Ohne Kommerz kein Kampf – die neue Deutschlandzentrale der Meeresschutzorganisation „Sea Shepherd“ in Vegesacks Reeder-Bischoff-Straße 18 ist auch ein Laden voller Fanartikel. Der „Jolly Roger“ mit dem Totenschädel und dem mit dem Hirtenstab gekreuzten Poseidon-Dreizack ist auf T-Shirts, Schlüsselbändern und sogar dem Hundetrog mit Wasser abgebildet, der vor der Ladentür steht.
Und Manuel Abraas ist nicht nur Aktivist und Bootsführer, sondern auch Mitbegründer und Schriftführer von Sea Shepherd Deutschland und Geschäftsführer der Gesellschaft hinter dem Fanartikelvertrieb. Wenn er sich mit einem Kunden über die richtige Größe des reduzierten T-Shirts der „Operation Sleppid Grindini“ unterhält, laufen dahinter auf dem großen Bildschirm die Schreckensbilder vom Grindwalmassaker auf den Faröer-Inseln: „Wir sind Anlaufstelle für die Vereinsmitglieder, Laden und Infopoint für Interessierte in einem.“
Die Wahl sei statt auf die Überseestadt oder die Schlachte auch auf Vegesack gefallen, weil man eben möglichst viel Geld übrig behalten wolle, um es direkt für die Schiffe, für Treibstoff, Ausrüstung und Verpflegung ausgeben zu können. Manuel Abraas kommt außerdem selbst aus St. Magnus und wusste, was für ein viel frequentierter Ort die untere Reeder-Bischoff-Straße ist: „Wer zur Fähre will, muss hier vorbei und dann haben wir auch noch den Bahnhof, den Busbahnhof und den Hafen in direkter Nähe – optimal.“
Das eigentliche Ladengeschäft hat 42 Quadratmeter, wobei hier auch Konferenztisch und Schreibtisch untergebracht sind. Mit dem Teil hinter den Kulissen hat Sea Shepherd hier 70 Quadratmeter gemietet. Abraas: „Die grundsätzliche Wahl für Bremen als Standort in Deutschland ist aber schon im Mai gefallen, als wir hier mit drei Schiffen waren. Zwei sind bei Abeking und Rasmussen überholt worden, wobei uns die Werft sehr entgegengekommen ist.“ Hunderte Besucher wollten damals allein das Aktionsschiff „Bob Parker“ sehen. Ein Bild des Trimarans „Brigitte Bardot“ im Europahafen hängt in der neuen Zentrale an der Wand.
Und die „Sam Simon“ fuhr von der Werft in Lemwerder direkt in die Auseinandersetzung vor den Faröer Inseln, wo Polizisten ein Schlauchboot enterten. Neben der US-Amerikanerin Susan Larsen wurde auch ihr Navigator Tom Strerath aus Bremen verhaftet. Manuel Abraas: „Man muss sich das einmal vorstellen: Denen drohen zwei Jahre Haft, weil sie Wale beschützt haben.“ Dem 43-Jährigen ist anzumerken, wie sehr er mit den Gedanken immer noch draußen bei den Kampagnen ist: Die Faröer hätten praktisch ein Gesetz speziell gegen Sea Shepherd erfunden, was verbiete, sich als Unbefugter einer genehmigten Grindwal-Treibjagd auf eine Meile zu nähern.
„Aber diese Jagd war nicht einmal genehmigt. Und die dänische Marine ist den Schritt weiter als bisher gegangen und hat eine Waljagd beschützt, obwohl der Walfang nach europäischen Gesetzen verboten ist,“ ärgert sich Abraas und schaut zum großen Flachbildschirm hoch, auf dem sich das Meer gerade blutrot gefärbt hat. 250 Wale seien unter den Haken und Messern der Faringer trotz der „Sea Shepherd“-Kampagne gestorben: „Wir hatten 120 Freiwillige als Landaktivisten auf den Inseln, um die 25 Todesstrände zu überwachen. Auch dort sind noch fünf unserer Leute verhaftet worden.“
So wurde die Eröffnung der Vegesacker Zentrale am 1. August auch gleich schon Teil einer Protestkampagne: Mehr als 30 deutsche Sympathisanten lichteten sich vor der Sea-Shepherd-Zentrale mit dem Schriftzug „Stand Up 250“ als Protest gegen die Ermordung von 250 Walen ab. Manuel Abraas: „Das war während des Festival Maritim und wir bekamen unglaublichen Zuspruch seitens der Festivalbesucher. Mit der französischen Band ‚Sur le Dock’ haben wir sogar eine Kooperation ausgemacht.“
Auch solche Verabredungen sollen künftig von Vegesack aus angeschoben werden: Sea Shepherd war in den vergangenen Jahren so schon mit den „Ärzten“, den „Red Hot Chili Peppers“, „Rise Against“ oder „Pennywise“ mit Infoständen auf Tour. Auch auf diese Weise kommt durch Spenden das Geld zusammen, mit denen die Organisation im kommenden Jahr das achte Schiff in der Sea-Shepherd-Flotte finanziert.
Dass man „Greenpeace“ auf dem Wasser dabei langsam den Rang abläuft, überrascht Abraas nicht: „Wenn Wale geschützt werden müssen, dann sagen wir nicht ‚bitte,bitte, hört auf’ – wir unterbinden das dann.“ Und trotzdem sei in 38 Jahren „Sea Shepherd“ bei all den Kampagnen nie ein Mensch getötet worden: „Und das wir jetzt in einem ehemaligen Walfängerhafen unsere Zentrale aufmachen, ist natürlich auch ein Zeichen: Walfang gehört einfach nicht mehr ins 21. Jahrhundert.“