Es ist der Traum vieler Kinder in der Region: von Werder Bremen als Fußball-Talent entdeckt zu werden. Wie genau das passieren kann und worauf es dabei ankommt, das war am Montag Thema im Weserstadion. Werders Nachwuchsscouting-Koordinator Tobias Süveges referierte darüber vor Trainern bei der regionalen Fortbildung des "Bundes Deutscher Fußball-Lehrer".
Auch wenn so ein Profi-Verein wie Werder eine enorme Anziehungskraft auf Kinder und Jugendliche hat und eine Menge in das Nachwuchsscouting investiert, machte Süveges deutlich, wie behutsam der Klub in den jüngeren Jahrgängen mit dem Scouting umgeht: „Sich der Verantwortung gegenüber den Eltern und den Kindern bewusst zu sein, ist superwichtig – weil wir es hier natürlich immer mit großen Träumen zu tun haben.“
Werder beobachtet in der Region unter seiner Regie Spiele und Spieler von der U 9 bis zur U 16, und das vom Dorfverein bis zur Auswahlmannschaft. Deshalb ist es für den Verein nicht nur wichtig, interessante Spieler zu entdecken oder im Blick zu behalten – es ist genauso wichtig, die Personen zu finden, die Spieler finden können. Auf eine ausgeschriebene Praktikantenstelle im Jugendscouting erhält der Verein bis zu 70 Bewerbungen, doch die Ansprüche an diese Mitarbeiter sind hoch: Idealerweise sollten sie selbst im Profibereich gespielt und eine Trainerausbildung haben, und ein profundes Wissen im Nachwuchsfußball ist ebenso gefragt wie zeitliche Flexibilität. Denn das Jugendscouting findet meist am Wochenende statt, aber oft nur als Nebenjob – und es geht nicht nur um das Beobachten von Spielern, sondern auch um eine saubere Dokumentation in der Datenbank, damit der Verein mit den Ergebnissen arbeiten kann.
Kein Sprungbrett zum Profi-Scout
Wer das als Sprungbrett für einen Job als Scout im Profibereich ansieht, liegt falsch: Gerade im breit gefächerten Jugendfußball möchten sich Vereine Spezialisten ausbilden, die hier über Jahre wertvolle Arbeit leisten. Einzelkämpfer sind als Scout nicht gefragt, die Abteilung versteht sich als Team und stimmt viele Bewertungen auch untereinander ab, damit die Ergebnisse vergleichbar sind.
Dass Werder schon ab der U 9 intensiv scoutet, bedeutet nicht, dass der Verein auch Spieler in diesem Alter von anderen Vereinen verpflichtet: Das ist erst in einem älteren Jahrgang vorgesehen, ab der U 11. „Aber im Idealfall“, so erklärt es Süveges, „kennen wir den Spieler und sein Umfeld dann schon ein oder zwei Jahre.“ Zudem geht es darum, jüngeren Spielern zusätzliches Training zu ermöglichen. Es gibt talentierte Kinder, die nur einmal pro Woche in ihrem kleineren Verein trainieren – weil keine Halle zur Verfügung steht oder weil die Eltern das Kind nicht öfter bringen können. Für solche Kinder bietet Werder in Einzelfällen zusätzliches Training in den Talenten-Teams des Vereins, um ihre Entwicklung zu fördern.
Was viele verkennen: Vereine wie Werder suchen eher nicht die aktuell besten Spieler ihres Jahrgangs, sondern die Spieler mit dem wahrscheinlich besten Entwicklungspotenzial. Zwei Nachwuchsspieler können zwar in einem Jahrgang spielen, aber ihre körperliche Entwicklung und damit ihr biologisches Alter können um bis zu sechs Jahre auseinanderliegen. Lange war es im deutschen Fußball so, dass die körperlich weiter entwickelten Spieler besonders gefördert wurden oder die Talente, die früher im Jahr geboren wurden. Inzwischen gehen erste Profiklubs dazu über, die Spieler nicht mehr nach ihrem Geburtsjahr zu sortieren, sondern nach ihrem biologischen Alter. Das schützt davor, Spieler zu gut einzuschätzen, nur weil sie körperlich etwas weiter sind. Und es hilft den Talenten, die später geboren wurden oder erst später einen Wachstumsschub bekommen. Denn es geht nicht darum, was ein junger Spieler heute leistet – sondern was er in vier oder fünf Jahren vielleicht leisten kann.
Dabei spielen viel mehr Faktoren eine Rolle als die Leistung in einem Spiel: der Ehrgeiz, die Mentalität, das Laufvermögen, die Bereitschaft zum Lernen und das positive Verhalten in der Gruppe. Auch die Größe der Eltern kann wichtig sein – so war es auch bei Nationaltorhüter Manuel Neuer. Der wäre in der Jugend des FC Schalke beinahe aussortiert worden, weil er nicht schnell wuchs. Weil er aber große Eltern hatte, durfte er bleiben – er machte einen Schuss und wurde der beste Torwart der Welt.
Die absoluten Toptalente kennt ohnehin jeder Profiklub in Deutschland, und auch alle sonstigen Auswahlspieler wurden schon gescoutet. Deshalb schaut Werder gerne auch bei kleineren Vereinen in der Region, wo sich ein Spieler vielleicht erst später entwickelt. Ein Beispiel ist Eren Dinkci, der mit 17 Jahren zum Verein kam. Vorher beobachtete ihn Werder viele Jahre, doch von seiner Entwicklung schien er nicht weit genug für ein Nachwuchsleistungszentrum. Mit 17 änderte sich das – und Werder kannte den Spieler und sein Umfeld nun bereits in- und auswendig.
Es komme eben auch auf den Zeitpunkt an, betonte der Scoutingexperte. Ein Schulwechsel oder die familiäre Situation könnten Gründe sein, einen jungen Spieler noch nicht zu Werder zu holen. Ein Probetraining steht erst ganz am Ende des Scoutingprozesses: Werder kennt die Kandidaten dann schon ziemlich gut, die eingeladen werden. Genau deshalb haben sie ja ihre Scouts im Nachwuchsbereich.