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Neues Landesprogramm Rot-Grün-Rot will Aktionsplan für Alleinerziehende

14.300 Menschen in Bremen sind alleinerziehend, ein großer Teil ist von Armut bedroht oder auf Grundsicherung angewiesen. Die neue Landesregierung will sie nun mit einer Reihe von Maßnahmen unterstützen.
19.09.2019, 12:00 Uhr
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Rot-Grün-Rot will Aktionsplan für Alleinerziehende
Von Lisa-Maria Röhling

Die Lebenssituation von Alleinerziehenden in Bremen zu verbessern, ist ein Kernziel des Koalitionsvertrages der rot-grün-roten Landesregierung. Nun wagen die Koalitionäre den ersten Vorstoß: Am Donnerstag haben sie den geplanten "Aktionsplan Alleinerziehende" vorgestellt. Dieser sieht Betreuungsangebote und Arbeitsmarktmaßnahmen vor, mit denen die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden und ihren Kindern gesenkt werden soll. "Wir wollen, dass die Alleinerziehenden aus der Armutsfalle rauskommen", fasste Sofia Leonidakis (Linke) das Ziel des Maßnahmenkataloges zusammen, der kommende Woche in der Bürgerschaft diskutiert werden soll.

"Das ist eines unserer Schwerpunktthemen des Koalitionsvertrages, das wir nun so schnell wie möglich umsetzen wollen", sagte Henrike Müller, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen am Donnerstag. Bundesweit sind Alleinerziehende verstärkt von Armut betroffen; in Bremen ist die Alleinerziehendenquote genauso wie die Zahl derer unter ihnen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, besonders hoch. Weil ein großer Teil entweder keinen Schulabschluss oder eine Ausbildung hat, haben sie es am Arbeitsmarkt schwer. Hinzukommt der Mangel an Kita-Plätzen in Bremen, der Ein-Eltern-Familien besonders hart trifft.

Alleinerziehende in Problemlagen soll mehr geholfen werden

Genau in diesen Problemlagen sollen Alleinerziehende künftig stärker unterstützt werden: Laut dem Bürgerschaftsantrag von SPD, Grünen und Linken sind Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik, der Kinderbetreuung und bei den Beratungs- und Begleitangeboten geplant. "Wer alleine Kinder erzieht, benötigt umso mehr angemessene Unterstützungsstrukturen", so Leonidakis. Um die in verschiedenen Ressorts angesiedelten Ausbaumaßnahmen zu koordinieren, planen die Koalitionäre eine ressortübergreifende Steuerungsgruppe, die mit den Ansprechpartnern der Behörden und dem Magistrat in Bremerhaven zusammenarbeitet. Mit wie viel Geld das Programm in den anstehenden Haushaltsverhandlungen versehen wird, ist noch nicht klar. "Es wurden bisher keine haushaltsrelevanten Punkte in den Antrag aufgenommen", erklärte Müller. Wie viel das Programm kosten werde, müsse im Senat diskutiert werden. Wird der Antrag beschlossen, soll die Regierung innerhalb eines halben Jahres eine Detailplanung vorlegen.

Konkret sieht der Antrag die Einführung eines Arbeitsmarktprogramms für Alleinerziehende vor, mit dem die Vermittlung der Betroffenen in Ausbildung oder in einen Job erleichtert werden soll. Auch die Zahl der schulischen Ausbildungen in Teilzeit soll erhöht werden, bei öffentlichen Unternehmen und im öffentlichen Dienst soll es ebenfalls mehr Ausbildungsmodelle geben, die in Teilzeit absolviert werden können. Langfristig hofft die Landesregierung, dass auch andere Unternehmen ihr Angebot ausweiten: Da brauche es eine "Charmeoffensive", sagte Müller. Denn: Alleinerziehende würden oft als Risikoarbeitnehmer gesehen, weil sie wegen ihrer Kinder ausfallen könnten. Dieses Missverständnis müsse in Gesprächen aufgelöst werden, so Müller.

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Die Arbeitnehmerkammer begrüßt den Vorstoß der Landesregierung, sieht aber gerade in den Zielsetzungen zum Arbeitsmarkt erhebliche Mängel: "Was uns fehlt, sind konkrete Zielzahlen, wenn es um das Nachholen von Schul- und Berufsabschlüssen geht." Es brauche deshalb deutlich messbare Anstrengungen, um besonders die auch in Bremen meist betroffenen Frauen zu qualifizieren.

24-Stunden Kita

Der zweite Schwerpunkt des Antrags liegt in der Kinderbetreuung: Ein Modellprojekt für eine 24-Stunden-Kita sowie ein Ausbau der Randzeitenbetreuung ist vorgesehen, Ziel ist demnach eine Kita pro Stadtteil, die eine Betreuung über die üblichen Zeiten hinaus anbietet. "Wir müssen Kinderbetreuungsangebote schaffen, die Arbeit ermöglichen", sagte Petra Krümpfer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Durch flexible Angebote, ergänzte Leonidakis, sei besonders alleinerziehenden Frauen geholfen, die in Bremen immer noch vermehrt im Einzelhandel oder in der Pflege tätig sind: "Dort sind die Arbeitszeiten sehr irregulär, die Frauen sind also auf eine gute Randzeitenbetreuung dringend angewiesen." Zudem soll geprüft werden, ob Kinder von arbeitslosen Alleinerziehenden vorübergehend über das Jobcenter mit einem kommunal finanzierten Angebot betreut werden können, solange sie keinen passenden Regelplatz finden.

Für die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm ist das geplante Programm "dringend nötig", weil Bremen Strukturen brauche, um Alleinerziehenden "Wege in eine eigenständige Existenzsicherung zu ermöglichen". Mit dem Antrag sei die tragfähige Struktur für die Alleinerziehendenförderung geliefert, die Fachleute seit langem einforderten. "Die hohe Kinderarmut in Bremen, die immer wieder für Schlagzeilen und Handlungsdruck sorgt, ist größtenteils eine Folge der Armut der Mütter – bei ihnen muss angesetzt werden", so Wilhelm.

Ein-Eltern-Familien in Bremen und Bremerhaven

Die Alleinerziehendenquote in Bremen ließ sich laut Arbeitsnehmerkammer 2017 auf 23 Prozent beziffern und lag damit über dem Bundesdurchschnitt von 19 Prozent. Zählt man zu den 14.300 Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren jene hinzu, deren Kinder bereits erwachsen sind, waren es 24.000 Ein-Eltern-Familien. Allein 20.000 davon waren Frauen.

60 Prozent der Alleinerziehenden waren 2017 erwerbstätig – die niedrigste Quote bundesweit. Von diesen Berufstätigen waren zudem allein 6000 in Teilzeit beschäftigt. Bei den meisten Alleinerziehenden reichte somit das Einkommen nicht aus, um sich und ihre Kinder zu versorgen. Insgesamt waren knapp 67 Prozent der Alleinerziehenden mit einem Kind von der Grundsicherung abhängig, bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern sogar 96 Prozent. Von den arbeitslosen Alleinerziehenden hatte 2017 knapp jeder Fünfte keinen Schulabschluss, knapp 70 Prozent hatten keinen Berufsabschluss.

++Dieser Artikel wurde um 21:15 Uhr aktualisiert.++

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