Eigentlich herrscht angespannte Ruhe. Aber einmal wird es heute etwas lauter. „Ulli, Du hast ein Tor gemacht“, ruft Alessandro und springt freudig auf. Der Angesprochene traf gerade für Hajduk Split, es steht jetzt nur noch 1:4 gegen den FC Barcelona. Das ist internationaler Fußball. Aber nicht so, wie es vielleicht scheint. Denn gespielt wird im großen Raum der Hochschule Bremen in der Airport-Stadt, und zwar an Bildschirmen. Denn Alessandro Bünnagel steht an der Spitze des Vereins Bremen eSport, und Torschütze Ulli ist Senator Ulrich Mäurer, zuständig für Inneres und Sport. Er probiert sich gerade aus an der Konsole, tritt gemeinsam mit Bünnagel zum Duell auf EA Sports FC an – gewissermaßen als Showeinlage in diesem großen Event.
Organisiert und ausgerichtet wird das Turnier vom Verein Bremen sSports, gemeinsam mit Bremen Entertainment, einer Social Media Plattform. „Sie machen die Medien, und wir holen die Leute“, sagt Alessandro Bünnagel, einer von zwei Vorsitzenden im Bremen eSports. Der Verein ist nach eigener Beschreibung der erste dieser Stadt, der sich „voll und ganz dem eSport widmet. Was das konkret bedeutet, lässt sich der Satzung entnehmen: Es geht um die Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz im Allgemeinen und daneben um die Förderung der Gemeinschaft von e-Sport-Interessierten in Bremen und seinem Umland. „Wir machen Breitensport, und zwar in unterschiedlichen Games“, erklärt Alessandro Bünnagel.
Mäurer kommt ohne "Vorstellungen"
Er zählt aber auch die „Aufklärungsarbeit“ zu den wesentlichen Vereinszwecken. Schließlich ginge es auch um die Gesundheitsförderung auf der einen und die Suchtprävention auf der anderen Seite. „Wir sind dabei, etwas zu entwickeln“, sagt Bünnagel. Für Ulrich Mäurer ist der Besuch dieses eSoccer-Turniers der erste Berührungspunkt mit den sogenannten Gamern. „Ich hatte keine Vorstellungen davon“, räumt der Senator ein. Aber er ist nun mal für den Sport in Bremen zuständig, und eSport eine ziemlich trendige Aktivität, die zu den neueren Sportarten gezählt wird. Für Ulrich Mäurer ist es deshalb sinnvoll, sich auch den sSportlern zu öffnen. „Wir können ja nicht alle Altherrenfußball spielen“, betont er lächelnd.
Das Bremen eSports gerade dabei ist, etwas zu entwickeln, hat natürlich einen Grund: Gegründet wurde der Verein erst im Sommer 2019. Angesichts der sich schon bald anschließenden Corona-Pandemie war auch die Arbeit des jungen Klubs natürlich erst einmal mit diversen Schwierigkeiten verbunden. Die Zahlen können sich trotzdem sehen lassen: Bremen eSports hat gut 230 Mitglieder. Sie sind in rund einem Dutzend Abteilungen mit ganz unterschiedlichen Spielen aktiv und treten dabei zu Turnieren oder auch einem Ligabetrieb an. „Die werden meistens von den Herstellern der Spiele angeboten“, erläutert Luca Müller, der andere Vorsitzende von Bremen eSport.
Auf jedes Team kommt ein großer Name
Der Verein ist allerdings auch recht aktiv, war schon auf der Hanselife vertreten und kooperierte mit der Sparkasse oder dem Bremer SV. Ein paar Mal im Jahr bietet Bremen eSport zudem Turniere an, so wie heute in der Hochschule am Flughafen. Die 64 Teilnehmer treten jeweils in Zweierteams und acht Gruppen an. Sie kommen aus Bremen und dem Umland. Einer von ihnen ist Sinan Sahin. Der Nordbremer und sein Partner haben sich als Besiktas Istanbul in die Starter-Liste eingetragen. Dazu sind die Teilnehmer verpflichtet: Ein großer Name pro Duo. Es gibt natürlich auch ein Werder-Team, und die Deutsche Nationalmannschaft ist ebenso vertreten wie Real Madrid oder Juventus Turin. Aber auch Darmstadt 98 ist am Start. Sinans Team hat gerade mit 2:8 gegen den FC Liverpool verloren. Er nimmt es gelassen, ist er doch ohne allzu große Ambitionen angetreten und würde sich auch nicht als typischen Gamer bezeichnen: „Mir geht es um den Nervenkitzel.“
Um den Nervenkitzel geht es auch in den anderen Spielen, mit denen sich Bremen eSport so beschäftigt. Dazu zählen League of Legend und Warcraft, die allgemein noch als „Strategiespiele“ durchgehen. Bei „Counterstrike“ wird dagegen nur geballert, ein Ego-Shooter, der sich entsprechender Kritik ausgesetzt sieht. Luca Müller kann die „generelle Skepsis“ verstehen. Er betont jedoch auch: „Kinder und Jugendliche spielen das sowieso, aber wir können als Verein über den Umgang und die Risiken aufklären.“ Zudem würde Bremen eSports auf die Einhaltung der Altersgrenzen achten und sei damit sicher die „bessere Anlaufstelle, als wenn wir die Kinder mit diesen Spielen allein lassen“. Der Innensenator hält die Ballerspiele dagegen grundsätzlich für „wenig dienlich für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“. Allerdings bittet Ulrich Mäurer um eine Differenzierung: „Ich mache einen Unterschied zwischen Ballern und Fußball.“
Männliche Teilnehmer, ausschließlich
Und heute geht es nun mal um den Fußball. Aber was sie das eigentlich für Menschen, die zum EA Sports FC-Cup antreten? Sicher ist: Sie sind ganz überwiegend zwischen 20 und 30 Jahre als und männlich. Zwar sind auch Frauen anwesend. Aber sie sind entweder zum Zuschauen gekommen oder haben eine Aufgabe: Der kleine Stand mit Snacks und Getränken wird durch zwei weibliche Vereinsmitglieder gemanagt, und am Recruiting-Stand der Polizei – die heute mit zwei Teams antritt – befindet sich ebenfalls eine Beamtin. „Eigentlich sind alle fanatische Fußballfans“, sagt Sinan Sahin über die aktiven Teilnehmer dieses Turniers. Jeder habe seinen Lieblingsverein und kenne sich deshalb auch im realen Fußball ziemlich gut aus. Es gäbe daneben zwar eine „eigene Community“ der Gamer. „Aber die besteht aus unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichem sozialen Umfeld“, so Sahin. Heute macht ja auch ein Senator mit.