Nachrichten auf den Handys ihrer Kinder haben in diesem Sommer bei Eltern in Bremen für Unmut gesorgt. Die Nachrichten kamen meist über WhatsApp und wurden von Fußballtrainern anderer Mannschaften geschrieben, um die Kinder und Jugendlichen zu einem Probetraining einzuladen oder abzuwerben. In den meisten Fällen kannten Eltern und Kinder den Absender der Nachrichten nicht. In einem Fall ließ sich nachvollziehen, dass der Trainer die Handynummer des Spielers über einen Mitschüler aus dem Klassenchat der Schule bekam. In einem anderen Fall gaben Spieler aus der Mannschaft die Nummer weiter.
Während die Kinder sich in der Regel stolz über das "Angebot" eines anderen Vereins freuten, reagierten die Eltern verwundert bis erbost, dass sich fremde Erwachsene auf den Smartphones ihres Nachwuchses meldeten und dort einen Chat begannen. Auch beim Bremer Fußball-Verband kennt man die Problematik, die in den vergangenen Monaten und Jahren durch die Digitalisierung zugenommen hat.
Wo Trainer früher eine Festnetznummer hätten recherchieren oder persönlich bei der Familie vorbeifahren müssen, sind nahezu alle Jugendspieler heute direkt über ihr Smartphone zu erreichen, ohne bei den Eltern oder dem derzeitigen Verein des Spielers vorfühlen zu müssen. Unabhängig von der zivilrechtlichen Seite, wenn fremde Erwachsene einen Chat mit Minderjährigen beginnen, ist dieses Vorgehen im Fußball verboten: Die Strafordnung des Bremer Verbandes (BFV) regelt unter Paragraph 6, „Strafen für Vereine in besonderen Fällen“, dazu wörtlich unter Punkt 3: „Angehörige des BFV, die Spieler von anderen Vereinen abwerben (“Spielerziehung”) oder den Versuch dazu unternehmen, können mit einer Geldstrafe bis zu 750,00 EUR belegt werden.“ Damit liegt die Strafe auf dem Niveau, das auch fürs Fälschen von Mitgliedsausweisen oder Spielerpässen angesetzt wurde.
Das Problem an sich gab es schon immer im Fußball, auch im Jugend- und Amateurfußball. „Die Ausprägung, die wir jetzt erleben, ist dem digitalen Wandel geschuldet“, sagt Jurij Zigon, Vorsitzender des Jugendausschusses im Bremer Fußball-Verband, der sich auch auf nationaler Ebene im Deutschen Fußball-Bund im Nachwuchsbereich einbringt. Handynummern würden heute ohne Skrupel gesucht oder weitergegeben, manchmal auch, ohne sich dabei viel zu denken. „Ich finde es schwierig, wenn erwachsene Menschen hingehen und Jugendliche in einem schutzwürdigen Alter direkt anschreiben“, betont Zigon, „das Thema Kinderschutz ist für uns sehr wichtig. Die Hemmschwelle ist mit dem digitalen Wandel stark gesunken. Das ist ein Problem unserer heutigen Zeit.“

Jurij Zigon vom Bremer Fußballverband
Erschwert wird die Sache dadurch, dass Kinder und Jugendliche solche fremden Nachrichten nicht so einfach einordnen können. Zigon: „Das sind junge Menschen, die sind noch nicht gefestigt. Die fühlen sich geschmeichelt, wenn ein Trainer sie haben will.“ Zur Problematik würden ambitionierte Vereine in Bremen beitragen, die ihre neuen Jugendspieler in den sozialen Netzwerken wie Bundesligaspieler präsentieren. Mitunter wird sogar das Trikot in die Kamera gehalten. Da brauche man sich nicht wundern, meint Zigon, wenn Themen wie Ausbildungsentschädigungen für Kinder oder eben das Abwerben von Spielern zunehmend in den Blickpunkt geraten. „Es sind Zeiterscheinungen, die wir da erleben, weil Amateurvereine ihre Jugendmannschaften im Internet wie Profiklubs bewerben.“
Neben dem verständlichen Unmut der Eltern geht es Zigon auch um den Frieden in der Bremer Fußballlandschaft. „Um den zu erhalten“, sagt er, „sollte der Trainer den formellen Weg einhalten und erst den Verein ansprechen: Ihr habt da einen interessanten Spieler, ich möchte den gerne zum Probetraining einladen. Das heißt noch nicht, dass der Spieler wechselt – aber wenn ich als Trainer diesen Schritt nicht gehe, sind Konflikte zwischen den Vereinen schon vorprogrammiert.“ Es sei wichtig, dass die Vereine fair und offen miteinander reden. „Erst danach“, sagt Zigon, „sollte man auf die Eltern zugehen und auch erst danach mit dem jeweiligen Kind reden. Direkt auf einen Minderjährigen zuzugehen, das geht nicht.“
Betroffene Familien sollten zum Verein ihres Kindes gehen und dort mitteilen, dass es eine solche Nachricht eines anderen Trainers auf dem Handy gab, rät Zigon. Denn: „Jeder Verein ist Mitglied im Verband und kann sich somit an das Sportgericht wenden, die Eltern oder der Spieler selbst können das nicht. Bei entsprechender Beweislage kann dann ein Verfahren eröffnet werden.“ Jedes Sportgericht entscheide natürlich autark, aber neben den Geldstrafen sei im Wiederholungsfall auch eine Sperre des betroffenen Trainers für einen gewissen Zeitraum durchaus denkbar.
Ob mancher Jugendtrainer eventuell gar nicht weiß, dass er mit solchen Nachrichten auf die Handys der Kinder gegen die Vorschriften verstößt? Zigon mag das nicht ausschließen: „Es kann sein, dass sich einige Trainer nicht mit der Strafordnung oder der Satzung des Verbandes auseinandersetzen. Aber: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Viele denken vielleicht auch, dass es dazugehört, weil das im großen Fußballgeschäft vorgelebt wird. Es gehört aber nicht dazu.“ Natürlich könne es immer mal sein, dass der Spieler eines anderen Vereins für die eigene Mannschaft interessant ist. Dann aber sollten die Trainer auf keinen Fall über das Handy des Kindes Kontakt suchen. Weil es gegen die Statuten verstoße – und weil man grundsätzlich Minderjährige nicht auf dem Handy anschreibe.