Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Stabwechsel im Schwimmverband "Es gab einfach zu viel Egoismus"

Der Austausch mit den Vereinen hat ihn am Ende frustriert. Er sieht den Wechsel an der Spitze des Bremer Schwimmverbandes als Chance, sagt Stephan Oldag im Interview mit ihm und Nachfolgerin Helga Beste.
03.05.2023, 10:57 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Olaf Dorow

Frau Beste, mussten Sie als Bremens neue Schwimmpräsidentin sozusagen ins kalte Wasser springen?

Helga Beste: Ich würde sagen, es ist ein Sprung ins lauwarme Wasser. Ich bin selbst Schwimmerin und kenne einiges aus eigener Anschauung. Es ist aber nicht ganz so schön warm, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Hinter der Verbandsarbeit stecken viele Dinge, die man erst überblicken kann, wenn man selbst drinsteckt.

Was wären das für Dinge, Herr Oldag?

Stephan Oldag: Viele. Wir haben zunächst das große Thema Bädersituation in Bremen. Es geht darum, welche finanziellen Mittel den Vereinen zur Verfügung stehen, um den Übungsbetrieb aufrechtzuerhalten. Da ist zuletzt viel passiert. Was meine Position betrifft, bin ich jedoch sehr frustriert gewesen in letzter Zeit.

Weswegen?

Oldag: Es gab wenig Solidarität unter den Vereinen. Wir haben als Landesverband immer versucht, wirklich gute Möglichkeiten zu schaffen. Aber es gab einfach zu viel Egoismus. Das hat mich am Ende dazu bewogen, dass ich gesagt habe: Nein, ich kann das nicht durchdringen. Einige Vereine versuchen, nur an sich zu denken. Sie schaffen es nicht, mal über den Tellerrand zu schauen.

Über Vereinsmeierei wird schon seit Jahrzehnten in Bremens Schwimmszene gesprochen. Sehen Sie das als Nachfolgerin an der Verbandsspitze ganz entspannt? Weil Sie sich sagen: Ich bin da ja unvorbelastet?

Beste: Ich habe den Vorteil, dass ich nicht belastet bin von jahrzehntelangen Verbindungen. Ich mache mich zunächst mal aus Begeisterung zum Sport an die Aufgabe. Das ermöglicht mir einen Austausch mit den Vereinen, der nicht zu sehr von Emotionen geprägt ist. Umgekehrt spüre ich bei den Vereinen eine ganz große Bereitschaft, ins Gespräch zu kommen und mitzuarbeiten. Ich hoffe, dass ich diesen Vertrauensvorschuss auch nutzen kann. 

Lesen Sie auch

Machen Sie sich jetzt eine Liste? Nach der Art: Zu diesen Sorgenkindern unter den Vereinen sollte man zuerst gehen?

Oldag: Ich muss das mal ergänzen. Also, mein Amt war davon gekennzeichnet, dass ich sehr allein war. Man hat zwar gesehen, wie viel Arbeit das bedeutete, aber man hat mich nicht unterstützt. Mit der Ankündigung, dass ich aufhöre, haben die Vereine sich zusammengetan. Sie haben – wohl auch aus der Betroffenheit heraus – ein Präsidium gebildet, das auf vielen Positionen besetzt ist, auf denen es nicht besetzt war. Sie kommen jetzt dem nach, worum ich immer gebeten habe: den Verband zu unterstützen.

Beste: Ich werde zu allen Vereinen hingehen und werde auch alle gleich behandeln. Und ich habe das große Glück, dass ich drei Mitstreiter habe, die Stephan nicht hatte. Den Vizepräsidenten Friedhelm Struthoff, den Fachwart Leistung, Oliver Poek, und die Fachwartin für Freizeit- und Gesundheitssport, Sabine Pieper.

Herr Oldag, können Sie mal ein Beispiel nennen für den angesprochenen Vereinsegoismus?

Oldag: Es kann zum Beispiel nicht sein, dass in Corona-Zeiten zwei Vereine einen Wettkampf machen und die anderen ausschließen. Wir hatten am Beginn der Pandemie uns gegenseitig versprochen, dass wir zusammenarbeiten. Es war ja unheimlich schwierig, den Zugang zu den Bädern zu organisieren. Mit all den Sonderregelungen, Verzicht aufs Duschen, Einbahnstraßen-Modellen in den Umkleiden und so weiter. Wir wurden anderswo beneidet und gefragt: Wie macht Ihr das in Bremen, dass Ihr immer noch schwimmen dürft?

Hört sich doch solidarisch an...

Oldag: Dann fingen die ersten Vereine an auszuscheren. Sie haben versucht, mit dem Sportamt eigene Regelungen hinzubekommen, auch im Wettkampfbereich. Das hat mich frustriert, wir wollten doch zusammenarbeiten. Für alles allein verantwortlich zu sein, hat für mich bedeutet: Ich habe keine Freizeit mehr gehabt. Keine Möglichkeit, für einen Abend mal irgendetwas anderes zu machen. Das wollte ich einfach nicht mehr.

Bremens Schwimmvereine habe sich in der Pandemie eher entzweit als sich zusammengerauft?

Oldag: Ja, aber das hat auch mit meiner Person zu tun. In Bremen war die Szene schon immer polarisiert. Ich wollte für alle da sein, habe ganz bewusst meine Position im Verein aufgegeben. Aber das hat nicht gefruchtet.

Kriegen Sie jetzt doch etwas mehr Respekt vor den Alphatieren in einigen Vereinen, Frau Beste?

Beste: Die gibt es auf jeden Fall, das ist unbestritten. Ich finde es auch, sagen wir mal: spannend, dass die Führung überwiegend in Männerhand ist. Ich bilde mir aber ein, dass ich einen ganz guten Draht zu den Menschen bekomme. Ich merke, dass mir sehr viel Wohlwollen entgegenkommt.

Oldag: Und ich sehe das als Chance. Es ist nicht so, dass ich total frustriert aufgebe. Das Buch wird neu aufgeschlagen, niemand muss sich an mir abarbeiten. Ich bin froh, wie diese Übergänge gelaufen sind, und stehe Helga auch weiterhin gerne beratend zur Seite.

Beste: Wofür ich sehr, sehr dankbar bin.

An welchem Punkt sehen Sie den Bremer Schwimmsport aktuell?

Beste: Wir haben definitiv zu wenig Wasserfläche für die Vereine. Wir brauchen mehr Möglichkeiten zum Training. Mit dem Westbad haben wir ein großes Bad verloren und müssen umschichten (das Westbad in Walle soll bis Ende 2025 neugebaut werden, d. Red.). Die Bremer Hallen sind größtenteils alt, viele müssen saniert werden. Da passiert auch viel, das muss man der Bremer Bäder-GmbH zugute halten. Ich hoffe, dass das so weitergeht.

Lesen Sie auch

In der Pandemie haben noch weniger Kinder schwimmen gelernt als zuvor. Steht das ganz oben auf Ihrer Agenda?

Beste: Das steht ganz bestimmt oben. Auch wenn es die Agenda in festgeschriebener Form noch nicht gibt. Wir müssen im neuen Präsidium schauen, was machbar ist. Wir haben keine Riesen-Pfründe zur Verfügung. Ich habe auch das Gefühl, dass wir an vielen Stellen erst mal in den internen Bereich 'reinmüssen. 

Was heißt das?

Beste: Das heißt, dass vieles gewachsen ist. Ich höre sehr oft: Das war schon immer so. Das ist ein Satz, den ich nicht besonders gut leiden kann. Der kommt gleich hinter: Das klappt sowieso nicht. Das muss ich für mich systematisieren. Wir müssen da 'ran, brauchen zum Beispiel eine neue Satzung. Sie entspricht nicht mehr den Gegebenheiten und ist in sich widersprüchlich. Dazu kommen die inhaltlichen Themen: das Schwimmenlernen, der Leistungssport. Wir haben das noch nicht priorisiert. Nicht zu vergessen: Es ist für uns alle ein Ehrenamt.

Das Sie zeitlich ähnlich in Anspruch nimmt wie Ihren Vorgänger?

Beste: Im Moment fühlt es sich noch nicht wie ein Ehrenamt an. Ich sitze da oft noch bis Mitternacht, um die letzten Mails rauszuschicken. Wir sind jetzt gerade mal einen guten Monat im Amt und dabei, eine gründliche Bestandsaufnahme zu machen. Wir haben die Landesmeisterschaft genutzt, um zu schauen, wie das Leistungsniveau im Nachwuchs ist. Ohne zu wissen, wie die Ausgangslage ist, kann man keine Ziele festtackern.

Oldag: Was die Nichtschwimmer-Quote betrifft, muss man sich einfach noch mal vergegenwärtigen: Es gab in der Pandemie auch Phasen, wo wir nicht in die Hallen kamen. Der Bedarf ist unheimlich hoch. Die Politik versucht, das zu deckeln über ihre Bäder-Gesellschaft. Und vergisst dabei ein bisschen den Anteil, den die Vereine tragen. Man muss der Politik sagen: Sorgt dafür, dass wir diesen Spielraum kriegen, um die Vereine bei der Schwimmausbildung unterstützen zu können.

Thema Leistungsschwimmen: Wie kann es vorankommen, wenn das Unibad vorm Aus steht?

Beste: Naja, wir haben ja das Horner Bad...

...Aber es gibt genug Stimmen aus der Szene, die sagen: Es bietet weniger statt mehr Möglichkeiten.

Beste: Es bietet zumindest weniger Möglichkeiten, Wettkämpfe vor Publikum auszutragen.

Oldag: Dass wir keine Tribünen haben, das tut richtig weh.

Beste: Ja, das finden wir fatal. Aber: Der Leistungssport besteht nicht nur aus Wettkämpfen, das ist sozusagen nur die Kirsche auf der Torte. Zunächst mal müssen wir die Bedürfnisse der einzelnen Player zusammenbringen. Also, die der Vereine und die der Schule Ronzelenstraße. Die Trainingsmöglichkeiten, die sind auf jeden Fall da mit dem Horner Bad. Aber im Unterbau muss ganz, ganz viel passieren.

Lesen Sie auch

Was muss passieren?

Beste: Man kreiert nicht einfach einen Spitzenschwimmer. Der kommt nicht aus dem Nichts, der kommt durch solide Grundlagenarbeit. Und auch daher, dass man im Breitensport die Leute überhaupt erst mal ins Wasser kriegt. Dass sie ins Wasser hüpfen und sagen können: Mensch, das ist ein toller Sport.

Oldag: Es gibt Talente, die wir einfach fördern müssen. Das kostet Geld, da spielt zum Beispiel die Hauptamtlichkeit von Trainern eine Rolle. Mir ist immer wieder vorgeworfen worden, ich hätte zu viel mit der Politik und der Bäder-Gesellschaft gekungelt. 

Haben Sie?

Oldag: Nein, ich habe versucht, das Optimum herauszuholen. Die Politik ist der Schlüssel, um Dinge entwickeln zu können. Die Bremer Politik, egal welche Partei, hat wirklich Verständnis. Sagt aber auch: Wir können nur begrenzt Geld für den Schwimmsport ausgeben.

Bald sind Wahlen in Bremen. Was wäre Ihr erster Wunsch in Richtung Politik, wenn Sie ihn denn frei hätten?

Beste: Ich hätte gern ein festes Budget für eine Landestrainerin. Ein Budget, um das ich mich nicht streiten und das nicht aus unserem Etat herausgenommen werden muss. Und dazu einen festen Wasseretat für den Leistungssport, unabhängig davon, was die Vereine brauchen und geben können.

Oldag: Das kann ich nur unterstützen. Meine andere Forderung wäre: Dass neben der Bäder-Gesellschaft auch die Vereine unterstützt werden in der Schwimmausbildung. Das Schwimmenlernen ist der Grundstein.

Das Gespräch führte Olaf Dorow.

Zur Person

Stephan Oldag (57)

ist gebürtiger Bremer und engagiert sich seit vielen Jahren im Vereins- und Schwimmsport. Der Architekt stand in den vergangenen sechs Jahren an der Spitze des Bremer Schwimmverbandes.

Helga Beste (54)

wuchs in Nordrhein-Westfalen auf, lebte eine Zeitlang in den USA und in Vietnam und arbeitet jetzt als Hochschulmanagerin in Bremerhaven. Seit Kurzem ist sie als Nachfolgerin von Stephan Oldag Bremens Schwimm-Präsidentin. 

Zur Sache

Kaputte Technik im Unibad

Inklusive der Freibäder gibt es in Bremen zehn Bäder, die von der Bremer Bäder-GmbH betrieben werden. Das Westbad in Walle ist derzeit geschlossen, es wird abgerissen und neugebaut. Es soll dann vorwiegend der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, ähnlich wie das Südbad in der Neustadt. Die einzige Halle, die aktuell ausschließlich von Schulen und Vereinen genutzt wird, ist das Unibad. Das Becken dort ist laut Schwimmpräsidentin Helga Beste wegen kaputter Technik aber nicht mehr 50, sondern knapp 52 Meter lang, exakt 51,80 Meter. Weswegen keine Wettkämpfe veranstaltet werden können und die Trainingssteuerung beeinträchtigt sei.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)