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Bremens Fußball-Boss im Interview "Ein sportlicher Boykott wäre falsch"

Der Bremer Fußball-Boss hat zu Olympia in Peking und der WM in Katar eine klare Meinung. Im Interview spricht er über den neuen Präsidenten, Joshua Kimmichs Impf-Probleme und die Schwierigkeiten mit Corona.
02.01.2022, 15:58 Uhr
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Von Mathias Sonnenberg

Herr Fecker, am 29. Januar soll die Bremen-Liga in die Rückrunde starten. Wie groß sind Ihre Zweifel, dass dann auch alle Teams nach den 2G-Richtlinien antreten können? 

Björn Fecker: Momentan kann niemand genau sagen, wie es Ende Januar ausschauen wird und ob wir überhaupt spielen dürfen. Die Nachholspiele im Dezember hatten wir abgesagt, weil die 2G-Regelung so überraschend kam, dass viele Mannschaften nicht mehr reagieren konnten. Grundsätzlich würden wir aber auch mit der 2G-Regel den Spielbetrieb der Bremen-Liga starten.

Wie stehen Sie als Bremer Fußball-Boss zur 2G-Regel?

Bisher galt, dass die Gefahr einer Ansteckung nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen an der frischen Luft äußerst gering ist. Deswegen konnten wir Fußballer gut mit der Bremer Regelung, 2G für Hallensport anzuwenden und für Draußen gar keine Beschränkungen zu machen, leben. Allerdings stellt die neue Omikron-Variante momentan noch ein großes Fragezeichen für alle da. Deswegen müssen wir abwarten. Die Gesundheit hat für uns immer Vorrang.

Wie sind denn die Reaktionen aus den Vereinen?

Wir hatten einen Verein, der uns gebeten hat, den Spielbetrieb einzustellen, weil die Kabinen nur noch nach dem 2G-Prinzip betreten werden konnten. Es gibt auch Aktive, die sich mit 2G auf dem Platz deutlich sicherer fühlen. Der Fußball ist da wieder mal ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die Frage ist doch, ob wir der überragenden Mehrheit der Aktiven, die geimpft sind, den Fußball verbieten, weil eine kleine Gruppe Spieler sich nicht impfen lassen will. Das halte ich nicht für vertretbar.

Konnten Sie nachvollziehen, dass der Fall Joshua Kimmich solch ein Politikum wurde?

Ach, da bin ich ein bisschen gespalten. So lange es keine Impfpflicht gibt, ist es eine individuelle Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen. Diese Entscheidung ist aus meiner Sicht aus vielerlei Gründen falsch. Wir als Verband rufen deswegen auch immer wieder zur Impfung auf. Mit seiner damaligen Haltung hat Joshua Kimmich sein eigenes Engagement gegen Corona leider ein Stück weit konterkariert. Das war der Moment, wo er unglaubwürdig wirkte. Aber dass es dieses Thema bis in die Tagesschau schaffte, fand ich angesichts anderer Problemlagen in unserem Land beachtlich. 

Kimmich war auch dem WESER-KURIER ein Titel-Foto wert.

Und fanden Sie das richtig?

Ja, weil Kimmich stellvertretend für eine intensive Diskussion stand, er hat dieses Thema transportiert.

Zumindest wird am Beispiel Kimmich deutlich, dass es in diesem Land immer schwieriger wird, sachlich über Themen zu diskutieren und eine Menge Fehlinformationen kursieren.

Können Profi-Sportler überhaupt als Impf-Vorbilder dienen?

Wir brauchen diese Vorbilder für alle relevanten Lebensbereiche, dazu gehört auch der Profi-Fußball. Das sind Persönlichkeiten, zu denen viele junge Menschen aufschauen. Und wenn sich ein Sportler impfen lässt, dann ist das ein Statement das hilft.

Haben Sie für den Bremer Fußball schon eine erste Corona-Bilanz gezogen?

Wir haben im Schiedsrichter-Bereich definitiv Probleme. Gerade in der Bremen- und Landesliga sind viele Schiedsrichter an den Wochenenden im Doppeleinsatz. Einige Spielklassen können wir nicht mehr mit Schiedsrichtern besetzen. Auf der einen Seite haben Schiedsrichter aufgehört, auf der anderen Seite sind fast alle Nachwuchs-Lehrgänge ausgefallen, das spüren wir. Im Mannschaftsbereich hingegen haben wir keinen Rückgang zu verzeichnen, bei den Übungsleiterinnen und -leitern ist es in den Vereinen sehr unterschiedlich.  

Im Jugendbereich ist der Andrang teilweise so groß, dass keine Kinder mehr aufgenommen werden können.

Wegen des fehlenden Traininsgsbetriebs haben sich da quasi Neuanmeldungen angestaut. Und viele Eltern hat das Thema Bewegungsmangel während der Pandemie sicherlich motiviert, die Kinder in den Fußballvereinen anzumelden. Wir freuen uns über jedes neue Mitglied, aber wir brauchen eben auch mehr Menschen in unseren Vereinen, die sich ehrenamtlich engagieren. 

Würde es helfen, wenn man Trainer besser bezahlen würde?

Studien, die sich mit dem Engagement im Ehrenamt beschäftigen, weisen aus, dass finanzielle Anreize eher eine untergeordnete Rolle spielen. Die Leute sind in erster Linie dabei, weil sie Spaß daran haben und etwas für die Gesellschaft leisten wollen.

Was sind überhaupt die größten Klagen, die Sie zu hören bekommen?

Das war durchweg der erhöhte Aufwand in der Corona-Krise. Der Einzelhändler bezahlt einen Mitarbeiter oder eine Firma, damit die 2G-Regeln kontrolliert und eingehalten werden. Im Verein muss das ein Ehrenamtlicher machen, der ja so schon einen Schwung Aufgaben zu erledigen hat. Dazu kommt die Frage der Haftung, wenn gegen die Corona-Regeln verstoßen wird. Dann trifft es womöglich noch den ehrenamtlichen Vereinsvorstand. Es gibt Vereine, die bewusst auf Zuschauer verzichten, weil die Kontaktnachverfolgung zu aufwendig ist. Das kommt im Ehrenamt ja immer noch obendrauf und ist eine Herausforderung.

Herr Fecker, 2022 wird ein schwieriges Sport-Jahr: Erst die Olympischen Winterspiele in China, im November die Fußball-WM in Katar. Würden Sie zu einem der beiden Events reisen?

Für mich stellt sich diese Frage nicht. Aber um es vorweg zu nehmen: Einen sportlichen Boykott halte ich für falsch, das wird auf dem Rücken der Sportler ausgetragen. Bei Olympischen Spielen geht es in der Regel nicht um Aktive, die Millionen verdienen, sondern Sportler, die lange für die Teilnahme trainieren. Und auch für Fußballer ist eine WM das größte Sportereignis. Mir ist wichtig, dass die Ausrichter von Olympia und der WM nicht dadurch geadelt werden, dass andere Politiker und Staatsoberhäupter auf der Tribüne sitzen. Und noch wichtiger ist, dass die Vergaben solcher Sportereignisse endlich auch die Menschenrechtslage im jeweiligen Land in den Fokus nehmen und nicht ausschließlich die Vermarktungspotenziale.

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Aber wie sollen sich die Sportverbände beispielsweise bei der WM verhalten?

Erstens muss man klar Position beziehen zu Missständen, die es in dem Land gibt. Und zweitens muss sichergestellt sein, dass man sich nicht selbst an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, das gilt auch für Dienstleister vor Ort, vom Hotel bis zum Busunternehmer. Da muss man sich als Verband vergewissern, dass die Bedingungen den Menschenrechten entsprechen. Es bringt ja nichts, in Hochglanzbroschüren und der eigenen Satzung die Menschenrechte hochleben zu lassen, aber dann Firmen beauftragt, die diese ignorieren. Das gilt natürlich auch für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Auch vor Ort in Katar muss der DFB in Gesprächen immer wieder die Menschenrechtslage zum Thema machen.

Dann gehen Sie nicht davon aus, dass Olaf Scholz als Bundeskanzler bei einem möglichen WM-Halbfinale gegen Brasilien in Katar auf der Ehrentribüne sitzt?

Ich würde jetzt mal nicht davon ausgehen, dass es in Katar Besuche von hochrangigen deutschen Politikern gibt.

Welche Note geben Sie dem DFB für das Jahr 2021?

Klar und deutlich: Die Performance des DFB war im vergangenen Jahr schlecht. Das ist bitter für die vielen engagierten Menschen, die im Haupt- und Ehrenamt dort eine gute Arbeit machen. Aber es wurde überschattet durch unzählige Diskussionen und Vorgänge an der DFB-Spitze. In der Corona-Pandemie, als wir ein starkes Lobbytum für den Sport gebraucht hätten, ist der DFB als Gesprächspartner für die Politik ausgefallen. Bei der Bundesnotbremse und den verheerenden Folgen für den Sport und Fußball war der DFB quasi nicht vorhanden oder wurde nicht als wichtiger Gesprächspartner wahrgenommen, das trifft dann die Basis direkt. Deshalb brauchen wir einen starken Verband, der sich für die Interessen des Fußballs einsetzt. 

Der Verband wählt im März mal wieder einen neuen Präsidenten. Mit Peter Peters und Bernd Neuendorf gibt es zwei Kandidaten.

Wir sind im BFV nach den Vorstellungsrunden beider Kandidaten sehr eindeutig zu der Entscheidung gekommen, Bernd Neuendorf zu unterstützen. Ich habe ihn als integren, unaufgeregten Menschen kennengelernt. Wir brauchen an der DFB-Spitze jemanden, der ruhig und verlässlich agiert. Er ist nicht nur aus meiner Sicht der geeignete Kandidat.

Es gab Gerüchte, dass Sie überlegt haben, für das Amt des Präsidenten im Norddeutschen Fußball-Verband zu kandidieren. 

Ich habe in Bremen in der Politik eine verantwortungsvolle Funktion, dort vertrauen mir eine Menge Menschen. Und trotzdem ist man geschmeichelt, wenn man auch für hohe Positionen im norddeutschen Fußball gehandelt wird, das will ich gar nicht verhehlen. Aber am Ende waren zwei Punkte ausschlaggebend: Ich möchte weiter Politik in Bremen aktiv gestalten. Und wenn man im Norden eine wichtige Rolle im Fußball einnehmen möchte, braucht man den Rückhalt aller Verbände. Und das war nicht gegeben.

Sie bleiben in der Politik und auch dem BFV erhalten?

Ja, das ist mein Plan. Und ich freue mich schon auf die anstehenden Aufgaben im kommenden Jahr.  

Das Gespräch führte Mathias Sonnenberg    

Zur Person

Björn Fecker (44)

ist seit 2010 Vorsitzender des Bremer Fußball-­Verbands (BFV) und Mitglied im DFB-Vorstand. Fecker sitzt seit 2007 in der Bremischen Bürgerschaft und ist Fraktionsvorsitzender der ­Grünen.

Zur Sache

Kürzeste WM seit 1978

Die WM in Katar wird mit 28 Tagen die kürzeste Fußball-Weltmeisterschaft seit dem Turnier 1978 in Argentinien sein. Das Eröffnungsspiel soll am 21. November um 11 Uhr (MEZ)  angepfiffen werden, das Finale 18. Dezember (4. Advent) um 18 Uhr stattfinden. In der Gruppenphase wird es täglich vier Spiele geben (11 Uhr, 14 Uhr, 17 Uhr und 20 Uhr). Ab dem Achtelfinale wird um 16 Uhr und 20 Uhr MEZ gespielt. Im Free-TV übertragen ARD und ZDF die meisten Spiele. Alle 64 Partien der WM sind nur bei Magenta TV live im Fernsehen oder im Stream zu sehen. 16 Spiele sogar exklusiv, unter anderem Spiele im Achtel- und Viertelfinale sowie das Spiel um Platz 3 - vorausgesetzt, dass Deutschland daran nicht teilnimmt. Dann würden ARD oder ZDF live übertragen. Sky, DAZN, Sport1 oder Eurosport zeigen nach aktuellem Stand keine Spiele der WM.

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