Bremen. Ein Lehrer unterstützt seine Schüler, die den Unterricht schwänzen – ein Fall, der eher selten vorkommt. Nicht so bei einem Bremer Mathelehrer. Seine gesamte Klasse hat am Freitagmorgen die Schule geschwänzt – und er befürwortet es. Mit anderen Schülern halten sie bunte Banner in die Luft: „Zukunft statt Schule“, „Wir müssen starten, statt zu warten“ oder „Kohleausstieg, jetzt“. Es regnet, doch die Schüler lassen sich davon nicht abschrecken. Seit 10 Uhr stehen sie auf dem Marktplatz, viele mit Regenschirmen und Kapuzen auf den Köpfen. Sie demonstrieren für mehr Klimaschutz und möchten Bremer Politiker auf sich aufmerksam machen.
Die Schüler orientieren sich bei ihrem Protest an der Bewegung „Fridays for Future“ („Freitage für die Zukunft“). Ausgelöst wurde die Aktion von der 15-jährigen Schülerin Greta Thunberg. Seit vergangenem Sommer schwänzt die schwedische Aktivistin jeden Freitag die Schule, um für mehr Klimaschutz einzutreten. Greta Thunberg wurde berühmt und durfte auf der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz eine Rede halten. Mit dem Satz: „Ich aber habe gelernt, dass man niemals zu klein ist, um einen großen Unterschied machen zu können“, inspirierte sie weltweit junge Menschen – und nun auch die Bremer Schüler.
Sie wollen Politiker wachrütteln
Der Bremer Mathelehrer steht etwas im Hintergrund. Er möchte seinen Namen nicht angeben, will keine Probleme mit der Schulleitung bekommen. Als Beamter darf er nicht streiken. Seine Schüler haben ihn motiviert, bei dem Protest mitzumachen. „Ich finde es richtig gut von meinen Schülern. Man sagt ja oft, dass die jüngeren Menschen so unpolitisch seien. Aber das stimmt nicht. Das sieht man hier deutlich“, sagt er. Sichtlich stolz ist der Lehrer, wenn er von seinen Schülern spricht. Denn sie seien ganz allein auf die Idee gekommen, zu streiken. Er wünscht sich, dass die Schulen die Kinder dabei mehr unterstützen. „Immerhin geht es um ihre Zukunft. Die Schüler müssen mit den Konsequenzen der heutigen Umweltpolitik leben.“ Er hofft, dass sie sich auch weiterhin selbst organisieren und freitags streiken.
Am Freitag, 4. Januar, gab es die erste Protestaktion auf dem Marktplatz. Organisiert wurde die Aktion damals von Bremer Schülern, die einen Ableger der Gruppe „Fridays for Future“ gegründet hatten. Bei der ersten Veranstaltung waren rund 20 Schüler vor Ort. An diesem Freitag sollen es laut Veranstalter rund 200 Teilnehmer sein. Karo Döhring ist glücklich über den Zuwachs. Als Mitglied der Gruppe „Fridays for Future“ hatte sie auch am ersten Streik teilgenommen.
Die 17-Jährige besucht das Schulzentrum Rübekamp in Walle und hatte ebenfalls die Protestaktion von Greta Thunberg mitverfolgt. „Ich finde das toll und mutig", sagt Karo Döhring. Auch sie möchte die Politiker wachrütteln, denn die Erderwärmung könne so nicht weitergehen. "Immer mehr Schüler haben in Deutschland angefangen, freitags zu streiken", sagt sie. "Das hat sich auch langsam in Bremen entwickelt."
Auch die Grüne Jugend in Bremen unterstützt den Protest. Jonas Laur steht mit einem Megafon vor den Schülern und spricht über den Kohleausstieg, über den Klimawandel, der noch immer verharmlost werde, und über den Hambacher Forst. Der 21-Jährige studiert in Bremen und ist überrascht, wie viele Schüler gekommen sind. "Es ist gut, dass sie zeigen, dass sie politisch sind. Jeder Mensch ist politisch, egal, wie alt er ist.“
Die Schüler sind aus ganz Bremen zum Marktplatz gekommen. So auch Wendla Schaper von der Waldorfschule Touler Straße. „Dieser Streik ist eine gute Möglichkeit, uns politisch einzubringen. Wir haben ja kein Wahlrecht“, sagt die 16-Jährige. Rund 20 ihrer Mitschüler demonstrieren ebenfalls. „Es ist toll, dass wir so viele sind“, sagt Wendla Schaper. Sie strahlt. „Bei den meisten unserer Lehrer kommt der Streik gut an. Nur einer war nicht ganz so zufrieden.“
Auch andere Schüler berichten, dass einige Lehrer den Streik nicht befürworten. Die Schule schwänzen, um politisch aktiv zu sein – das wird nicht immer gerne gesehen. „Es gibt nur teilweise Verständnis. Leider verstehen einige Lehrer nicht, dass es wichtig ist, was wir hier machen", bedauert Karo Döhring. Mindestens einer versteht es aber: der Mathelehrer.