Der Grat zwischen Enttäuschung und Zufriedenheit ist manchmal sehr schmal. "Wir sind nahe dran an Platz vier", sagte Marcel Paufler, "so gesehen ist Rang zehn am Ende etwas enttäuschend für uns." Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Sven (27) hatte der 30-Jährige bei der WM im Kanumarathon in Györ im nagelneuen Zweier gesessen und eine hervorragende Bootspremiere hingelegt. "Wir sind wieder auf einem guten Niveau, die Grundlage passt, aber wir müssen schauen, wie wir auf eine bessere Platzierung kommen können", sagte Sven Paufler, nachdem das Duo vom Störtebeker Bremer Paddelsportverein nach 1:56:16,61 Stunden über 29,2 Kilometer als zehntes im Ziel angekommen war.
Im Vorjahr waren die Bremer Elfte geworden. So gesehen hatten sie ihr erstes Ziel, eine Platzierung unter den Top 10, erreicht. Da auch ihr zweiter Wunsch, mit neuem Boot den Abstand zu den Besten der Welt verringern zu können, in Erfüllung ging, war die Enttäuschung der Brüder allerdings rasch verflogen. Im Gegenteil: Der Rückstand von knapp 80 Sekunden auf Platz vier hat ihnen gezeigt, dass sie mit der Weltspitze besser mithalten können als je zuvor.
"Wir haben namhafte Gegner hinter uns lassen können", sagte Marcel Paufler – eine Tatsache, die beiden viel Motivation für die kommende Saison gebracht hat. Bis Mitte Oktober werden sie es im Training und Wettkampf nun ruhiger angehen lassen, dann beginnt bereits ihre – hoffentlich ungestörte – Vorbereitung für 2026. In diesem Jahr hatte Sven Paufler lange mit Rückenproblemen zu kämpfen, sodass der gemeinsame WM-Start mit seinem Bruder zwischenzeitlich sogar gefährdet schien.
Im ungarischen Györ zeigte sich jetzt: Das neue Boot macht die Bremer konkurrenzfähiger. Im August hatten sie den Zweier, der mit seinen gut zwölf Kilogramm Gewicht etwa drei Kilogramm leichter und daher wesentlich schneller zu fahren ist als der Vorgänger, nach einer feierlichen Taufe übernommen. Ohne größere Eingewöhnungsprobleme bewährte sich der Zweier auf Anhieb. "Vor allem in engen Wendungen haben wir vom neuen Boot profitiert, wir hatten richtig Zug nach vorne", sagte Sven Paufler.
So sah es zu Beginn der letzten Runde für die Pauflers noch nach ihrem besten WM-Abschneiden aller Zeiten aus. Sie hatten Kontakt zu der Gruppe, die Platz vier unter sich ausmachen würde. Doch dann verpassten sie eine Welle, auf der sie der Konkurrenz hätten folgen können. Ähnlich wie der Windschatten beim Radfahren, benötigt ein Team auf der richtigen Welle weniger Kraft, um das Tempo mitzugehen – die Welle verschafft den Aktiven so Kraftreserven für den Endspurt. "Da entscheidet sich dann, ob du als Sechster oder als Zehnter ins Ziel kommst", sagte Marcel Paufler.
Ein südafrikanisches Duo, das vor der letzten Runde noch zeitgleich mit den Bremern war, fuhr auch dank so einer Welle auf Rang sechs vor, während die Pauflers abreißen lassen mussten. Derweil kämpften die drei überlegenen Boote an der Spitze unangefochten um den Sieg. Den sicherte sich ein portugiesisches Duo nach 1:54:00,62 Stunden mit gut einer Sekunde Vorsprung vor einem dänischen und gut drei Sekunden vor einem ungarischen Paar.
Platz 17 im Short-Race-Einer
Weil Marcel Paufler seinen WM-Fokus vor allem auf den Zweier mit seinem Bruder legte, hatte er auf den Start im Kanumarathon-Einer verzichtet, der einen Tag zuvor auf dem Programm gestanden hätte. Doch auch für das Kurzstreckenrennen, das sogenannte Short Race über 3,6 Kilometer und diesmal drei statt gewohnter nur zwei Portagen, hatte sich Marcel Paufler qualifiziert.
Ähnlich wie im Zweier, haderte der 30-Jährige mit seiner Abschlussplatzierung. Relativ locker hatte er sich als Neunter des zweiten Vorlaufs für das Finale qualifiziert. Doch im Endlauf schaffte er es nicht, gegen die überwiegend sprintstärkeren Konkurrenten in der zweiten und dritten Runde noch Plätze gutzumachen. "Je weiter hinten im Feld man unterwegs ist, desto mehr muss man mit den Wellen der Gegner kämpfen", sagte Marcel Paufler. Am Ende musste er sich nach 14:35,06 Minuten mit Platz 17 begnügen – 57,95 Sekunden hinter dem neuen Weltmeister Fernando Pimento (13:37,11 Minuten), der damit seinen zweiten Titel gewann. Wie im Zweier zog der Däne Mads Pedersen (13:38,03) auch im Short Race als Zweiter knapp den Kürzeren. Wenigstens im Einer auf der 29,2 Kilometer langen Langstrecke konnte Pedersen sich die Goldmedaille sichern.
"Wir können mit der WM sehr zufrieden sein", resümierte Marcel Paufler, "mit dem neuen Boot hat sich das Rennen sehr gut angefühlt." Er wird die Aufzeichnung des Zweier-Rennens mit seinem Bruder in aller Ruhe studieren – auch im Hinblick auf die Renntaktik. Vielleicht schafft es das Duo im kommenden Jahr, mit dem wendigeren neuen Boot und veränderter Taktik nicht nur schneller zu paddeln, sondern dann auch mehr Konkurrenten hinter sich zu lassen. Der Ehrgeiz bei den Pauflers ist in Györ jedenfalls neu geweckt worden.