Die bundesweit angekündigten Lieferrückgänge bei den Impfstoffen könnten das Impftempo in Bremen merklich bremsen. Stehen im Juni insgesamt über 80.000 Impfdosen von Biontech für das Bremer Impfzentrum zur Verfügung, sind für Juli gut 35.000 Dosen angekündigt – weniger als die Hälfte. Das wird durch steigende Liefermengen von Moderna nur zum Teil ausgeglichen. Für den Juli sind von diesem Vakzin 24.000 Dosen angekündigt, gegenüber 7200 im Juni. Astra-Zeneca und Johnson & Johnson werden im Juli überhaupt nicht ans Impfzentrum geliefert.
"Das bedeutet unterm Strich, dass wir die rund 35.000 verbindlich vereinbarten Termine für Erstimpfungen im Juni und Juli gerade so bedienen können", sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. Zusätzliche Erstimpfungen wird es aber wohl nicht geben können. Mit der Folge, das weitere Einträge auf die Warteliste für Nicht-Priorisierte erst viel später berücksichtigt werden. "Auch unsere Überlegungen, gezielt 16- und 17-Jährige ins Impfzentrum einzuladen, sind erst einmal Makulatur", sagt Fuhrmann.
Bei den niedergelassenen Ärzten ergibt sich ein ähnliches Bild. "Wir bekommen eigentlich nie die bestellten und erforderlichen Impfstoffmengen", sagt Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbandes, dem rund 250 Ärzte angehören. Die Lieferungen für die notwendigen Zweitimpfungen seien stets gesichert, aber Mittel für Erstimpfungen blieben ein knappes Gut. "Im Grunde können wir nur Erstimpfungen anbieten, wenn wir eine siebte Dosis aus den Biontech-Fläschchen ziehen", sagt Mühlenfeld.
Die sinkenden Liefermengen kommen nach Einschätzung des Gesundheitsressorts zur Unzeit. "Gerade jetzt bei den niedrigen Inzidenzen impfen wir nicht mehr gegen eine akute Pandemie an, sondern könnten verstärkt präventiv handeln, um eine denkbare vierte Welle im Herbst und Winter zu verhüten." Lukas Fuhrmann sagt das mit Blick auf die Gefahr hin, dass nach den Urlaubsmonaten und durch die wachsenden Anteile der Delta-Variante des Virus die Infektionszahlen wieder steigen könnten.
Diese in Indien entstandene Mutation gilt als deutlich ansteckender. Sie war in Großbritannien erstmals Ende März registriert worden. Inzwischen gehen über 90 Prozent aller Neuinfektion im Königreich auf sie zurück. In weniger als 50 Tagen hat Delta die britische Variante Alpha nahezu komplett verdrängt. In Deutschland hat die Delta-Variante aktuell einen Anteil von drei Prozent an den Neuinfektionen. In Bremen hat die Gesundheitsbehörde zuletzt am Montag 18 Infektionen mit der delta-Variante gemeldet.
29,4 Prozent vollständig geimpft
Das Impfdashboard des Robert Koch-Instituts weist für das Land mit Stand vom 15. Juni eine Quote von 54,7 Prozent Erstimpfungen in der Bevölkerung aus. 46 Prozent sind es zum Beispiel in Bayern und Hamburg. Als vollständig geimpft gelten 29,4 Prozent der Bremer Bevölkerung, für ganz Deutschland beträgt dieser Wert 27,6 Prozent.
"Bis September könnten wir tatsächlich eine Art Sättigung der Nachfrage erreichen", beschreibt es Fuhrmann. Denn die Impfquoten beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung. Weil aber für einen Anteil von rund fünf Prozent bereits Genesener und etwa 14 Prozent Jugendlicher unter 15 Jahren eine Impfung nicht empfohlen wird, wäre höchstens eine Impfquote von gut 80 erreichbar.
Der tatsächliche Wert hängt davon ab, wie viele Menschen eine Impfung am Ende ablehnen. Mühlenfeld schätzt den Anteil der Skeptiker auf etwa 20 Prozent. "Die Hälfte davon lässt sich wohl noch überzeugen", sagt der Mediziner. Das deckt sich mit der Einschätzung des Gesundheitsressorts. "Wenn wir eine Impfquote von über 70 Prozent erreichen, sind wir gut", sagt Fuhrmann. Von den aktuell knapp 55 Prozent Erstimpfungen aus gesehen, sei das trotz gesenkter Impfstofflieferungen "in Reichweite."
Vor diesem Hintergrund diskutieren Gesundheitsressort und die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) derzeit, ob und in welcher Form es mit dem Impfzentrum weitergeht, wenn Ende September die Finanzierung durch den Bund ausläuft. "Die entscheidende Frage ist, ob wir dann auf einem Stand sind, von dem aus die niedergelassenen Ärzte die weiteren Aufgaben stemmen können", beschreibt Fuhrmann. Das schließt auch mögliche Auffrischungsimpfungen für bereits vollständig Geimpfte ein.
"Unser Interesse ist in jedem Fall, eine langfristig tragfähige Versorgungs-Infrastruktur zu etablieren, mit oder ohne Impfzentrum", sagt Fuhrmann. Mühlenfeld zeigt sich optimistisch, das die Ärzteschaft das hinbekommt. "Wenn wir genügend Impfstoff haben, schaffen wir das mit den Praxen."