Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremer Insekten-Forscher Wie sich das heimische Ökosystem besser schützen lässt

Einige Insektenarten machen heimischen Pflanzen zu schaffen. In Bremen wird dazu geforscht und eine Empfehlung lautet: den Rasenmäher einfach mal in der Garage lassen. Welche Strategien sonst noch helfen.
17.05.2022, 15:58 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Wie sich das heimische Ökosystem besser schützen lässt
Von Justus Randt

Schaden, Pest und Plage, das hört der Insekten-Spezialist Marko Rohlfs nicht gerne. Schon gar nicht im Zusammenhang mit Insekten. Mit der Auffassung steht er manchmal allein auf der grünen Wiese. Der Ökologe ist Professor am Fachbereich für Biologie an der Universität Bremen. Er befasst sich in der „Arbeitsgruppe chemische Ökologie“ mit Insekten-Pilz-Interaktionen und „Populationsdynamiken und Ausbreitungsmechanismen invasiver Schadinsekten“. Dazu zählt die Kirschessigfliege, die Rohlfs und seine Kolleginnen und Kollegen erforschen. Und die, das räumt der Ökologe ein, richtet tatsächlich Schaden an.

Ganz anders als Wespen beispielsweise. Die können zwar lästig werden, wenn sie die Torte anfliegen oder sich als Fleischfresser auf dem Steak niederlassen – andererseits aber fressen sie auch andere Insekten. „Insofern können wir sie natürliche Schadensbekämpfer ansehen, als unsere Partner“, sagt Marko Rohlfs. Mittlerweile dürften die Wespenköniginnen ihre Suche nach Nistplätzen zur Staatenbildung erfolgreich beendet haben.

Fruchtfliege wird im Obstgarten zum Problem

Die kleine Kirschessigfliege hingegen, die in Europa 2008 erstmals in Italien aufgefallen ist, macht nichts als Ärger. „Die sind unspezialisiert und befallen alles, wo sie mit ihrem Legebohrer eine Öffnung zur Eiablage schaffen können“, sagt der Wissenschaftler. „Außer Kirschen gehören zum Beispiel dünnhäutige Weinsorten dazu und Blaubeeren, wie sie hier in der Region viel angebaut werden." Äpfel hätten eine zu dicke Schale. Für die Landwirtschaft sei ein Befall mit der Kirschessigfliege „ein ganz, ganz großes Problem“, weiß Rohlfs. Aber auch der private kleine Obstgarten könne von der Fruchtfliege heimgesucht  werden. „Die Larven fressen in den Früchten, weil diese Fliege Mikroorganismen braucht. Die Früchte vergären und hängen wie nasse Säcke an den Stängeln“, beschreibt Marko Rohlfs das Phänomen.

Um der Kirschessigfliege zu Leibe zu rücken und möglicherweise ihre Verbreitung zu beeinflussen, spielten besagte Mikroorganismen eine bedeutende Rolle „als Stellschrauben statt Pestizideinsatz“, wie der Ökologe sagt. Rohlfs und andere haben das Projekt „Campus goes biodiverse“ ins Leben gerufen: Seit 2019 werden einige Grünflächen an der Universität nicht oder nicht mehr so häufig gemäht, um Artenvielfalt zu befördern. „Regelmäßiges Mähen kommt fast dem Einsatz von Pestiziden gleich“, sagt der Professor. Und der gehört nach seiner Überzeugung auf privatem Grund und Boden verboten. "Wir haben seit Jahrzehnten eine Naturschutzgesetzgebung, aber da läuft trotzdem etwas fundamental schief.“ Beispielsweise, wenn man „Glyphosat und Schneckenweg in jedem Baumarkt kaufen“ könne.

Wildbienen leiden unter Hobby-Imkerei

Brennnesseln und Disteln auf Wiesen, in Gärten und vielleicht sogar auf dem Balkon seien ideal, etwa für Schmetterlingsraupen und viele Wildbienenarten. Während Schmetterlinge wie der Kleine Fuchs oder das Tagpfauenauge kaum noch zu sehen seien, litten Wildbienen unter dem Trend zum Hobbyimkern, sagt Rohlfs. „Das ist zwar gut gemeint, aber die in der Regel domestizierten Honigbienen, die in enorm hoher Populationsdichte auftreten, sind eine den meist viel kleineren und stark spezialisierten Wildbienen überlegene Konkurrenz bei der Nahrungssuche.“

Auf Nahrungssuche sind derweil auch Maikäfer, deren Larven imstande sind, Baumwurzeln gründlich zu schädigen. Aus Südhessen verbreitet sich gar die Nachricht von einer Plage. „Ich habe noch keine Maikäfer gesehen, aber sie sind da“, sagt Bürgerparkdirektor Tim Großmann. Eine Maikäferinvasion zeichnet sich in Bremen aber offenbar nicht ab: „Wir kümmern uns da nicht drum.“ Es gebe andere Probleme. Etwa mit Pilzen und Bakterien. Und die Sorge, der Eichenprozessionsspinner könne den Park und den Stadtwald für sich entdecken. „Das müssen wir im Blick behalten“, sagt Großmann.

Maikäfer? „Haben wir, aber kein Problem damit“, sagt auch Steffen Wenker, der Gärtnerische Leiter des Rhododendronparks. Dem Park mache eher der Buchsbaumzünsler zu schaffen. Und der Eichenprozessionsspinner? „Wir hoffen, wie ganz Bremen, dass der nicht kommt. Schließlich haben wir einen 80-prozentigen Eichenbestand hier.“ Die Andromeda-Netzwanze, die eine Vorliebe für Rhododendron habe, sei bereits am Werk, sagt Steffen Wenker. Und da wäre sie wieder, die Plage.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)