüber rechtsextremistischen Bestrebungen sei langjährig gelebte Praxis in Bremen, sagte Schittkowski. „Bei der Identifizierung und Erfassung des rechtsextremistischen Bedrohungspotenzials sind wir aber auch immer wieder auf die Mitwirkung der Öffentlichkeit angewiesen.“ Deshalb können sich Bürger bereits seit einigen Monaten unter der Nummer (0421) 3623888 mit Hinweisen auf rechtsextremistische Aktivitäten direkt an das LfV wenden.
In Bremen gab es im vergangenen Jahr insgesamt 134 Straftaten politisch motivierter Kriminalität von rechts, darunter drei Gewalttaten. 2018 waren es 152, im Jahr davor 110 mit jeweils vier Gewalttaten.
Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität von links standen 2019 in Bremen 127 Straftaten zu Buche, darunter 22 Gewaltdelikte. In den Jahren zuvor waren es 119 (2018) und 126 (2017) mit 15 und elf Gewaltdelikten. „Mit wachsender Sorge beobachte ich, dass die Hemmschwelle zur Begehung schwerer Gewalttaten immer weiter abnimmt und inzwischen auch Verletzungen oder der Tod von Menschen in Kauf genommen werden“, so Mäurer mit Blick auf den Anstieg der Zahl sogenannter militanten Aktionen. Die von gewaltorientierten Linksextremisten begangenen Brandanschläge und Sachbeschädigungen richteten sich größtenteils gegen Immobilien- und Wohnungsunternehmen, aber auch Polizeireviere waren Ziel von Anschlägen.
Gesunken ist im vergangenen Jahr die Zahl der politisch motivierten Ausländerkriminalität. Zehn Straftaten gab es hier 2019, im Jahr zuvor waren es 29, davor 23. Zudem wurden 2019 in Bremen vier antisemitische Straftaten verübt. Auch dies ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren mit 15 (2018) und 17 (2017) Taten.