Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

EM der Lateinformationen Grün-Gold setzt sich die Krone auf

Hier eine Krone, dort eine Krisensitzung und dazu noch ein Küsschen von der Mutter: Die Europameisterschaft in Wien war für die Lateinformation des Grün-Gold-Clubs Bremen aus mehreren Gründen sehr speziell.
29.05.2022, 13:47 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Grün-Gold setzt sich die Krone auf
Von Frank Büter

Franziska Streeb ahnte nichts, als ihr Tanzpartner Michel Spiro sie während der Siegerehrung an die Hand nahm und ein paar Schritte zur Mitte zog. Zu sehr war sie noch im Freudentaumel und feierte mit ihren Teamkameraden den Titelgewinn bei dieser Europameisterschaft der Lateinformationen in Wien. Doch plötzlich hatte Streeb eine Krone auf dem Kopf, plötzlich stand die 26-Jährige ganz allein im Mittelpunkt. Das Publikum, das eben noch den alten und neuen Europameister mit viel Applaus bedacht hatte, spendete nun Beifall für eine Dauerbrennerin auf dem Tanzparkett. Exakt 50 Formationsturniere hat die Bremerin jetzt bestritten, eine Leistung, die Anerkennung verdient und von Kapitän Spiro und dem Team mit einem Bild und einem goldenen Schuh als Präsente gewürdigt wurden.

Lesen Sie auch

Seit zehn Jahren betreibt Franziska Streeb Formationstanzen, seit 2018 gehört sie dem A-Team an. Bei der EM in Polen seinerzeit war sie zwar dabei, kam aber noch nicht zum Einsatz. "Jetzt habe ich meine Sammlung komplett", sagt Streeb. Sie arbeitet in Vollzeit als Angestellte bei einer Krankenkasse in Bremen. Ihr Sport erfordere eine gute Zeitplanung, sagt die Tänzerin. Für Wettkämpfe wie jetzt in Wien muss sie Urlaub nehmen, um dabei sein zu können. Sie liebt ihren Sport, "das ist meine Leidenschaft", und deshalb opfert sie gerne ihre freie Zeit dafür. Und sie möchte das auch noch einige Zeit länger so machen. "Es gibt ja keine Altersbeschränkung", sagt sie mit einem Lächeln. "Wichtig ist, dass der Körper das mitmacht."

Auch Streebs Teamkamerad Kevin Berger ist schon seit vielen Jahren eine feste Größe in der Grün-Gold-Formation. Für den gebürtigen Wiener war diese EM quasi ein Heimspiel. Berger ist sportlich beim HSV Zwölfaxing großgeworden, ehe er sich vor etwas mehr als acht Jahren ins Auto setzte und mit Sack und Pack nach Bremen zog. 19 Jahre alt war er damals und hatte gerade seine Ausbildung zum Bürokaufmann beendet. Sein Ziel war der Grün-Gold-Club, "dafür habe ich meine Sachen gepackt und bin ich ausgewandert", sagt der 28-Jährige. Als Teenager hatte er bereits diverse Male unter der Regie von Roberto Albanese trainieren dürfen. "Ich wusste, wenn ich mal Weltmeister werden will, dann muss ich nach Bremen gehen. Da gab es keine Alternative", sagt er.

Inzwischen ist Berger sogar mehrfacher Weltmeister, doch der EM-Titel fehlte auch ihm noch, da er ebenso wie Franziska Streeb 2018 in Polen nicht dabei war. Dieser Titel war Kevin Berger nun also beim Heimspiel im Multiversum in Schwechat vergönnt. Vor den Augen seiner begeisterten Mutter, die er Corona-bedingt und auch wegen der großen Entfernung tatsächlich ein Jahr lang nicht gesehen hatte. "Es war eine geile Sache, hier auf die Fläche zu gehen – das war sehr speziell und aufregend", sagt Kevin Berger auch mit Blick auf die vielen ehemaligen Weggefährten aus dem gastgebenden Klub.

Speziell war diese Europameisterschaft aber auch noch aus anderen Gründen. "Wir sind sehr zufrieden", betont Michel Spiro. "Diesen Tag kann man kaum überbieten." Zu erwarten gewesen sei das indes nicht unbedingt. Denn noch am Mittwochabend hatte es, nun ja: atmosphärische Spannungen beim Abschlusstraining in Bremen gegeben. Es hat gewissermaßen etwas geknistert. Trainer Roberto Albanese war nicht einverstanden mit der Herangehensweise seiner Mannschaft. Ein Selbstgänger, das hat der ehrgeizige Coach im Vorfeld mehrfach betont, werde diese EM nicht. Albanese vermisste die Fokussierung, die Konzentration. Und er fand dafür auch deutliche Worte.

"Da ist in der Tat ein bisschen was schief gelaufen", erzählt Spiro. "Das Training war nicht gut. Die Nervosität war zu spüren, und es sind viele Fehler passiert." Dem Kapitän hatte das auch nicht gefallen. Er rief deshalb im Anschluss noch eine Teambesprechung ein – ohne den Trainerstab. "Da konnten alle noch mal loswerden, was sie belastet", sagt Michel Spiro. Die Maßnahme hat gefruchtet. Als die Formationsmitglieder am Freitag in den Flieger stiegen, blieb der Ballast in Bremen. "Das war extrem professionell vom ganzen Team", lobt der Kapitän.

Lesen Sie auch

Der Finaldurchgang bei dieser EM war dann einmal mehr eine Demonstration der Klasse. 52 Bilderwechsel, hohes Tempo, viel Energie und Leidenschaft – die Bremer Formation tanzt aktuell in einer eigenen Liga. Das Finale, sagt auch Trainer Roberto Albanese, "fand ich sensationell!". Binnen eines guten halben Jahres hat Grün-Gold mit der Choreografie "Emozioni" somit alle vier möglichen Titel eingeheimst. Das ist den Bremern zuvor nur mit "Rocky" gelungen. "Diese Choreo ist sehr emotional, das sagt schon der Titel", erklärt Franziska Streeb. "Sie hat sehr viel Stärke und ist im Vergleich zu den vorherigen Choreos sehr risikoreich. Das zeigt die Entwicklung, die unser Team in den letzten Jahren genommen hat." Ein Team, das eine sehr besondere Ausstrahlung hat. "Alle gehen zu 100 Prozent ins Produkt rein", beschreibt Michel Spiro. "Jeder Einzelne ist richtig gut in dem, was er macht."

Es war ein langer Tag für das Bremer Team. Begonnen hat er morgens um 6 Uhr. Als die Siegerehrung beendet und das Parkett geräumt war, ging es bereits auf Mitternacht zu. Ein wenig gefeiert wurde im Anschluss dennoch: "Bis hierhin haben wir uns nur auf die Meisterschaft konzentriert", sagt Kevin Berger. "Jetzt haben wir das Ziel erreicht und dürfen es uns gönnen, ein Gläschen zu trinken."

Zur Sache

Der Endstand im Finale:

1. Grün-Gold-Club Bremen/Deutschland 36,56

2. HSV Zwölfaxing/Österreich 34,75

3. TSG Bremerhaven/Deutschland 33,55

4. FTSC Perchtoldsdorf/Österreich 31,75

5. Double V A-Team/Niederlande 29,60

6. XS Latin Team Cambridge/England 29,40

Aus nach der Zwischenrunde:

7. CMG Radom/Polen

8. Double V B-Team/Niederlande

Für den Grün-Gold-Club tanzten: Kevin Berger, Lisa Brückner; Julian Warnke, Diana Starnets; Roland Piekarczyk, Joyce Hildebrand; Jan Frost, Carmen Kupisz; Michel Spiro, Franziska Streeb; Philipp Ziehdorn, Onondari Nergui; Lukas Witte, Alke Hinz; Raban Bottke, Melanie Sotskov. Ersatz: Adin Basic, Lea Buerfeind

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)