Die Bilder von jenem großen Spiel im August 2018 wirken wie eine Reise in eine weit zurückliegende Zeit. Borussia Mönchengladbach spielte damals im DFB-Pokal auf dem Bremer Platz 11 gegen BSC Hastedt. Der heutige Bayern-Manager Max Eberl war damals noch in Gladbach verantwortlich und strahlte mit der Bremer August-Sonne um die Wette, sein Trainer hieß Dieter Hecking. Und im Tor von Hastedt stand ein 19 Jahre junger Mann, Marcel Pfaar, der den ganzen Rummel gegen den Bundesliga-Verein vor lauter Aufregung gar nicht richtig genießen konnte.
„Ich weiß noch, dass Dieter Hecking nach dem Spiel zu mir sagte, ich hätte es gut gemacht“, erinnert sich Pfaar an die 1:11-Niederlage des damaligen Bremen-Ligisten gegen Gladbach, „aber es ging alles rasend schnell. Ich hatte im Spiel die ganze Zeit viel zu tun. Ich konnte die Atmosphäre vor den 5000 Zuschauern gar nicht aufsaugen, da war das Spiel schon vorbei.“ Bis heute wird Pfaar in Bremen auf das Pokalspiel gegen Mönchengladbach angesprochen – und jetzt, mit 26 Jahren, bekommt der Torwart tatsächlich die Chance, noch einmal so etwas zu erleben: Pfaar ist Kapitän der SV Hemelingen, als Gewinner der Bremer Lotto-Pokals tritt er mit seiner Mannschaft in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals gegen den VfL Wolfsburg an. „Ich bin sehr froh, dass ich das wieder erleben darf", sagt er, „und diesmal werde ich alles aufsaugen und genießen. Damals war ich sehr aufgeregt, jetzt herrscht einfach nur Vorfreude.“
Die Chance, das Spiel Mitte August gegen die Wolfsburger Bundesliga-Profis zu gewinnen, beziffert der Erzieher nach den Erfahrungen von damals nur auf 0,1 Prozent. Mit einem Augenzwinkern meint er: „Aber diese kleine Chance wollen wir nutzen.“ Die Floskel vom Pokal und den eigenen Gesetzen will er nicht bemühen. "Es gibt zwar manchmal Überraschungen, aber eher selten von einem Fünftligisten, und schon mal gar nicht von einer Mannschaft aus der Bremen-Liga. Der Unterschied zur Bundesliga ist einfach riesig.“
Pfaar, ein gebürtiger Bremer, sieht andere Reize in diesem Spiel, das am Sonnabend, 16. August, ab 15.30 Uhr in Verden ausgetragen wird (live bei Sky). Er hofft, dass im Wolfsburger Tor dann Kamil Grabara stehen wird. Der Pole ist einer seiner Lieblingstorhüter: „Mit einem wilden Stil, vielleicht etwas verrückt, aber sehr sympathisch.“ 2018 hatte Gladbach seinen Stammtorhüter Yann Sommer (heute bei Inter Mailand) pausieren lassen, was Pfaar ein wenig ärgerte. Wann kann man schon mal gegen solche Leute spielen? Genau diese Frage führt zum zweiten Anreiz. „Ich glaube, dass wir unseren Kader nun noch besser verstärken können“, meint der SVH-Kapitän. Nicht wegen der Einnahmen aus dem DFB-Pokal, sondern wegen des besonderen Spiels gegen einen Bundesligisten. „Jetzt kommt der ein oder andere zu uns, der sonst vielleicht eher nicht in die Bremen-Liga gewechselt wäre. So ein Pokalspiel wollen viele mal erleben.“
Das große Spiel gegen Wolfsburg soll der Antrieb sein für weiteren Erfolg. Pfaar: „Mal abgesehen von Werder, haben wir uns hinter dem Bremer SV als Nummer 2 in Bremen etabliert. Wir wollen diese Favoritenrolle in der neuen Saison annehmen, wieder um den Aufstieg in die Regionalliga spielen und erneut den Lottopokal gewinnen, um auch im nächsten Jahr im DFB-Pokal dabei zu sein. Bei der Qualität, die sich bei der SV Hemelingen inzwischen entwickelt hat, sollte das unser Anspruch sein.“
Angebote aus der Regionalliga
Er selbst hat schon 13.700 Minuten Bremen-Liga auf dem Buckel, das sind knapp 160 Spiele – für Brinkum, Hastedt und Hemelingen. Nach seinen guten Leistungen in der vergangenen Saison gab es Anfragen, die ihm schon jetzt den Sprung in die Regionalliga ermöglicht hätten. „Aber ich möchte nicht als zweiter oder dritter Torhüter dort im Kader stehen, sondern mit der SV Hemelingen in der Regionalliga spielen. Das ist mein nächstes sportliches Ziel.“
Diesen Sommer scheiterte die SVH in den Aufstiegsspielen, die Gegner aus den Oberligen in Hamburg oder Niedersachsen waren ein höheres Tempo gewöhnt. Die Bremer kennen das aus ihrer kleinen Liga so nicht. „Aber wir werden daraus lernen“, glaubt Pfaar, „im Lotto-Pokal waren wir vor einem Jahr gegen den Bremer SV auch noch chancenlos, zwölf Monate später haben wir sie geschlagen. Uns hat in den Aufstiegsspielen etwas Erfahrung gefehlt, aber die holen wir auf.“ Gerne möchte er die Bremen-Liga mit seiner Mannschaft vom ersten Spieltag an dominieren, „auch wenn das für unsere Gegner immer das wichtigste Spiel wird und jeder uns schlagen will“.
Für die Hemelinger ist erst einmal das Duell mit Wolfsburg das „Spiel des Jahres“, und vorher hat Pfaar noch einen privaten Höhepunkt im Kalender stehen: Im Juli heiratet er. Zum Glück ist er fit für beides. Den befürchteten Handbruch hat er nicht erlitten, als er sich im Finale um den Lotto-Pokal verletzte. Auf den Untersuchungsbildern war zwar reichlich Blut rund um den Knochen zu sehen, aber die Schiene kann er wohl an diesem Wochenende schon ablegen. Beim Hemelinger Trainingsstart am Montag kann er also dabei sein und sich mit der Mannschaft auf die neue Saison und das Spiel im DFB-Pokal vorbereiten: „Als Amateurfußballer erlebt man nicht so viele große Spiele. Nach den Erfahrungen von damals mit Hastedt kann ich meinen Mitspielern in Hemelingen versichern: Die erste Runde im DFB-Pokal wird ein echtes Highlight. So ein Spiel bleibt für immer in Erinnerung.“