„Reserviert“ steht in fetten Buchstaben auf dem kleinen Schild. Doch der große Tisch im Restaurant bleibt den ganzen Abend über leer. Ein Bild, das in Bremens Gastronomie häufig zu sehen ist. Kunden sichern sich einen Platz im Lokal ihrer Wahl, aber sie erscheinen nicht. Ein Trend, der sich in der Corona-Krise verschärft hat. Sehr zum Ärger der Gastwirtinnen und Gastwirte, die einen enormen wirtschaftlichen Schaden beklagen. „Wir beraten, wie wir damit umgehen und denken auch über eine Anzahlung nach“, sagt Thorsten Lieder, Geschäftsführer der Bremer Gastro-Gemeinschaft und Fast Food Manager bei der Firma Food Affairs, die das Catering im Weserstadion macht.
Durch Hygiene- und Abstandsregeln ist das Platzangebot in den Speiselokalen ohnehin geringer. Zwischen den Gästen muss eineinhalb Meter Abstand eingehalten werden, zwischen den Tischen zwei Meter. Auch wenn die gelockerte, aktuelle Corona-Verordnung es Familien, Angehörigen von bis zu zwei Hausständen und Gruppen von bis zu zehn Personen erlaubt, dichter zusammen zu sitzen, mangelt es den Wirten an Raum. „Man kann sagen, dass uns im Durchschnitt etwa ein Drittel der Plätze fehlt“, so Lieder. In kleineren Läden könne das die Hälfte der vor Corona vorhandenen Sitzgelegenheiten bedeuten. Das gehe aus einer Umfrage unter den Mitgliedern der Gastro-Gemeinschaft hervor.
Verein in Corona-Zeiten gegründet
Seit 1. Juli ist die Interessenvertretung als Verein aktiv. Neben Lieder als Geschäftsführer leiten Oliver Trey (Schlachthofkneipe und Little Butcher) sowie Kim Döhling (Taubenschlag) als Vorsitzende die Geschicke. Hervorgegangen ist die Vereinigung aus einer losen Gruppe von rund 500 Vertretern aus Gastronomie, Kneipen und Clubs, die sich zu Beginn der Corona-Zeit gebildet hatte. Feste Mitglieder im Verein sind derzeit etwa 100 Betriebe – vom Restaurant bis zur Imbissbude.
„Wir wollen an die Gäste appellieren, dass sie ihre Plätze wahrnehmen oder zumindest absagen“, sagt Lieder. Ein nicht besetzter Tisch am Abend bedeute in den schwierigen Pandemie-Zeiten noch größere Verluste für die Wirte. Eine Reservierungspflicht bestehe nicht, aber für eine bessere Planung helfe es den Gastronomen natürlich, vorher zu wissen, wie viele Personen kommen. Oft hätten die Gastgeber noch Hoffnung, dass ihre Kunden noch erscheinen, weil sie sich verspäten. Ist das nicht der Fall, gibt es keinen Regressanspruch. Oft sage man Gästen mit dem Hinweis ab, dass man ausgebucht sei, so Lieder. Reservierte und dann nicht belegte Plätze zu besetzen, sei schwierig, weil die Laufkundschaft fehle, ergänzt Oliver Trey. Es sei seit Jahren eine Grundsatzdiskussion, wie man mit den Kunden umgehe, die nicht kommen. Es gebe verschiedene Denkmodelle, aber keine „ultimative Lösung“ für das Problem. „Aber jeder Tisch, der derzeit fehlt, tut richtig weg“, so Trey. Es gehe um jeden Prozentpunkt. Zwei griechische Restaurants hätten gerade berichtet, dass sie Reservierungen für zehn Personen hatten, dann aber nur fünf Gäste kamen. Solche Fälle würden die Planungen „sehr, sehr schwierig“ machen.
„Es ist kein neues Problem“, sagt Nathalie Rübsteck, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Bremen. Allerdings treffe es die Gastronomen derzeit sehr viel stärker. Um mehr Sicherheit bei Reservierungen zu schaffen, plädiert Rübsteck dafür, eine Gebühr zu erheben. „Es gibt sehr gute automatisierte, digitale Buchungssysteme“, sagt Rübsteck. Die Leistung im Restaurant – von der Tasse Kaffee bis zum Vier-Gänge-Menü – sei nicht so klar definiert wie eine Übernachtung im Hotel. Wenn Stornierungskosten drohen, steige aber die Verbindlichkeit. Insgesamt sieht Rübsteck viel Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung in der Gastronomie, um Daten oder Anzahlungen zu erfassen.