Werften geben der Region das Profil
Werften beschäftigen Tausende Menschen an Weser und Lesum. In der Region hat sich ein industrielles Zentrum für den Bau von Superjachten und Spezialschiffen ausgeprägt, das in der Welt einen ausgezeichneten Ruf genießt.
Als noch hölzerne Segelschiffe die Weltmeere dominierten, gab es an den beiden Flüssen kaum einen Strand, der nicht auch als Helgen für eine Werft herhalten musste. Allein zwischen Lemwerder und Motzen existierten einst mehr als ein Dutzend Bootsbaubetriebe – mitunter sogar hinter dem Deich. Den Übergang zum Stahlschiffbau überlebten schon nach der Jahrhundertwende um das Jahr 1900 viele Betriebe nicht. Es fehlten das Kapital und das Know-how zum Bau der viel größeren Stahlschiffe. Die Gründung des Bremer Vulkan als Aktiengesellschaft war schon eine Reaktion auf diese Entwicklung hin zu größeren Werften. Umso erstaunlicher ist es, dass nach dem Werftensterben der 90er-Jahre nun die Betriebe blendend dastehen, in denen Familien mit oftmals langer Schiffbautradition die Richtung vorgeben.
Yachtwerft Meyer
Von Ost nach West und Süd nach Nord geschaut steht man an der Lesum als erstes vor der Yachtwerft Meyer auf dem Gelände der alten Burmester-Werft. Schon die Architektur der neuen Verwaltung signalisiert, dass man hier in der Moderne angekommen ist.
Hier bauen sie Helicopter-Hangartore für Fregatten, schnittige Superjacht-Beiboote aus Carbon oder Whirlpools mit eingebauter Theke und Glasfront. Gleichzeitig wird an Einsatzmöglichkeiten für neue Werkstoffe getüftelt. Fünfzig Mitarbeiter beschäftigt die Yachtwerft Meyer heute hinter der Burger Brücke an der Lesum. Dabei haben Jan und Michaela Meyer binnen zwanzig Jahren ein Unternehmen aufgebaut, das sogar in Forschung und Konstruktion Maßstäbe im modernen Jachtbau setzt.
Keiner der wirklich Reichen will ein Boot von der Stange. Meyer kennt die meisten der reichen Auftraggeber persönlich, ist auf vielen Ausstellungen vor Ort, arbeitet dazu auch mit vielen Superjachtwerften zusammen: „Gerade erst haben wir ein Rettungsboot nach allen Sicherheitsvorschriften als Jachttender gebaut – so richtig selbstaufrichtend.“ Daneben baut die Werft auch Boote für die Küstenwache, wobei selbst die Behördenschiffe etwas schnittiger daherkommen als die üblichen Konstruktionen.
Bootswerft Reiners
Auf halber Höhe zwischen Burger Brücke und Lesumsperrwerk liegt an der Lesumbroker Landstraße 139 die Bootswerft Reiners. In dem seit mehr als hundert Jahre existierenden Betrieb kann man noch nachvollziehen, wie früher die meisten Bootsbaubetriebe hierzulande aufgebaut waren. Allerdings hat es in den Hallen und Werkstätten schon länger keinen Neubau mehr gegeben. Unter der Regie von Johann-Hinrich Reiners und seiner Schwester Annegret Reiners-Pröttel werden hier vor allem Dienstleistungen rund um das private Boot angeboten. Dafür haben die beiden jetzt auch noch den Bootsbauer Kai Schröder angestellt.
Es gibt 500 Meter Stegliegeflächen in der Lesum, 2300 Quadratmeter Hallenliegeflächen und vor dem Freigelände eine Slipbahn. In das Lagersystem hat die Familie jüngst investiert und kann nun Boote von 20 Tonnen Gewicht und 2,3 Metern Tiefgang an Land ziehen. Boote mit bis zu 3,5 Tonnen Gewicht lassen sich hier auch aus dem Wasser kranen.
Bootswerft Winkler
Richtung Weser taucht direkt hinter dem Lesumsperrwerk die Bootswerft Winkler hinter hohen grünen Spundwänden auf. Über 40 Schiffe warten im Frühjahr auf die Wassersportsaison. Darunter ist auch der bekannte Bremer Jugendsegler „Esprit“ – mit 20 Metern Länge und 26 Tonnen Gewicht schon ein größerer Brocken auf dem Hof. Auch die Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ lässt hier seine Schiffe einwintern, so sie denn nicht noch unterwegs sind. 85 Jachten finden in den Hallen Platz. Viele Eigner nutzen die Wintermonate für Umbauten und beauftragen das Werftteam oder lassen sich ihre Schiffe von der Werft umfassend warten.
Werftinhaber Hans Stützle beschäftigt über zwanzig Mann praktisch aus allen Gewerken rund um den modernen Jachtbau. Hier ist der Daysailer „Leu“ entstanden, der inzwischen mit einigen kleineren Umbauten mit seiner Regattacrew die deutsche Offshore-Segelszene aufmischt. Stützle hat über die Jahre Millionen in seine Idee eines Jachtbaubetriebs des dritten Jahrtausends investiert und Stück für Stück die alten Hallen und Anlagen abgerissen und auch das Verwaltungsgebäude neu aufgebaut. Ein weiterer Hallenneubau brachte 2012 noch einmal 1400 Quadratmeter Hallenfläche dazu.
Abeking & Rasmussen
Raus aus der Lesum passiert man auf der Bremer Seite die Zentrale der Lürssen-Werft. Auf der gegenüberliegenden Seite liegen Superjachten und Spezialschiffe vor den Hallen der Werft Abeking & Rasmussen. 1907 begann es mit dem Bootsbau in Lemwerder und alte A&R-Segelboote sind bis heute Liebhaberstücke. Tatsächlich ist die Werft aber schon viele Jahre auf den Bau weit größerer und speziellerer Schiffe spezialisiert. Zurzeit werden die Hallen wieder erweitert.
120 Meter lange Megajachten lassen sich heute auf dem 76 000 Quadratmeter umfassenden Firmengelände bauen. Die Werft ist so aufgebaut, dass die 430 Beschäftigten gleichzeitig an sieben Schiffen arbeiten können. Allein die Grundfläche der fünf Hallen beträgt 30 000 Quadratmeter. Die Kapazität der Liftanlage liegt bei 2300 Tonnen. Hier ist schon so mancher Millionärstraum zu Wasser gegangen. Neben Neubauten bietet A&R auch Refits für in die Jahre gekommene Superjachten an.
Die bisher längste Jacht der Werft ist bisher die 82,3 Meter lange „Secret“. In den Auftragsbüchern steht neben Megajachten von knapp 82 und 72 Metern auch noch ein Schiff von 98 Metern, das 2017 ausgeliefert werden soll. Dabei werden hier bis ins Detail die Eignerwünsche erfüllt. Für die 60 Meter lange „Kaiser“ wurde die Werft im Jahr 2012 mit dem „World Superyacht Award“ ausgezeichnet, dem Oskar der Szene. Ein Geschäftsjahr später lag der Umsatz der „Abeking & Rasmussen Schiffs- und Yachtwerft Aktiengesellschaft“ bei 137 Millionen Euro. Vorstandsvorsitzender der AG ist heute mit Hans M. Schaedla ein direkter Nachfahre des Firmengründers Henry Rasmussen.
Schaedlas Vater hatte neben dem Superjachtmarkt und dem Marinegeschäft 1995 eine besondere Entwicklung im Spezialschiffbau vorangetrieben: Mit dem Bau von sogenannten SWATH-Schiffen hat die Werft ab 1999 das Lotswesen an den Nordseeküsten revolutioniert. Die hochbeinigen Aluminiumkonstruktionen stehen praktisch auf zwei tief im Wasser liegenden Torpedos, die die Antriebseinheiten enthalten. Der Effekt ist, dass diesen Schiffen Wellen kaum etwas anhaben können. Selbst eine Privatjacht hat die Werft inzwischen nach diesem Prinzip gebaut.
Lürssen
Die ausgeprägt starke Inhaberführung existiert auch einen Schiffbauplatz weiter: Die Lürssen-Werft hat zwar sieben Geschäftsführer, Friedrich und Peter Lürßen stehen in dieser Liste als direkte Nachfahren des Werftgründers aber ganz vorne. Und bei Lürssen betont man diese Tradition als Familienunternehmen. Geschäftsführer Mark von Laer erinnert an die Gründung der Werft vor 140 Jahren, damals noch auf der Bremer Seite der Weser: „In den Anfangsjahren lag der Fokus auf dem Bau kleiner, wendiger Boote. In diese Zeit fällt auch der Bau des weltweit ersten Motorbootes in Kooperation mit Gottlieb Daimler.“
Heute jagt die Werft andere Rekorde: Mit der 180 Meter langen „Azzam“ wurde die größte Privatjacht der Welt abgeliefert. Geschäftsführer von Laer: „Und wir sind imstande, auch größere Schiffe an unserem Bremer Standort zu fertigen. Wir passen unsere Kapazitäten laufend den Anforderungen und Wünschen unserer Kunden an.“ Auf diese Schiffe passt schon lange nicht mehr die alte Faustformel für Superjachten, nach der der Scheich pro Meter Schiff eine Million Euro zu zahlen hat. Es kommt schnell mehr zusammen.
Lürssen zählt zurzeit rund 950 Mitarbeiter und bildet 60 Nachwuchskräfte aus. Tatsächlich beschäftigt die größte Werft an der Weser aber darüber hinaus mit ihren Bauten für die Marinen und die Reichen der Welt ein riesiges Geflecht von Zulieferbetrieben in der ganzen Region. Von Laer: „Unser Familienbetrieb arbeitet bereits seit vielen Jahrzehnten in vielen Bereichen sehr erfolgreich mit lokalen Zulieferbetrieben zusammen. Damit leisten wir unseren Beitrag zur Wertschöpfung in der Region.“ Dazu kommen Projekte an Hochschulen und Aufträge an norddeutsche Forschungseinrichtungen.
Wissen um bessere Produktionsverfahren wird schnell in die Fertigung eingebracht: Nach dem Ausbau des Konstruktionsgebäudes im vergangenen Jahr hat Lürssen jetzt Millionen in ein neues Brennschneidezentrum investiert, dessen Herzstück eine hochgenaue Plasmaschneidanlage von 35 Metern Länge ist.
Langsam aber stetig hat sich das Unternehmen vergrößert. Die Bilanzmarke von einer Milliarde Euro ist schon geknackt worden. Auf dem Gelände der ehemaligen Rolandwerft der Hegemanngruppe stehen heute Lürssen-Megajachten. Lürssen ist heute eine Werftengruppe mit Standorten in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und natürlich den Schwimm- und Hallendocks und Fertigungshallen in Niedersachsen und Bremen.
BVT
Auf dem Gelände der ehemaligen Vulkan-Werft hat sich neben dem Lürssen-Baudock eine weitere Werft etabliert. Denn genau das verbirgt sich hinter der Firmenbezeichnung „Brenn- und Verformtechnik Bremen GmbH“, kurz BVT. Das Unternehmen gehört zur Bremerhavener Rönner-Gruppe. Geschäftsführer ist Thorsten Rönner, der Sohn des Konzerngründers. Im Jahr 2000 begann das Unternehmen in den alten Vulkanhallen mit 38 Beschäftigten, heute sind es an der Adresse Zur Westpier 40 rund 200 Mitarbeiter. Hier ist der Nachbau des legendären Becksschiffs, die „Alexander von Humboldt II“, entstanden. Von hier stammt die neue Antriebssektion mit modernem Flüssiggasmotor, die momentan gerade in die Borkumfähre eingebaut wird.
So herrscht schon lange wieder Leben in den sechs alten Vulkanhallen mit einer Grundfläche von 25 000 Quadratmetern. Unter den Decken laufen über der 28 Meter Hakenhöhe Kranbahnen, die 100 Tonnen Hebekapazitäten haben. Fertige Großbauteile werden mit Spezialfahrzeugen einfach an die Kaje gefahren und auf dem Wasserweg weitertransportiert. Auf diesem Weg lassen sich hier Schiffssektionen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 1500 Tonnen fertigen. Neben Schiffsneubau, Umbau und Reparatur lässt sich hier auch normaler Stahlbau betreiben. Auch im Offshoregeschäft mischt man bei der BVT mit.
Fassmer
Die Brüder Harald und Holger Fassmer leiten gemeinsam in fünfter Generation die „Fr. Fassmer GmbH & Co KG“ von 1850 in Berne-Motzen. Hier kann man die Narben für die großen Windkraftwerke bestellen, die zurzeit in der Nordsee aufgestellt werden – und gleich auch noch die Helikopter-Abseilplattform für das Generatorenhaus der Windkraftanlage. Nur scheinbar ungewöhnlich für eine Werft ist auch die Produktion von Wohnmobilkomponenten aus sogenannten Verbundwerkstoffen. Das Hochdach auf dem VW-Bully ist schließlich aus dem gleichen Material, aus dem die Fassmer-Werft auch Rettungsboote etwa für Kreuzfahrtschiffe in Großserie baut.
In Kleinserie entstehen bei Fassmer mit konstruktivem Know-how immer wieder Rettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Die Hauswerft der DGzRS hat mit der „Hermann Marwede“ von der Station Helgoland auch das größte Schiff der Retterflotte konstruiert und gebaut. Auch der 58-Meter-Greenpeace-Motorsegler „Rainbow Warrior“ ist ein Fassmerbau. Das neue 83 Meter lange Helgolandschiff der Reederei Cassen Eils baut die Fassmer-Werft.
Insgesamt beschäftigt Fassmer am Hauptsitz in Berne heute 436 Mitarbeiter, 50 in der Verwaltung der Firmengruppe, 98 in Design und Konstruktion und 288 in den Werkstätten. Allein jeweils 6000 Quadratmeter groß sind die Hallen für die GFK-Verarbeitung und die Bootsausrüstung. Dazu hat der Schiffbau 5000 Quadratmeter Hallenfläche. Es gibt riesige Lager, eine große Tischlerei und eine E-Werkstatt auf 400 Quadratmetern. Der Schiffslift schafft Bauten von bis zu 80 Metern Länge und 1800 Tonnen Verdrängung.
Wie Lürssen ist auch Fassmer heute eine Werftengruppe mit weiteren Standorten in China, Polen, den USA, Singapur und Deutschland. Für den After-Sales-Service hat Fassmer allein ein Netz von 200 autorisierten Mitarbeitern in über 40 Ländern aufgebaut. Wie Lürssen oder A&R kommt auch die Fassmer-Werft nicht ohne ihr Netzwerk an Zulieferbetrieben in der Region aus.
Deters Yacht- und Bootswerft
So hat Fassmer-Nachbar Dirk Deters gerade zwei acht Meter lange Messboote für ein großes Spezialschiff an die Großwerft abgeliefert. Ein Taucherboot für die Offshoreindustrie baut die „Deters Yacht- und Bootswerft GmbH“ gerade für einen Kunden aus Bremerhaven. Zusammen mit seinem Bruder Klaus hat sich Dirk Deters auf ein Bauprogramm vornehmlich kleinerer Spezialboote spezialisiert, auch wenn man bis 25 Meter Länge Boote bauen kann. So manches Alu-DLRG-Rettungsboot in Deutschland ist von den 18 Mitarbeitern der Werft gebaut worden.
Zudem hat sich der Betrieb bei den Großen der Branche einen Namen mit seinen Teakdecks für Megajachten gemacht. Das dritte große Standbein im Unternehmen ist dann noch das Geschäft mit den vergleichsweise kleinen Yachties.
Deters hat gerade erst vor zwei Jahren das Freilager für die Winterliegeplätze erweitert. Dirk Deters: „Wir können jetzt 110 Boote einwintern, und das Außenlager ist trotz Erweiterung immer wieder voll.“ Gerne kommen Katamaraneigner, weil sich das Bergesystem der Slippbahn besonders für die Boote mit den zwei Rümpfen eignet. Ähnlich wie auf der Bootswerft Winkler bieten auch die Deters-Brüder auf ihrem 19 000-Quadratmeter-Grundstück alle Dienstleistungen rund ums Boot an: Von Lackierungen über Antriebstechnik bis hin zu Reparaturen aller Art. Dirk Deters und sein Bruder Klaus gehören einer alten Bootsbauerdynastie an: Schon Großvater Dietrich Deters fing 1909 mit dem Bau von Rettungsbooten und Jollen an – damals aber noch hinter dem Deich.