So, jetzt kann er, sagte Nils Politt, auch mit Josef Christen auf Augenhöhe reden. Christen war einst ein erfolgreicher Rennfahrer, ist seit zehn Jahren Ehrenmitglied bei seinem RV Komet-Delia Köln. Zu seinen Erfolgen zählt dabei auch der Triumph beim Bremer Sechstagerennen 1986. Politt ist in der Nacht auf Mittwoch der nächste Rennfahrer mit Heimatverein RC Komet-Delia gewesen, der sich in Bremen in die Siegerliste hat eintragen lassen können. Er siegte mit dem Belgier Kenny De Ketele.
Es wird wahrscheinlich ein wenig dauern, bis Nils Politt dem Ehrenmitglied berichten kann, wie er das gemacht hat. Gleich nach dem Bremer Rennen steht ein Trainingslager auf Mallorca an, die Vorbereitung auf die Frühjahrsklassiker läuft. Politt, der jetzt für das Team Israel Cycling Academy fährt, war letztens bei Paris - Roubaix Zweiter. Er will da mal gewinnen bei diesem Höllenritt über übelstes Kopfsteinpflaster. Das wäre, nun ja, das wäre der Hammer.
Wie er das in der Nacht auf Mittwoch in der ÖVB-Arena gemacht hat, das war für die, die es gesehen haben, auch der Hammer. Mit einer Doublette, also zwei Rundengewinnen hintereinander, hatten Politt und De Ketele die Konkurrenz geplättet. Die Initialzündung für diesen Gewaltritt ganz am Ende kam dabei von Politt. Er wollte sich nicht auf einen alles entscheidenden Zielsprint einlassen. Er ist nicht der stärkste Sprinter im Feld.
Der Clou mit der Doublette
Er ist aber der Tour-de-France-Fahrer im Feld gewesen, der Mann mit der wohl größten Rennhärte. Der Mann mit der größten Power am Schluss. „Meine Beine wurden von Tag zu Tag besser“, sagte er. Der Mann von der Straße hatte wohl etwas, was die Bahnfahrer nicht hatten. So konnte er ein Mann für gewisse Minuten sein. „Diese Frische hintenraus“, das sei vielleicht ein Vorteil gewesen, den er als gestählter Straßenfahrer hatte nutzen können auf der Bahn. „Man hat gesehen“, sagte der Zweitplatzierte, Weltmeister Theo Reinhardt, „wer das stärkste Team auf der Bahn war mit der Doublette am Ende.“
Am Ende war es so: Er habe zwischen Doubletten-Runde eins und zwei, so erzählte es Nils Politt hinterher, ein wenig Abstand gelassen zum Hauptkontrahenten Theo Reinhardt. Dann habe er schön hochfahren können auf der steilen Bremer Bahn und habe seinen Partner beim Wechsel schwungvoll nach vorn katapultiert. Wie eine Kanonenkugel sei er rausgedonnert worden, sagte Kenny de Ketele anschließend. Er konnte quasi nicht anders.
Er musste jetzt versuchen, diese von Politt angezettelte Doublette durchzuziehen. Prinzip: mitgegangen, mitgefangen. „War eine gute Taktik“, sagte der Belgier, „hat aber auch viel Schmerzen gemacht.“ Der Sixdays-Routinier konnte zufrieden auf die Siegerliste schauen. Nach 2016 und 2018 hat er nun zum dritten Mal in Bremen gewonnen. Das sei so okay, wenn er alle zwei Jahre in Bremen gewinnt, sagte er grinsend.
Wie oft der 25 Jahre alte lebenslustige Kölner Nils Politt in Bremen noch gewinnen wird, weiß natürlich niemand. Zur Freude des Publikums sagte er nach der Siegerehrung ins Hallen-Mikrofon, dass sich vielleicht in den Vertrag mit Israel Cycling Academy einarbeiten lässt, dass er im Januar nach Bremen kommen dürfte. „Dann komme ich zurück“, versprach er. Dass er das Zeug zu einem Publikumsliebling hat, steht seit diesem Jahr wohl fest.
So, wie als gesicherte Erkenntnis gelten darf, dass er gern nach Bremen kommt, wo er vor fünf Jahren sein erstes von bislang drei Sechstagerennen bestritt und an der Seite von Achim Burkart auf Rang acht noch 19 Runden Rückstand auf die Sieger hatte. Diesmal brauchte er ein wenig, um sich an der Seite des erfahrenen wie leistungsstarken Sixdays-Piloten Kenny De Ketele einzugrooven. „Es war eine große Challenge, mit Nils zu fahren. Es hat ein bisschen Zeit gekostet, aber er ist ein Riesenrennfahrer.“
Der von Tag zu Tag stärker wurde. Und sich zwei Dinge vornahm: Er wollte mit seinem Partner mal eine Doublette fahren – und wollte in der ÖVB-Arena auch ordentlich abfeiern während der Veranstaltung. Nach der Veranstaltung blieb dazu ja keine Zeit mehr, wegen des Mallorca-Trainingslagers. Das mit dem Feiern war bald umgesetzt. Um es mal so zu sagen: Nils Politt war während der 56. Bremer Sixdays kein Fahrer, der ausschließlich im Kreis gefahren ist.
Das mit der Doublette war dann deutlich schwerer umzusetzen. „Aber ich wollte hier unbedingt eine fahren“, sagte er. Bereits am Sonnabend hätte er es versucht. Habe nicht geklappt. Am Dienstag klappte es. Erst schleuderte er Kenny De Ketele heraus, dem die doppelte Runde dann nach eigener Darstellung große Schmerzen bereitete. Damit habe sein Partner dann klarkommen müssen. Ihm habe die Aktion auch „ziemlich wehgetan“, sagte Nils Politt. Aber er wusste ja, wofür es gut war.