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Übergriffe auf Unparteiische Bremens Schiri-Chef: "Dieses Ehrenamt wird mit Füßen getreten"

Bremens Schiedsrichter-Chef Torsten Rischbode sieht nach den jüngsten Übergriffen auf zwei Unparteiische nicht nur Grenzen überschritten, sondern fürchtet auch um die Zukunft seiner Gilde.
08.11.2023, 05:00 Uhr
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Von Stefan Freye

Herr Rischbode: Wie geht’s dem Schiedsrichter vom Abbruch am vorletzten Sonntag in Findorff?

Torsten Rischbode: Nicht so gut. Er hatte Prellungen, war krankgeschrieben und verarbeitet das Ganze gerade noch ein bisschen.

Was genau ist eigentlich passiert im Duell zwischen VfL 07 II und dem SV Mfandena?

Wie man hört, wurden dem Schiedsrichter von hinten die Beine weggezogen, und daraufhin ist er gestürzt. Er hatte keine Chance, das kommen zu sehen, weil es in seinem Rücken passiert ist. Das muss man natürlich erst mal verarbeiten. Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass sich die Verantwortlichen des gastgebenden Vereins VfL 07 sofort um ihn gekümmert haben. Er war ja allein und nicht mit einem Schiedsrichter-Gespann angetreten. Da war es schon gut, dass er ins Geschäftszimmer gebracht und damit letztlich auch vor weiterem Schaden bewahrt wurde, bis Polizei und Rettungskräfte vor Ort waren.

Sie stehen in Kontakt zu vielen Ihrer Kollegen. Wie gehen Bremens Schiedsrichter mit den beiden Gewalttaten um?

Natürlich sind alle geschockt. Es ist ein Ehrenamt, das wir betreiben, und dieses Ehrenamt wird mit Füßen getreten. Das nimmt jetzt schon Formen an, mit Tritten und Schlägen. Dass sich Schiedsrichter unschöne Sachen anhören müssen, ist ja Alltag. Aber dass nun Gewalt angewendet wird, das geht gar nicht. Da weiß man nicht mehr, was man dazu sagen soll.

Spüren Sie Solidarität?

Ja, auf alle Fälle. Innerhalb der Schiedsrichter sowieso. Sie schicken viele Genesungswünsche, da gibt es einen riesigen Zusammenhalt. In der Woche zuvor hatten sich auch viele Vereine nach dem Vorfall in Wulsdorf an uns gewendet. Da ging es natürlich auch darum, den Schiedsrichter zum Weitermachen zu ermutigen.

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Was die Zukunft der beiden betroffenen Schiedsrichter betrifft, besteht noch keine Klarheit. Aber was bedeuten diese Vorfälle in Zeiten stetig sinkender Schiedsrichterzahlen denn ganz allgemein?

Das ist natürlich keine Werbung, sondern ein Schlag ins Gesicht. Es wird nochmal schwieriger für uns, mehr Schiedsrichter zu gewinnen. Zudem geht es nicht nur um die Ausbildung. Wir müssen die Schiedsrichter auch halten, und damit haben wir im Moment unsere Probleme, wenn es zu solchen Vorfällen kommt. Da sagen dann viele: Ich mache doch nicht weiter.

Derzeit gibt es gut 400 Schiedsrichter, vor rund 20 Jahren waren es noch fast doppelt so viele. Was passiert da gerade?

Ein extremer Rückgang, der aber deutschlandweit zu verzeichnen ist. Er hat aber sicher auch damit zu tun, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Was können Sie tun, um diese negative Entwicklung trotz der aktuellen Vorfälle einzufangen?

Wir im Ausschuss geben natürlich alles. Das beste Beispiel ist, dass am Sonntag einer von uns nach Findorff gefahren ist und sich der Sache angenommen hat. Wir machen da schon einiges. Trotzdem: Bei diesem Ausmaßen sind wir irgendwann überfordert. Wenn bleibende Schäden zu beklagen sind, brauchen wir professionelle Hilfe. Da müssen Psychologen ran, und wir als BFV müssen sehen, wie der Verband das zur Verfügung stellen kann.

Ein anderer Weg betrifft die Prophylaxe, und die beginnt mit einer Bestandsaufnahme: Sehen Sie angesichts der jüngsten Vorfälle einen Trend zu mehr Gewalt auf den Plätzen und gegen die Schiedsrichter?

Ja, die Respektlosigkeit nimmt zu. Aber das ist ein gesellschaftliches Problem. Man merkt es ja auch, wie respektlos mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten umgegangen wird. Früher wurde man angeschrien. Jetzt kommt die körperliche Gewalt ins Spiel, und das geht auf keinen Fall. Da müssen harte Strafen folgen, denn diese Leute haben im Sport nichts verloren.

Die Täter haben ja auch Strafen von bis zu 24 Monaten zu erwarten, ihr Verhalten dürfte also hart geahndet werden. Aber ist es mit Strafen getan?

Auf alle Fälle sind sie wichtig. Ich halte dagegen wenig davon, dass nun ein Schiedsrichterlehrgang für die Täter vorgeschlagen wird. So etwas eignet sich für leichtere Vergehen, nicht aber für Gewalttäter dieser Art. Sie kann man keinem zumuten.

Was könnte man darüber hinaus noch tun?

Man muss die Vereine mit in die Pflicht nehmen. Sie stellen schließlich auch die Schiedsrichter. Die Unparteiischen, der Verband und die Vereine müssen miteinander über dieses Thema sprechen. Irgendwas müssen wir jedenfalls machen. Denn so kann es nicht weitergehen.

An anderen Orten haben die Schiedsrichter in vergleichbaren Situationen gestreikt. Kommt das auch für Sie infrage?

Einen Streik kann man machen, um zu untermauern, dass es so nicht weitergeht. Man kann auch mal alle Spiele absetzen, um deutlich auf das Problem aufmerksam zu machen. Aber ob wir es damit lösen, bezweifle ich. Es wird ja immer Einzeltäter geben.

Das wirkt alles nicht sehr optimistisch…

Ich bin auch nicht optimistisch. Wenn man sich die Ausmaße ansieht, kann man nicht optimistisch sein. Es ist schon schwierig, dass innerhalb von acht Tagen zweimal Schiedsrichter geschlagen oder getreten wurden. Wir werden uns vom Ausschuss mit den Schiedsrichtern zusammensetzen und klare Kante zeigen. Es muss allen klar werden, dass man so nicht mit uns umgehen darf. Die Vereine müssen dabei helfen, und wir müssen in vielen Bereichen besser werden. Auch in der Abschreckung, also mit härteren Strafen. So kann es nicht weitergehen.

Zur Person

Torsten Rischbode übt bereits seit 2004 das Amt des Vorsitzenden im Schiedsrichterausschuss des Bremer Fußball-Verbandes aus. Die jüngsten Gewalttaten gegen Unparteiische in Wulsdorf und Findorff bereiten dem 56-Jährigen große Sorgen.

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