Der 2. Juni 2024 ist ein sehr besonderes Datum in der Tanzsportkarriere von Tina Zettelmeier und Benjamin Eiermann. An dem Sonntag nämlich hat das Duo des Grün-Gold-Clubs Bremen den Weltmeistertitel in der Altersklasse Senioren II Latein gewonnen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen mit einem vierten, zwei dritten und einem zweiten Platz hat sich das Paar bei der im Rahmen des Dance Sport Festivals in Bremen ausgetragenen WM endlich den Titel gesichert. Für die fünfmaligen Deutschen Meister war dieser Triumph vor heimischer Kulisse im Hansesaal des Congress-Zentrums an der Bürgerweide quasi die Krönung ihrer Laufbahn.
Der 5. Juli 2024 wird nun auch ein besonderes Datum in der Karriere von Zettelmeier/Eiermann werden. An diesem Freitag nämlich werden sie sich zum letzten Mal als Tanzpaar der Öffentlichkeit präsentieren. Als frisch gekürte Weltmeister werden sie noch ein Turnier zusammen bestreiten – danach geht das erfolgreiche Gespann getrennte Wege. Für diesen letzten gemeinsamen Auftritt haben sich Tina Zettelmeier und Benjamin Eiermann einen ganz besonderen Rahmen ausgesucht: Sie starten bei der Dance-Comp in der historischen Stadthalle von Wuppertal.
Showtreppe mit rotem Teppich
Mit 18 international besetzten WDSF-Turnieren und weiteren 69 offenen DTV-Turnieren im Standard- und Lateinbereich ist die dreitägige Dance-Comp nicht nur eine der größten Tanzsportveranstaltungen in Deutschland, sie bietet überdies auch ein ganz spezielles Ambiente. So betreten die Paare das Parkett im großen Saal über eine mit einem roten Teppich ausgelegte Treppe und werden dabei dem Publikum namentlich vorgestellt. Das Grün-Gold-Paar kennt dieses Flair in Wuppertal. Im Juli 2018 haben Tina Zettelmeier und Benjamin Eiermann dort ihr erstes gemeinsames Turnier in dieser Altersklasse bestritten. Sie haben dabei auf Anhieb das Finale erreicht und Platz vier belegt. Ein Jahr später wurden sie Zweite und standen nach der coronabedingten Turnierpause an diesem Ort zuletzt sogar zweimal ganz oben auf dem Siegerpodest. "Ich möchte noch einmal diese Showtreppe herunterkommen", sagt Tina Zettelmeier. "Und ich würde dieses Turnier zum Abschluss auch gerne noch einmal gewinnen."
Hinter Zettelmeier/Eiermann liegt ein sehr intensives Jahr. Sie haben viel investiert, Zeit, Energie und auch Geld, um ihren großen Traum vom WM-Triumph im eigenen Land zu verwirklichen. Eigentlich hatte Benjamin Eiermann schon im Herbst vergangenen Jahres einen Schlussstrich ziehen wollen, als es in Rotterdam nur WM-Silber gab und der riesige Aufwand in einer ebenso riesigen Enttäuschung gipfelte. Die Aussicht, für den Grün-Gold-Club beim Heimturnier in Bremen Weltmeister werden zu können, habe ihn dann aber umgestimmt, sagt Eiermann. "Das war für mich der Anreiz, noch einmal Gas zu geben." Bis hierhin. Bis zum WM-Titel – und bis zu diesem Finale in Wuppertal.
Der Zeitpunkt des Abschieds steht also, die Entscheidung ist unumstößlich. "Es war eine tolle Reise mit Tina. Ich bin ihr sehr dankbar dafür – aber jetzt geht diese Reise zu Ende", sagt Benjamin Eiermann. Der 46-Jährige arbeitet in und um Mannheim in verschiedenen Studios als selbstständiger Fitnesstrainer. An bis zu sieben Tagen pro Woche leitet er 28 Sportkurse und vier Tanzkreise. Zwischendurch bereitet er sich vor, bildet sich fort, erarbeitet neue Choreografien und erledigt Büroarbeit. All das wird ihn auch künftig ausfüllen. Aber er muss für sich selbst fortan in den Mittagsstunden keine Trainingsstunden mehr einbauen. Er muss sich nicht mehr regelmäßig die Wochenenden freischaufeln für Lehrgänge, Trainingscamps oder Turniere im In- und Ausland.

Ein letztes Turnier noch: Am 5. Juli starten Benjamin Eiermann und Tina Zettelmeier bei der Dance-Comp in Wuppertal.
"Das Pensum war heftig", sagt "Benni" Eiermann. "Um das so durchzuziehen, muss man schon ein bisschen verrückt sein." Zuletzt habe er überhaupt kein Privatleben mehr gehabt. "Es war ein Ritt, der mich physisch und psychisch an die Grenzen gebracht hat", erklärt der 46-Jährige. Anstrengend sei es gewesen, aber eben auch erfolgreich. "Wir haben national und international alles erreicht – darauf können wir stolz sein", sagt Eiermann. Als etwas pummeliger Teenager sei er einst mit 16 Jahren durch einen klassischen Tanzkurs zum Tanzsport gekommen. "Das war damals wie ein Aha-Erlebnis und hat meine Leidenschaft geweckt." 30 Jahre später tritt er nun als Weltmeister ab und freut sich in erster Linie auf mehr freie Zeit. Auf Zeit für seine Eltern und für seinen Freundeskreis. Zeit, um auch mal einfach so zu verreisen.
Etwas anders ist die Gemütslage derweil bei seiner Partnerin. "Je näher dieser Termin in Wuppertal rückt, umso mehr schnürt mir der Gedanke daran die Kehle zu", sagt Tina Zettelmeier. Sie ist der ältere Part in diesem Duo, am 10. Juli wird sie 52. Aber aufhören? Das möchte sie eigentlich noch nicht. "Warum auch?", fragt sie. Tanzen sei ihre Lieblingsbeschäftigung. Sie sei gesundheitlich topfit, habe die volle Unterstützung von ihrem Mann Carsten und bekomme das auch mit ihrem Job als Flugbegleiterin bei der Lufthansa gut unter einen Hut. "Also", fragt sie noch einmal, "warum soll ich aufhören?"
Tina Zettelmeier hat also für sich einen Entschluss gefasst. Sie möchte zunächst einmal versuchen, diesen letzten Auftritt mit "Benni" Eiermann bestmöglich zu gestalten. Und zu genießen natürlich. Ohne den Druck, den sie zuletzt bei der WM in Bremen verspürt habe. Dafür mit viel Leichtigkeit und Spaß. Und nach der Comp, sagt sie, werde sie sich auf Partnersuche begeben. Das werde kein leichtes Unterfangen, ahnt Zettelmeier. Schließlich soll es ein Partner sein mit Niveau, mit Ausstrahlung. Einer, der auch die großen Bühnen kennt und bereit ist, Pensum und Wege mitzugehen. "Vielleicht scheitert es daran", sagt Zettelmeier. "Aber ich möchte ungern von vorne anfangen."
Viel Lob für den Grün-Gold-Club
Wenn Tina Zettelmeier tatsächlich einen passenden Partner finden und ihre Tanzsportkarriere fortsetzen sollte, will sie dies unbedingt für den Grün-Gold-Club Bremen tun. Auch das hat sie für sich beschlossen. "Der GGC ist das Beste, was uns, was mir passieren konnte", sagt die 51-Jährige, die seit eineinhalb Jahren die Klubfarben vertritt. Der Grün-Gold-Club sei eine wundervolle Familie, noch nie habe sie solch eine Unterstützung erfahren wie in Bremen. "Man hat hier immer einen Ansprechpartner und findet immer eine Lösung", sagt die in Bensheim in Südhessen lebende Zettelmeier. "Für mich kommt kein anderer Verein mehr in Frage."