Im Zuschauerbereich von Saal 218 im Bremer Landgericht sind die Besucherbänke in langen Reihen angeordnet. Nicht so am Freitag. Zum Auftakt des Mordprozesses rückt ein Polizist die Bankreihen in der Mitte auseinander, schafft dadurch zwei Seiten. Auf der einen sollen die Angehörigen des Angeklagten sitzen, auf der anderen die des Getöteten. Weit voneinander entfernt sind sie trotzdem nicht. In keiner Beziehung – Täter und Opfer stammen aus derselben Familie, sie sind Cousins.
Die Tat geschah am helllichten Tag in einem Supermarkt in Oslebshausen. Dort hat der 31-jährige Angeklagte am 2. November vergangenen Jahres seinen 25-jährigen Verwandten mit vier Schüssen in den Oberkörper getötet. Die Staatsanwaltschaft spricht von Mord, der Angeklagte schildert das Ganze als Notwehrhandlung.
Am Freitag äußert sich der Mann nicht zu den Vorwürfen. Verlesen wird aber eine von ihm autorisierte Schilderung der Tat und deren Vorgeschichte, die der Täter in zwei Gesprächen mit einem psychiatrischen Sachverständigen gegeben hatte. Demnach hat alles rund fünf Monate vorher mit einem Streit um eine verschwundene Dose Würmer bei einem Angelausflug begonnen.
Mit dabei war auch das spätere Opfer, das hierbei zunächst jedoch keine große Rolle spielte. Stattdessen sei während der Auseinandersetzung ein anderer Cousin mit einer Machete auf ihn losgegangen. Er selbst habe dies alles nicht verstanden. „Lass doch, du bist doch mein kleiner Cousin“, habe er noch gesagt, sich letztlich aber nur durch Flucht retten können. Obwohl er nach eigenem Bekunden glaubte, dass sein Cousin ihn umbringen wollte, rief er nicht die Polizei. Wenn bei den Sinti einer den anderen anschwärze, sei er bei der gesamten Familie unten durch, erklärte er hierzu.

Prozessauftakt ein halbes Jahr danach: Im November wurde ein Mann vor diesem Supermarkt in Oslebshausen erschossen.
Die nächsten Wochen habe es dann immer wieder Drohungen gegen ihn gegeben, am Telefon, per Whatsapp-Nachricht („Wir suchen dich, wir kriegen dich.“) oder auch in Form von Geschichten, die ihm zugetragen worden seien. Ein Onkel habe ihm dann erzählt, dass es seinem Cousin und anderen in der Familie um weit mehr ging als um eine Dose Würmer. Von Geldproblemen und Beleidigungen war die Rede. Schließlich habe er gehört, dass das spätere Opfer eine Pistole herumzeigte. Daraufhin habe er sich selbst eine Pistole besorgt.
Zwar habe er dann Monate nichts mehr von den anderen gehört, trotzdem weiterhin ständig Angst gehabt. Anfang November sei er dem 25-Jährigen dann zufällig in Supermarkt begegnet. Der andere sei auf ihn zugegangen, hätte dabei seine rechte Hand auffallend in der Tasche gehalten und gerufen „Bleib stehen oder ich schieße“. Da sei ihm klar gewesen, „dass der seine Waffe rausholt, um mich zu erschießen“. Nur deshalb habe er seine Waffe gezogen und selbst auf den anderen geschossen.
Der Prozess wird am 17. April um 9 Uhr in Saal 218 des Landgerichts fortgesetzt.
(Dieser Artikel wurde um 16.10 Uhr aktualisiert.)