Es geht um § 14, Absatz 8. Er ist auf den ersten Blick recht unscheinbar, versteckt irgendwo in den Tiefen der Spielordnung des Bremer Fußball-Verbandes (BFV). Aber gerade kommt er groß raus, sorgt für Ärger und Aufregung unter den Bremen-Ligisten. Der Paragraph beschäftigt sich mit den Voraussetzungen der Einsätze von Nicht-EU-Ausländern. Er legt fest: Eine Spielgenehmigung für diese Spieler darf „erst nach Vorlage einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, die mindestens bis zum Ende des jeweiligen Spieljahres gültig ist“. Das bedeutet konkret: Eine schlichte Duldung – nach dem Ausländergesetz eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung - reicht nicht aus zur Erteilung einer Spielerlaubnis für einen Bremen-Liga-Kicker. Sie ist kein Titel im Sinne einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis.
Ein Problem der Praxis: Von der geforderten „Vorlage“ kann keine Rede sein. Seit vielen Jahren beantragen die Vereine eine Spielerlaubnis über das DFB-Net. Dort müssen sie lediglich ein kleines Häkchen setzen, um zu bestätigen, dass der Spieler die geforderten Voraussetzungen für eine Spielerlaubnis besitzt. Eine Überprüfung fand in den vergangenen Jahren nicht statt. So richtig hatte der BFV diesen §14, Absatz 8 ohnehin nicht auf dem Schirm: Er war einst übernommen worden aus dem offiziellen Normenkatalog des DFB, und so steht die Bremen-Liga in einer Reihe mit der 3. Liga, der 2. Frauenbundesliga und den Regionalligen.
Als der DFB die Oberligen, also eigentlich auch die höchste Bremer Spielklasse, 2014 aus seiner Normenvorlage strich, passierte beim BFV allerdings nichts. „Es wurde damals versäumt, unsere Spielordnung dem DFB-Recht anzugleichen“, bestätigt Oliver Baumgart, BFV-Pressereferent. In Bremen gibt es die Norm also noch in ihrer ursprünglichen Form, und so wurde ein Protest möglich: Er wurde eingelegt am 1. April, durch den Brinkumer SV, und er brachte den Stein ins Rollen. Die Brinkumer äußerten wenige Tage nach dem Spiel gegen die SV Hemelingen deutliche Zweifel an der Spielberechtigung von vier Spielern des Gegners und bezogen sich dabei ausdrücklich auf die betreffende Formulierung der Spielordnung.
„Das geht eigentlich schon ewig so: Wir halten uns dran, andere aber nicht“, sagt Jogi Bender, Abteilungsleiter des Brinkumer SV. Der Verein habe in der Vergangenheit bereits einige Spieler „weggeschickt“, da sie nicht über die geforderten Voraussetzungen verfügten. „Sie sind dann bei anderen Vereinen aufgetaucht“, so Bender. Man habe sich den Protest nicht leicht gemacht und lange gezögert, ihn zur abschließenden Klärung dann aber doch eingelegt. Damit ging es richtig los: Der BFV forderte alle Oberligisten auf, für ihre aus Nicht-EU-Ländern stammenden Spieler einen entsprechenden Nachweis zu liefern. Insgesamt 79 Kicker wurden überprüft, mit folgendem Ergebnis: Bei zehn Bremen-Liga-Spielern reichten die Voraussetzungen nicht, weil sie entweder nur eine Duldung oder einen nicht bis zum Saisonende datierten Aufenthaltstitel hatten. Für 16 weitere Spieler wurden keine Unterlagen vorgelegt. Macht am Ende 26 Spieler, die seit dem vergangenen Freitag – dem Abschluss der Überprüfung – nicht mehr spielberechtigt sind.
„Das ist völlig verrückt“, sagt Günter Tuncel, Trainer der SV Hemelingen. Er muss nun auf vier seiner Spieler verzichten: Zwei Hemelinger verfügen lediglich über eine Duldung, zwei über einen Aufenthaltstitel, der vor dem Saisonende endet. „Gerade die Vereine, die Integration machen, werden bestraft“, meint Tuncel. Der Trainer findet vor allem befremdlich, dass sich der BFV gerade in Widerspruch zu seinen eigenen Verlautbarungen setzt: „Der BFV wirbt damit, die Spielerlaubnis für Geflüchtete so leicht wie möglich zu machen.“ Stattdessen könnten die Spieler mit einer Duldung arbeiten, zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen, würden in der Bremen-Liga aber ausgebremst.
Es seien jedenfalls Tränen geflossen, als die SVH den betroffenen Kickern die Nachricht von der zurückgezogenen Spielerlaubnis überbringen musste. „Das alles ist ein Unding“, so Tuncel. Am Ende kann sich niemand der Beteiligten mit der – ja auch den Vereinen bekannten – Regelung anfreunden. Dieser § 14 ist zwar seit Jahren ein Teil der Bremer Spielordnung, aber offenbar hat er dort nichts zu suchen, und ernst genommen wurde er auch nicht. Oder besser: Er wurde nur ernst genommen vom Brinkumer SV, dem das ganze Vorgehen mittlerweile aber ein wenig unangenehm ist. „Wir sind auch nicht begeistert und hätten den Protest vielleicht eher nach der Saison einlegen sollen“, sagt Jogi Bender.
Dabei hatte die Aufregung um den Protest allerdings zur Folge, dass es die betreffende Formulierung im Sommer gar nicht mehr geben wird. „Es gibt im Amateurfußball keinen logischen Grund für diese Bestimmung“, betont Oliver Baumgart. Ein entsprechender Antrag sei bereits geschrieben und werde dem zuständigen Beirat auf der nächsten Sitzung am 13. Juni vorgelegt. Dann wird der § 14 Absatz 8 gestrichen, ist also endgültig in der Bedeutungslosigkeit angekommen.