Zwei Tage vor dem Wettkampf hat sie noch einen langen Dauerlauf gemacht. Das hätte Carolin Kirtzel mit Sicherheit nicht gemacht, wenn sie da schon gewusst hätte, dass sie zum Darmstadt-Cross fährt. Wusste sie aber nicht. Sie überraschte sich quasi selbst. "Ich habe mich echt superspontan dafür entschieden, dort anzutreten", sagt die Werder-Läuferin. Grund: Sie hatte sich die Startliste angeschaut – und es nicht für unmöglich gehalten, unter die ersten drei Läuferinnen zu kommen auf der kurzen Strecke von 1800 Metern. Die ersten drei werden voraussichtlich für die Mixed-Staffel der Cross-EM nominiert, die am 11. Dezember in Turin ausgetragen wird.
Carolin Kirtzel, angehende Lehrerin, ist eine Minimalistin, was ihr Trainingspensum in Relation zu ihren Wettkampfresultaten anbelangt. Und, voilà: So lief es auch in Darmstadt. Bremens mit Abstand beste Langstreckenläuferin hatte für die kurze Distanz von 1800 Metern gar nicht explizit trainiert und eben auch noch die lange Trainingsbelastung in den Beinen. Dennoch schaffte sie es aufs Podium. Mit einer Zeit von 6:16,1 Minuten wurde sie Dritte hinter Nele Weßel (Eintracht Frankfurt/6:13,2 min.) und Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald/6:15,3 min.). Im Mixed-Wettbewerb bilden in Turin jeweils zwei Männer und zwei Frauen eine Staffel. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird, wie bei Staffeln üblich, noch eine weitere Läuferin, einen weiteren Läufer mitnehmen zur EM.
Ob das Staffelrennen in Turin vom DLV besetzt wird, stehe noch nicht endgültig fest, sagt Carolin Kirtzel. Das solle sich erst nach den deutschen Cross-Meisterschaften entscheiden, die am Wochenende im niedersächsische Löningen stattfinden. Wie auch Werders Langstrecken-Spezialist Sebastian Kohlwes hat Carolin Kitzel gemeldet, es geht auf der langen Distanz für die Frauen über 6,35 Kilometer, für die Männer über 9,8 Kilometer. Das Resultat hat auf die Staffel-Nominierung keinen Einfluss, nur für den Einzel-Wettbewerb von Turin ist es ausschlaggebend. Nach dem Rennen von Darmstadt habe ihr der Bundestrainer vorsorglich schon mal ein Formular für den EM-Wettkampf mit auf dem Heimweg gegeben, erzählt die Werder-Läuferin.
Carolin Kirtzel weiß, dass sie in Löningen mit der absoluten Spitze nicht wird mithalten können, dazu trainiert sie einfach zu wenig. Eine Platzierung unter den Top 15 bei knapp 60 gemeldeten Frauen schwebt ihr aber schon vor. Darf sie zwei Wochen später tatsächlich mitreisen zur Cross-Europameisterschaft, unter Umständen dort sogar im Nationaltrikot laufen, wäre das nach einer Saison voller verletzungs- und krankheitsbedingter Rückschläge ein mehr als versöhnlicher und vor allem ungeahnter Saisonabschluss für Carolin Kirtzel.
