Es regnet und es ist kalt. Einfach ungemütlich, absolutes Sofawetter. Wahrscheinlich wird deshalb auch niemand kommen. Wer sollte bei dem Wetter schon wandern gehen? Und überhaupt: Es werden doch mehrfach in der Woche Wanderungen angeboten, da ist heute sicher niemand da. Doch dieser Gedanke ist der erste Fehler, werden die Mitglieder der Bremer Wanderfreunde gleich erklären.
Knapp 30 von ihnen drängen sich in dem Wartehäuschen an der Straßenbahnhaltestelle Kirchweg. Sie warten dort auf die letzten Nachzügler, bevor es losgeht. Dicke Jacken, feste Schuhe, Regenschirm in der Hand: Einfach Zuhause zu bleiben, ist für die meisten Mitglieder keine Option. Die Stimmung unter ihnen ist fast familiär, denn viele Teilnehmer kennen sich bereits von anderen Unternehmungen.
Die Wanderfreunde sind einer von zwei Wandervereinen in Bremen, die mehrmals in der Woche geführte Touren durch die Stadt anbieten. Viele der Teilnehmer tun mit den regelmäßigen Treffen nicht nur etwas für ihre Gesundheit, sondern auch für ihre sozialen Kontakte.
Die Wanderung an diesem Tag gehört zu den kürzeren Touren. Entlang der kleinen Weser geht es knapp sieben Kilometer in Richtung Woltmershausen. Nahezu nach jeder Wanderung kehren die Mitglieder zum Abschluss in ein Restaurant ein. "Das ist die schönste Belohnung", ruft eine der Teilnehmerinnen. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Wandern kann, der kommt auch gerne Mal nur zum Essen oder zum Kaffeetrinken in die jeweilige Gaststätte.
Ewald Freese ist an diesem Tag Wanderleiter. Je nach Route sammelt er die Teilnehmer an den Straßenbahn- oder Bushaltestellen ein und bringt sie am Ende des Tages dort auch wieder hin. "Damit alle sicher nach Hause kommen", sagt er. Kurz erklärt er die grobe Route, die er vor einigen Tagen noch einmal mit dem Fahrrad abgefahren ist.
Doch eigentlich kennt er das Gebiet in- und auswendig. Freese hat jahrelang als Steinsetzer gearbeitet, war für zahlreiche Baustellen in und um die Innenstadt verantwortlich. Immer, wenn die Mitglieder an einer Kreuzung nicht wissen, wie es weitergeht, blicken sie sich schnell zu Freese um, der ihnen mit einer lockeren Handbewegung den Weg weist.
Man braucht nicht unbedingt Berge
In Bremen und umzu geht es für die Wanderer meistens durchs platte Land. Die hiesigen Wandervereine sind jedoch fest davon überzeugt, dass man für diese Art von Bewegung nicht zwangsläufig Berge braucht. Ob entlang des Vegesacker Sperrwegs, 20 Kilometer quer durch die Stadt oder von Borgfeld in Richtung Falkenberg: Die Wanderfreunde bieten wöchentlich zwischen drei und fünf Wanderungen an.
Dazu gehören kürzere Touren am Mittwoch, längere Strecken am Wochenende, Gesundheitswanderungen, Wanderungen mit Hund und in den warmen Monaten auch Fahrradtouren. Außerdem gibt es mehrtägige Ausflüge in andere Wandergebiete Deutschlands. Nichtmitglieder zahlen pro Tageswanderung zwei Euro. Der Jahresbeitrag für Mitglieder beträgt 24 Euro.

Der Altersdurchschnitt im Verein liegt bei 71 Jahren, sagt der Vereinsvorsitzende Jürgen Krüger. Der älteste Teilnehmer der Wanderung an diesem Tag ist 91 Jahre alt. Aber auch Familien mit ihren Kindern zählen zu den Mitgliedern. Wandern sei ein Sport, bei dem man sein Tempo und die Anstrengung selbst gut dosieren könnte, sagt Gründungsmitglied Jürgen Grund. Wer nicht so schnell kann, läuft eben etwas langsamer oder nimmt an den kürzeren Touren teil. Ein Großteil der etwa 300 Mitglieder sind Frauen. Viele von ihnen sind Witwen, für sie seien die Treffen mit den anderen Mitgliedern ihr Kontakt zur Außenwelt.
Elfi Klaffke und Jutta Schuster sind vor ihrer Rente Kolleginnen im Einzelhandel gewesen. "Da mussten wir auch gut zu Fuß sein", sagt Klaffke. Alleine laufen macht den beiden Frauen allerdings keinen Spaß. Um sich trotzdem körperlich fit zu halten, gehen sie bei den Wanderfreunden mit. Vielen der Teilnehmer scheint es ähnlich zu gehen. Einige sind vor dem Tod ihres Partners immer nur als Paar unterwegs gewesen. Nun finden sie Halt in der Gruppe.
Wer nicht an geführten Wanderungen teilnehmen will, kann auch auf eigene Faust Touren unternehmen. Im Internet gibt es zudem eine Community, die sich zu losen Wanderungen verabredet, für all diejenigen, die sich nicht an einen Verein binden möchten. Eine Vielzahl möglicher Routen findet man zudem auf diversen Portalen im Internet. Sogar ein Jakobsweg geht durch Bremen. Der etwa 460 Kilometer lange Pilgerweg beginnt in der Hansestadt und führt über Städte und Gemeinden nach Köln.
Die Touristikzentrale empfiehlt eine zwölf Kilometer lange Wanderung durch den Bürgerpark sowie den angrenzenden Stadtwald. Sie führt unter anderem am Hollersee über das Wilhelm Benque-Denkmal, einmal um den Stadtwaldsee und entlang und abseits des Torfkanals. Wer ohne GPS unterwegs ist, druckt sich am besten einen Tourenplan aus. Hier bringt das Wandern in der Stadt weitere Vorteile mit sich: Anders als im Gebirge oder auf einsamen Pfaden, kann man in belebter Umgebung bei kurzfristiger Orientierungslosigkeit andere Passanten nach dem Weg fragen.
Weitere Informationen zu den Angeboten der Bremer Wandervereine gibt es im Internet unter www.w anderfreunde-bremen.de oder unter w ww.w anderverein-bremen.de.