In der Bremer Affäre um gefälschte Asylbescheide hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Das geht aus einem Bericht von "Spiegel-Online" vom Mittwoch hervor. Angeschuldigte sind demnach Ulrike B., die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), und zwei Rechtsanwälte aus Niedersachsen, die mit ihr in illegaler Weise zusammengearbeitet haben sollen. Bei den Vorwürfen soll es in mehr als 100 Fällen um Verstöße gegen das Asylgesetz, gegen das Aufenthaltsgesetz sowie um Vorteilsannahme und -gewährung, Urkundenfälschung und Verletzung von Dienstgeheimnissen gehen. Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage zu dem "Spiegel"-Bericht nicht äußern.
Die gut 250 Seiten starke Anklage fußt auf fast zwei Jahre lange Ermittlungsarbeit. Bis zu 50 Polizisten der Sonderkommission "Antrag" haben sich in der Zeit ausschließlich mit den bundesweit beachteten Vorgängen rund um das Bremer Bamf beschäftigt. Noch nie in der Geschichte des Bundeslandes gab es für polizeiliche Ermittlungen einen so großen Aufwand.
Insgesamt sind es neun Beschuldigte, die von der Staatsanwaltschaft ins Visier genommen wurden. Angeklagt werden jetzt drei von ihnen. Die anderen sind zwar noch nicht außen vor und könnten weiterhin belangt werden. Darunter drei weitere Bamf-Mitarbeiter, ein Dolmetscher, ein Vermittler und ein Anwalt aus Bremen. Die Behörde konzentriert sich jetzt aber offenbar auf ein Trio, das von Anfang an als Kern möglicher Täter angesehen wurde: Ulrike B., von Rang Regierungsdirektorin, die wegen der Vorwürfe seit Mitte 2016 vom Dienst suspendiert ist. Cahit T., ein Rechtsanwalt aus Oldenburg. Und Irfan C. ein Anwalt aus Hildesheim. Alle drei bestreiten die Vorwürfe.
Die Affäre hatte Schwung aufgenommen, nachdem die Staatsanwaltschaft im April vergangenen Jahres mit einer Pressemitteilung bekannt gemacht hatte, dass sie gegen einen größeren Personenkreis wegen möglichen Asylmissbrauchs vorgeht. Es gab mehrere Hausdurchsuchungen, bei denen insbesondere Datenmaterial beschlagnahmt wurde. Die Wohnung der ehemaligen Amtsleiterin wurde von den Beamten in größerem Abstand gleich zweimal gefilzt.
Anklage müsste vom Bremer Landgericht zugelassen werden
Zunächst war davon ausgegangen worden, dass es sich um Tausende Fälle handelt und dass dahinter ein regelrechtes Schleppersystem steckt. Diese Annahme hat sich im Laufe der Ermittlungen nicht bestätigt. Wohl aber soll es zwischen den Beschuldigten fest verabredete Abläufe gegeben haben: War ein Asylbewerber abgelehnt worden, weil die Gründe für eine Aufnahme in Deutschland von den Behörden als nicht hinreichend erachtet wurden, stellte sein Anwalt einen sogenannten Asylfolgeantrag. Darin, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, wurden Angaben gefälscht. Ziel war, doch noch anerkannt zu werden und vor der drohenden Abschiebung geschützt zu sein. Nach diesem Muster soll es in den zwei Jahren zwischen Mitte 2014 und Mitte 2016 gelungen sein, den Mandanten der Anwälte einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewähren. In der Mehrzahl kamen die Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Sie gehören dort zu den Jesiden, einer ethnisch-religiösen Minderheit.
Die Ermittler gehen nach eigener Darstellung von einer engen persönlichen Beziehung zwischen Ulrike B. und dem Rechtsanwalt aus Hildesheim aus. In diesem Zusammenhang wird der Vorwurf der Annahme und Gewährung von Vorteilen formuliert. Die Regierungsdirektorin soll von dem Anwalt Geld für ihre Hotelrechnungen bekommen haben, wenn sie in Hildesheim übernachtet hat. B. hatte früh beteuert, das vorgestreckte Geld zurückgezahlt zu haben. Ihr Anwalt bezeichnete die Anschuldigungen als Unsinn, er sprach von einer Intrige, die gegen seine Mandantin gesponnen worden sei.
Offen ist noch, ob die Anklage vom Bremer Landgericht zugelassen wird. Sollte es zu einer Hauptverhandlung kommen, droht den Angeklagten im Falle der beiden Anwälte pro Tat eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren. Ihnen wird unterstellt, mit den Straftaten gewerbsmäßig gehandelt zu haben. Anders ist es bei Ulrike B., sie könnte eine Geldstrafe bekommen, möglich ist aber auch Gefängnis, der Strafrahmen liegt bei bis zu fünf Jahren.
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