Olympiasieger Florian Wellbrock. Das würde sich echt gut anhören. Dann hätte er eigentlich alles erreicht, was zu erreichen ist. So hat er es im Frühjahr dem WESER-KURIER gesagt, dafür trainiert der amtierende Bremer Sportler des Jahres hart. Schwimmt bis zu 100 Kilometer pro Woche – und schwimmt sie mit der Überzeugung, dass der Traum vom ganz großen Gold schon deutlich mehr ist als, nun ja, eben ein Traum.
Florian Wellbrock, der einst für den Bremischen Schwimmverein ins Becken sprang und seit fünf Jahren für den SC Magdeburg startet, ist nicht nur sich selbst eine Hoffnung. Es fehlt in der Berichterstattung selten der Hinweis, dass er derzeit die größte deutsche Schwimmhoffnung ist. Er ist Europameister. Das weckt Begehrlichkeiten im Verband wie in den Medien. Und die mediale Begutachtung ist mit dem EM-Silber von Sarah Köhler weiter gewachsen. Köhler ist Wellbrocks Freundin – Stoff für eine Traumpaar-Story.
Bremer ist aussichtsreichster WM-Starter
Wenn Wellbrock an diesem Freitag vom japanischen Trainingscamp aus nach Südkorea reist, geht es für ihn dort um WM-Medaillen, und zwar dreimal. Am Dienstag (3.00 Uhr MESZ) über zehn Kilometer im Freiwasser von Yeosu, in der Woche drauf steht im Becken von Gwangju am Mittwoch das Finale über 800 m Freistil an, am Sonntag das über 1500 m. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) hat keinen aussichtsreicheren WM-Starter als diesen 1,95 m großen schlanken Bremer, der im August 22 Jahre alt wird und vor kurzem seine Prüfung zum Immobilienkaufmann bestanden hat. Und mit dem Selbstbewusstsein eines Sieger-Typen auf den Startblock steigen kann.
2018 wurde Wellbrock in Glasgow Europameister über 1500 m Freistil. Er schaffte mit 14:36,15 min. eine Superzeit, die achtbeste, die jemals in der Welt gekrault wurde; er besiegte dabei das Duo, das mit ihm seit einiger Zeit die Weltspitze bildet: Mychajlo Romanschuk aus der Ukraine und Gregorio Paltrinieri aus Italien. Im November besiegte Wellbrock in Abu Dhabi im Finale der Swim-World Series Paltrinieri auch über zehn Kilometer.
In der Weltjahresbestenliste 2019 liegt Wellbrock über 800 m auf Rang zwei hinter Romanschuk und über 1500 m auf Rang zwei hinter Paltrinieri. Zuletzt wurde Wellbrock Erster bei den offenen spanischen Meisterschaften über zehn Kilometer im Freiwasser. Wellbrock will Medaillen, das hat er in keinem Interview dementiert zuletzt. Und dass es ihm in Südkorea auch um Gold geht, darf man wohl getrost annehmen. Auch wenn er es tunlichst vermeidet, den allgemeinen Erwartungsdruck durch markige Gold-Ansagen noch zu erhöhen.
Erfolge in Südkorea wären, na klar, ein Zeichen in Richtung Tokio 2020. Es geht aber in diesem Sommer zunächst mal noch viel direkter um die Olympischen Spiele im nächsten Sommer. Zumindest im Freiwasser hätte Wellbrock bei einer Top-Ten-Platzierung das Olympiaticket schon mal sicher.
Dass Florian Wellbrock sowohl im Freiwasser als auch im Becken nach Höherem strebt, ist im DSV eine Zeitlang durchaus skeptisch beäugt worden. Dem Bundestrainer Henning Lambertz soll das nicht so gefallen haben. Doch Lambertz ist nur noch der Ex-Bundestrainer. Inzwischen ist Bernd Berkhahn zu einem der Team-Chefs der deutschen Schwimmer ernannt worden, Wellbrocks Trainer in Magdeburg. Der gehört nicht zu den Skeptikern in Bezug auf Wellbrocks Doppelstarts.
Mit einem Höhentrainingslager in Südspanien hatte sich der Bremer aus Magdeburg intensiv auf sein ambitioniertes WM-Programm von Südkorea vorbereitet. Das schlauchende Pensum in den Bergen der Sierra Nevada wird ihn an die Grenzen der Belastbarkeit geführt haben. Doch bei eventuell auftauchenden Ich-kann-nicht-mehr-Löchern hat Florian Wellbrock ein gutes Gegengift. So schilderte er es jüngst in einem Gespräch mit dem Sport-Informationsdienst. „Wenn ich total kaputt bin und überhaupt nicht aus dem Bett komme, dann schaue ich mir morgens das Rennen (von der EM in Glasgow, d. Red.) im Bad nochmal an und weiß: Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Feuer frei!“
WM im Livestream
Die Wettkämpfe der Schwimm-WM werden nur am 26. Juli direkt im Fernsehen gezeigt (ZDFinfo). Das ZDF zeigt aber insgesamt 70 Stunden Live-Bilder im Livestream (ww.zdf.de/sport). Für die Freiwasser-Rennen soll die ZDF-Mediathek zur Verfügung stehen.