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Nach Misstrauensvotum Werder feuert seinen Handball-Sportchef

Beim Zweitligisten SV Werder Bremen gibt es Unruhe: Nach einem Misstrauensvotum muss der Sportliche Leiter Patrice Giron die Handballabteilung verlassen.
17.06.2020, 05:00 Uhr
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Werder feuert seinen Handball-Sportchef
Von Frank Büter

„Werder hat mich vor die Tür gesetzt.“ Patrice Giron ist geknickt, das ist ihm deutlich anzumerken „Meine Idee“, sagt der Sportliche Leiter des Handball-Zweitligisten dann auch, „mein Idee war das nicht, den Vertrag aufzulösen.“ Aber genau das geschieht in diesen Tagen. Giron, seit September 2017 in der Handball-Abteilung des SV Werder Bremen als Koordinator Leistungssport tätig, wird zum Monatsende einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen. In „beiderseitigem Einvernehmen“, wie es im Amtsdeutsch heißt, wird der eigentlich noch bis Ende Juni 2021 laufende Vertrag aufgelöst. „Das ist Fakt“, bestätigte Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald gegenüber dem WESER-KURIER.

Die Gründe, die zur Trennung geführt haben, sie sind, nun ja: diffus. Oder auch absurd, je nach Sicht des Betrachters. Der grün-weiße Kabinenfunk kolportiert ein nebulöses Bild dieser Trennung. Es geht um verletzte Eitelkeiten, um Animositäten. Um Personen, die nicht bereit sind, zusammenzuarbeiten. Hier der Breitensport, dort der Leistungsbereich, dem Giron zu viel Augenmerk geschenkt haben soll. Der Kabinenfunk erzählt von Spannungen, ausgelöst durch die Degradierung von Cheftrainer Dominic Buttig, der im Dezember aufgrund ausbleibender Erfolge seinen Posten beim damaligen Tabellenschlusslicht räumen musste. Spannungen, die quer durch die Abteilung gehen sollen und auch Jugendtrainer sowie Physiotherapeuten betreffen. Spannungen, die schließlich zu einem Misstrauensvotum gegen Patrice Giron geführt haben. Und bei dem sich die Führungsspitze der Handball-Abteilung dann mehrheitlich für eine Trennung ausgesprochen hat.

Fünf Jahre „mit ganz viel Herzblut“ eingesetzt

„Ein Misstrauensvotum hinter meinem Rücken!“ Dieser Fakt hat Patrice Giron schwer getroffen. Rund fünf Jahre hat sich der A-Lizenz-Inhaber für den SV Werder eingesetzt, „mit ganz viel Herzblut“, wie der 42-Jährige betont. Zunächst hatte der dreifache Familienvater zwei Jahre als Trainer des Zweitligateams verantwortlich gezeichnet, dann hatte er im Vorstand den neu geschaffenen Posten des Sportlichen Leiters übernommen, um strukturell den Bereich Leistungshandball zu optimieren. „Man braucht nicht nur qualifizierte Trainer, sondern auch Leistungsträger im Abteilungsvorstand, die den Blick für das große Ganze haben“, hatte Handballchef Martin Lange bei der Einführung Girons auf diesen Posten erklärt.

Und heute? Fällt es schwer, die Dinge einzuordnen. Licht ins Dunkel zu bringen. Für seine Arbeit, für sein Engagement wird Patrice Giron von vielen Seiten gelobt. „Ich bin ein großer Fan seiner Arbeit und habe eine hohe Meinung von Patrice“, hat der Vorsitzende Martin Lange stets betont. „Patrice hat als Trainer und danach als Sportlicher Leiter einen guten Job gemacht“, sagt auch Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald. „Ich habe die Zusammenarbeit mit ihm sehr geschätzt.“

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Giron, im Hauptberuf als Dozent für den Hochschulsport an der Universität Hamburg tätig, hat sich trotz der im Hintergrund schwelenden Konflikte bis zuletzt, bis in den Juni hinein für das Zweitligateam eingesetzt. Der Nicht-Abstieg sei für ihn das Wichtigste gewesen, sagt der Diplom-Sportwissenschaftler. Giron war es, der in Robert Nijdam als Buttig-Nachfolger einen Toptrainer geholt hat. Giron war es auch, der maßgeblich die Weichen dafür gestellt hat, dass dieser Robert Nijdam den Vertrag im März um zwei Jahre bis zum Sommer 2022 verlängert hat. Und Giron war es übrigens auch, der mit Blick auf die neue Saison bei fast allen Vertragsgesprächen und Neuverpflichtungen federführend gewesen ist. Viel Zeit habe er dafür investiert, sagt er. Und klingt ein wenig verbittert.

Ende April war es, als Patrice Giron von diesem Misstrauensvotum der Abteilungsspitze erfahren hat. Nach WESER-KURIER-Informationen gab es dabei in Martin Lange und Yannik Cischinsky nur zwei Fürsprecher. Das hat Giron verletzt. „Ich weiß, dass ich polarisieren kann, aber mir geht es immer um die Sache“, sagt er. Und er fragt sich, warum der Vorstand so votiert hat, „immerhin haben wir fünf Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet“.

Team über die Entscheidung unglücklich

Der Vorstandsbeschluss hat derweil nicht nur Giron überrascht, sondern auch die Zweitligamannschaft. Hintergründe? Hat das Team nicht erfahren. Es gab zunächst nur die Information, dass Giron zur neuen Saison ausscheidet. Die Umstände, die Kommunikation, der Zeitpunkt – all das habe man für fragwürdig gehalten, schildert Spielerin Rabea Neßlage. „Das war schon alles sehr komisch“, sagt die 30-Jährige. Teile des Teams seien darüber sehr unglücklich gewesen, heißt es aus Mannschaftskreisen. Weil Giron für alle stets erster Ansprechpartner und aufgrund seiner Expertise und Erfahrung ein Gewinn für den Verein gewesen sei.

Rabea Neßlage ist seit vielen Jahren eine feste Größe im Werder-Team. Und sie ist Teil des Mannschaftsrates, dem neben Kapitänin Denise Engelke auch noch Lena Thomas und Stefanie Grüter angehören. Dieser Mannschaftsrat tauschte sich also aus und fasste den Tenor im Kader in Person von Lena Thomas in einem Schreiben an den Vorstand zusammen. Und dieser Tenor lautete: „Patrice soll bleiben“, schildert Rabea Neßlage.

Ein klares Statement also für den Sportlichen Leiter – am Ergebnis geändert hat es indes nichts mehr. Patrice Giron selbst war es schließlich, der die Mannschaft im Rahmen einer Online-Trainingseinheit von seinem feststehenden Abschied in Kenntnis gesetzt hat. Sehr zum Unwillen seiner Fürsprecher offenbar. Denn der Fakt war damit in der Welt – und ein Zurück gab es nun nicht mehr.

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