Bei seinem Vorhaben, die Transfers von Kindern und Jugendlichen im Amateurfußball zu unterbinden, hat der Bremer Fußball-Regionalligist FC Oberneuland nun auf Sportrecht spezialisierte Juristen um eine Einschätzung gebeten. Wie berichtet, war es in diesem Sommer zu Unstimmigkeiten zwischen dem FCO und dem SC Borgfeld gekommen, als sieben Jugendliche nach Oberneuland wechselten. In der Summe flossen als Entschädigung mehrere Tausend Euro. Zum Teil bezahlten Eltern das Geld aus eigener Tasche, um ihre Kinder freizukaufen und eine Sperre zu verhindern.
Die Statuten des Bremer Fußballverbandes – und die aller Landesverbände im Deutschen Fußball-Bund (DFB) – sehen solche Entschädigungszahlungen vor. In der Jugendordnung ist festgeschrieben, dass die Zustimmung des alten Vereins zu einem Wechsel benötigt wird. Bleibt diese aus, kann sie durch eine Entschädigungszahlung ersetzt werden. Die Höhe richtet sich unter anderem nach dem Alter des Kindes und der Spielklasse der ersten Mannschaft des neuen Vereins. Je nach Einzelfall werden Zahlungen zwischen 25 Euro und 2500 Euro fällig. Sonst bleibt das Kind bis November eines Jahres gesperrt.
Auch dem Bremer Fußball-Verband (BFV) haben die Vorfälle in diesem Sommer nicht gefallen. Allerdings sei es im Bremer Amateurfußball „die Ausnahme, dass sich zwei Vereine bei einem Wechsel nicht einigen und deshalb eine Entschädigungszahlung fällig wird“, betont Jurij Zigon, Vorsitzender des Jugendausschusses beim BFV sowie Mitglied im DFB-Jugendausschuss. Diese Fälle seien auch nur bei den leistungsorientierten Vereinen anzutreffen, die mit ihren Jugendmannschaften überregional spielen. Dazu zählen Oberneuland und Borgfeld. Zigon: „Es wird oft gesagt, der Bremer Verband müsse gegen solche Wechsel etwas tun – aber diese Regelung steht im allgemeinverbindlichen Teil der DFB-Jugendordnung, die wir in Bremen zwingend umsetzen müssen.“
Dass die juristischen Bemühungen des FC Oberneuland das System bundesweit ins Wanken bringen, glaubt Zigon nicht. Einerseits, weil ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2015 die Entschädigungszahlungen im Profi- und Amateursport als zulässig einstuft. Vor allem aber, weil im bundesweiten Vergleich andere Kräfte wirken: In Westfalen oder in Bayern gehe es im Wettstreit um junge Spieler noch ganz anders zu Sache, deshalb dürfte eine einheitliche Verschärfung der Statuten schwierig werden, glaubt Zigon. Und was für Bremer Verhältnisse viel Geld sei, das sei andernorts eher wenig.
Wie man aus der Branche hört, geht die Tendenz eher dahin, dass Profivereine die Spieler in immer jüngerem Alter verpflichten, um gar keine Entschädigungen mehr zahlen zu müssen. Derzeit werden diese Zahlungen ab einem Alter von zwölf Jahren fällig.
Die Bemühungen des FC Oberneuland zielen nun auf ein Detail ab: Nämlich darauf, dass die Jugendspieler keinen Arbeitsvertrag hatten, sondern nur eine Vereinsmitgliedschaft, die fristgerecht zum 30. Juni gekündigt wurde. Hier greife die Satzung des Fußballverbandes in die Grundrechte der Kinder und Jugendlichen ein, sagt FCO-Vorstand Uwe Piehl, selbst ein Jurist. Er fragt: „Und das soll rechtens sein?“ Er sieht Chancen, hier durch alle Instanzen Verbesserungen für die Amateurvereine und die Jugendspieler erstreiten zu können. Denn bisher gebe das Fußballsystem „nichts her, was die Kinder schützt“, moniert Piehl.
Zigon verweist hingegen auf die 95 Prozent der Amateurvereine, die durch genau diesen Punkt geschützt würden: „Wenn es keine Kündigungsfristen oder Sperren mehr gäbe, wüssten sehr viele Vereine nicht mehr, ob sie in der nächsten Saison überhaupt noch die ein oder andere Jugendmannschaft haben. Ein Verein braucht Planungssicherheit.“ Zigon ist seit vielen Jahren im Jugendfußball aktiv, auch auf nationale Ebene. Er versteht alle Seiten, auch die ambitionierten Bremer Vereine, die hohe Kosten für ihre Reisen und Trainer aufbringen müssen und deshalb oft auf Entschädigungen pochen. Das System komplett zu verändern, hält er für einen trügerischen Ansatz: „In jedem System wirst du immer Leute haben, die es ausnutzen. Du wirst aber immer viel mehr Leute haben, die durch Spielregeln geschützt werden.“
Dass heutzutage viele Spieler einer Jugendmannschaft zum Nachbarklub wechseln und der Trainer womöglich hinterher, sieht auch Zigon „sehr kritisch“. Inzwischen gebe es Zwölf- oder 14-Jährige, auch in Bremen, die schon für vier Vereine gespielt hätten. „Das ist nicht unser Verständnis davon, wie Kinder und Eltern mit dem Sport und mit einer Vereinsmitgliedschaft umgehen sollten", kritisiert Zigon. Auch talentierte Kinder seien besser beraten, bis zur D- und C-Jugend bei ihrem Verein zu bleiben. Wer in einem kleinen Bundesland wie Bremen von einer Fußball-Karriere träume und außergewöhnlich talentiert sei, der werde ganz sicher entdeckt – und müsse dazu nicht vier Vereine durchlaufen.
In den vielen Vereinswechseln sieht Zigon auch die Gefahr, die Kinder zu überfordern, denn: „Nur wenige werden später mit Fußball Geld verdienen, bei fast allen ist es enorm wichtig, dass die schulische Ausbildung nicht leidet. Auch das Kindsein sollte nicht auf der Strecke bleiben. Ein Verein sollte nicht als Sprungbrett gesehen werden, sondern als Gemeinschaft.“ Und schon gar nicht, da sind sich alle einig, sollten Kinder als Spekulationsobjekte betrachtet werden. Wie eine solche Vereinsmitgliedschaft juristisch zu bewerten ist, muss sich jedoch noch zeigen, sollte der FC Oberneuland vor Gericht ziehen.