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Jede Kundgebung wird begleitet Rekordzahlen bei Demonstrationen: Bremens Polizei im Dauereinsatz

Noch nie gab es so viele Kundgebungen, Mahnwachen und Umzüge in Bremen. Immer mit von der Partie – die Polizei. Das sorgt einerseits für Sicherheit, bringt die Beamten andererseits aber an ihr Limit.
09.09.2025, 05:00 Uhr
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Rekordzahlen bei Demonstrationen: Bremens Polizei im Dauereinsatz
Von Ralf Michel

Die Zahl der Kundgebungen, Mahnwachen und Umzüge in Bremen steigt seit Jahren kontinuierlich an, hat sich im vergangenen Jahrzehnt fast verfünffacht. Waren es 2016 noch 215 Versammlungen, schlugen für das vergangene Jahr 1056 zu Buche. Und der Blick auf 2025 deutet einen neuen Spitzenwert an: Bis Ende Juni waren es bereits 723 Demonstrationen. Ob erwartungsgemäß friedlich oder potenziell gewalttätig spielt dabei für die Polizei keine Rolle – sie ist bei jeder dieser Versammlungen dabei. Dies alles angesichts eines Berges von Überstunden bei Bremens Gesetzeshütern und vor dem Hintergrund der geplanten Erhöhung ihrer Wochenarbeitszeit.

"Für uns bedeutet das eine wachsende Herausforderung, da wir die Versammlungsfreiheit schützen und gleichzeitig für die Sicherheit aller Beteiligten sorgen müssen", beschreibt Pressesprecher Nils Matthiesen die Aufgabe seiner Kollegen. Zwei Beispiele vom vergangenen Wochenende: Am Sonnabend fand in der Bremer Innenstadt wegen des Gazakrieges ein Aufzug der „Palästinensischen Gemeinde Bremen“ statt. Zum Auftakt ein gemeinsames Gebet und erste Redebeiträge, dann der Marsch durchs Stadtzentrum – 300 bis 350 Teilnehmer, diverse Transparente, Plakate und Flaggen, Zwischen- und Abschlusskundgebung. "Die Versammlung verlief ohne besondere Vorkommnisse", bilanzierte die Polizei am Ende. 20 Einsatzkräfte waren trotzdem dabei, von 14.30 bis 18 Uhr.

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Am Sonntag gleich die nächste Demo: Diesmal Fahrradfahrer, die ihrer Forderung nach einer Verkehrswende Nachdruck verleihen wollten. Hauptbahnhof, Breitenweg, B6, Hochschulring, Universitätsallee, Am Stern – quer durch die Stadt führte der Demonstrationszug. Auch er blieb friedlich, aber statt der ursprünglich gemeldeten 800 Teilnehmer nahmen laut Polizei in der Spitze bis zu 2000 Radlerinnen und Radler teil. Vier Stunden lang wurden sie dabei von zehn Verkehrskräften der Polizei begleitet.

Fast 6000 Versammlungen zählte die Polizei seit 2018. Eine besondere Stellung nehmen dabei seit fast zwei Jahren die Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und den nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzungen ein. Seit dem 7. Oktober gab es laut Innenbehörde in der Stadtgemeinde Bremen 213 propalästinensische beziehungsweise israelkritische sowie 158 Versammlungen, in deren Verlauf Solidarität mit Israel ausgedrückt wurde.

Aufgrund der anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen und des Militäreinsatzes Israels im Gazastreifen, aber auch in Syrien, im Libanon, im Iran und im Jemen finden derzeit wöchentlich eine Vielzahl von Versammlungen statt, berichtet die Innenbehörde. Sie seien regelmäßig durch einen hohen Emotionalisierungsgrad gekennzeichnet, insbesondere beim Aufeinandertreffen mit Gegenversammlungen käme es zu verbalen Auseinandersetzungen. Zugleich muss die Polizei bei der Begleitung dieser Versammlungen auf Kennzeichen, Symbole oder Fahnen von Terrororganisationen oder anderen in Deutschland verbotenen Organisationen achten und Parolen unterbinden, die den Angriff der Hamas rechtfertigen oder zum Hass gegen jüdische Menschen aufstacheln.

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Insgesamt verliefen diese Versammlungen "weit überwiegend störungsfrei", die Veranstalter würden sich in der Regel an die Auflagen halten, resümiert die Innenbehörde. Keine der Demonstrationen habe "die Schwelle der Unfriedlichkeit überschritten". Bei den registrierten Vorfällen habe es sich mehrheitlich um Beleidigungs- und Volksverhetzungsdelikte gehandelt, zu körperlichen Auseinandersetzungen sei es nicht gekommen.

Für Nils Winter, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), trägt der rasante Anstieg der Zahl der Versammlungen weiter zur grundsätzlichen Misere der Bremer Polizei bei: Die Polizistinnen und Polizisten kämen quasi nicht mehr aus ihren Einsatzstiefeln heraus. Aktuelle weltweite Krisen und die damit einhergehenden Demonstrationen forderten die Sicherheitsbeschäftigten mehr denn je und führten zu einer enormen Einsatzbelastung. "Hinzu kommen Fußballspiele in Bremen und Eishockeyspiele in Bremerhaven, die ebenfalls von der Polizei begleitet werden müssen." Ganz zu schweigen von den hohen Einsatzzahlen beim Notruf und damit einhergehende Ermittlungen.

"Mittlerweile sind alle Bereiche der Polizei Bremen und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven überlastet und arbeiten am Limit", sagt Winter. "Aktuell schiebt die Polizei Bremen über 300.000 Überstunden vor sich her und der Krankenstand steigt." Und an Entlastung sei nicht zu denken, im Gegenteil: "Als Dank sollen sie jetzt nach dem Willen des Senats und des Koalitionsausschusses eine Stunde in der Woche mehr arbeiten."

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