An diesem Mittwoch ist Olga Vasilkova warm geworden ums Herz, wieder einmal. Sie nennt es ihren Lieblingsmoment, wenn sie in ihrem Atelier in Carlsberg im Pfälzerwald ihren Schaufensterpuppen die neu geschneiderte Kleidung anzieht, die Figuren paarweise nebeneinander aufreiht und ihr Werk betrachtet. Die Arbeit ist getan; die individuell maßgerecht angefertigte Kleidung wird nun zeitnah ausgeliefert. "Das ist immer etwas sehr Besonderes", sagt Olga Vasilkova. Sie genießt diesen Augenblick – und ist zugleich voller Vorfreude, das von ihr entworfene Outfit schon ganz bald auf der Tanzfläche erleben zu können.
Olga Vasilkova ist selbstständige Designerin. Sie entwirft und gestaltet Kleidung für Sportler. Voltigierer sind ebenso darunter wie Rock'n'Roll-Gruppen, Paartänzer oder Formationen. Es ist spezielle Kleidung. Funktional muss sie sein. Und sie muss vor allem eins: gut aussehen. Zu ihren Kunden gehört unter anderem die Lateinformation des Grün-Gold-Clubs Bremen. Seit vier Jahren arbeitet die gebürtige Ukrainerin mit dem amtierenden Weltmeister zusammen. Ihr erstes Set hat Vasilkova zur Bremer Choreografie "Music is the key" geschneidert, mit der das Team 2019 Weltmeister geworden ist. Und sie hat auch das schwarz-weiße Dress zur Choreografie "Emozioni" entworfen, mit der Grün-Gold 2021 und 2022 den WM-Titel geholt hat.
Olga Vasilkova stammt aus einer Künstlerfamilie. Ihr Vater war in der Sowjetunion ein bekannter Bildhauer. Schon als Schülerin entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Nähen und befasste sich mit Schnittmustern. Zudem kommt die Designerin auch selbst aus dem Tanzsport. Vasilkova hat eine klassische Ballettausbildung genossen und war viele Jahre im Paartanz aktiv. Ein neunter Platz bei der Europameisterschaft der Profis war ihr bestes Resultat. Sie besitzt einen Trainerschein, hat zwischenzeitlich einen eigenen Tanzklub geleitet, Paare und Formationen gecoacht und ist als Wertungsrichterin im Einsatz. Vasilkovas Blick ist also gleich in mehrerer Hinsicht gut geschult für ihre Tätigkeit als Designerin. Sie kann sich gut reinfühlen in die Musik und in die Bewegungen. Und sie weiß, dass die Kleidung bei Hebefiguren oder beim Roundabout nicht stören darf.
Man habe viele Aspekte zu berücksichtigen, sagt sie. Der Weg zu einem neuen Outfit ist indes noch viel komplexer. Das erahnt man, wenn man Olga Vasilkova zuhört. Wenn sie von Inspiration spricht, von Kreativität. Von Silhouetten und Visionen. "Wenn ich die Musik zum ersten Mal höre, entwickelt sich eine grobe Idee für den Look, für die Message und für die Farben", schildert Vasilkova. Aus ganz vielen Facetten und in Absprache mit den jeweiligen Trainern entstünde dann daraus ein Gesamtbild. "Die italienischen Tenöre bei Emozioni zum Beispiel sind große, stolze Männer", sagt die zweifacher Mutter. "Dazu passt luxuriöse Weiblichkeit." Und eben diese Eindrücke spiegelt auch die Kleidung wider.
In dieser Woche hat die 47-Jährige nun das Outfit fertiggestellt, mit dem sich der Grün-Gold-Club erstmals bei der am 12. November in der Bremer ÖVB-Arena anstehenden Deutschen Meisterschaft präsentieren wird. "Das ist jetzt Emozioni 2.0", sagt Olga Vasilkova. Was durchaus eine Herausforderung gewesen sei, weil Thema und Musik nicht verändert wurden. "Es darf nicht gleich aussehen und muss insgesamt noch besser werden – das ist der Anspruch." Mit dem Ergebnis zeigt sich Olga Vasilkova vollauf zufrieden. "Wir haben das gut gelöst", sagt sie.
Das neue Bremer Outfit, so viel darf an dieser Stelle verraten werden, wird etwas farbiger sein, etwas auffälliger. Vasilkova hat dabei auch einen goldenen Akzent gesetzt, "passend zum Vereinsnamen und zu den Zielen des Klubs", sagt sie. Neben der Leidenschaft zum Tanzsport sei die Mode schon immer ihr zweites Standbein gewesen, erzählt Vasilkova, die 1999 in Haifa/Israel ihr erstes Atelier eröffnet hat und seit 2001 in Deutschland heimisch ist.
Am kommenden Freitag reist die Designerin nun aus Carlsberg nach Bremen. Sie bringt ihre Bügelstation mit und ihren Nähkasten. "Es muss immer noch die eine oder andere Änderung vorgenommen werden", sagt Vasilkova. Das gelte vor allem für die Hosen der Männer, "die werden in den letzten zwei, drei Wochen so gedrillt, dass der Hosenbund noch enger gemacht werden muss."
Beim Wettkampf am Sonnabend wird sie dann in der ÖVB-Arena sein, um sich vor Ort ein Bild davon zu machen, wie "Emozioni 2.0" beim Publikum ankommt. Um zu schauen, wie das Outfit im Gesamtbild auf der Tanzfläche wirkt. Um zu prüfen, ob die eigene Vision gut war. "Und natürlich wünsche ich mir dann auch, dass meine Formation erfolgreich ist", betont Olga Vasilkova. "Schließlich baut man eine emotionale Bindung auf, man lebt und fühlt mit dem Team."
Bei der Weltmeisterschaft in Braunschweig Mitte Oktober galt das übrigens gleich in doppelter Hinsicht. Schließlich hat Vasilkova nicht nur die Kleidung für den Latein-Weltmeister Grün-Gold-Club Bremen entworfen, sondern auch für den Standard-Weltmeister TSC Braunschweig. "Zwei Weltmeister an einem Abend – mehr geht nicht", sagt Olga Vasilkova. Auch das war ein Moment, der ans Herz ging.