Von Idylle zu sprechen, wäre vermessen. Doch das Übergangswohnheim am Vinnenweg in Oberneuland strahlt Ruhe und Wohnlichkeit aus. Schon vom Parkplatz aus erstrahlt es in freundlichem Sonnengelb. Die Container-Wohnungen schachteln sich über- und nebeneinander, in der Mitte liegt ein großer Sandplatz mit Spielgeräten. Im Hintergrund rauscht die Autobahn. Der Hausmeister lässt mit rhythmischem „witt, witt“ den Besen über das eh schon saubere Pflaster am Rand gleiten.
„Hier geht es ruhig zu. Keine Spannungen, keine Ausschreitungen“, bestätigt Leiterin Viktorija M. den ersten Eindruck. Auch die Kontaktpolizisten der Gegend könnten dies bestätigen. Die 29-jährige Juristin kümmert sich seit Bestehen der Einrichtung, seit April dieses Jahres, um die Belange der Bewohner und Bewohnerinnen. Sie kommen aus dem Iran, aus Irak, Syrien, Ghana und Nigeria. Doch von selbigen sieht und hört man nichts.
„Wir haben von Anfang an die Erfahrung gemacht, dass die Flüchtlinge unauffälliger sind als andere Nachbarn, dass sie sich oft in ihren vier Wänden aufhalten und nicht viel zu sehen sind“, bemerkt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde über die insgesamt 34 Übergangswohnheime in Bremen. Bei der ersten Einrichtung der Art in der Thomas-Mann-Straße in Schwachhausen hätten Anwohner vorab aus Angst und Sorge Sicherheitskräfte engagiert – und dann sehr bald wieder abbestellt.

Auch eine Tischtennisplatte steht den Bewohnern zur Verfügung.
Viktorija M. ist offensiv in die Vorbereitung am Vinnenweg gegangen. Die noch unbezogenen Containerwohnungen standen vorab Interessierten zur Besichtigung offen. Träger der Einrichtung, die aus vier zweigeschossigen Modulbauten besteht, ist die Arbeiterwohlfahrt (Awo). Mit Handzetteln informierte Viktorija M. die direkten Nachbarn. Skepsis? Habe es nicht gegeben, erzählt sie. „Nur zwei Anwohner haben hier angerufen und sich beschwert – aber nur, weil sie keinen Zettel bekommen hätten.“
Der Komplex bietet 120 Personen Wohnraum. Wie viele zurzeit in der Einrichtung am Vinnenweg wohnen, vermögen weder die Leiterin noch der Schneider exakt zu benennen. „Sobald eine Wohnung frei wird, erweitern wir den Raum für andere Bewohner“, erläutert der Sprecher das Vorgehen. Solange Bedarf vorhanden sei, würden die Wohncontainer die nächsten fünf Jahre bestehen bleiben, sagt er. So besagt es die Baugenehmigung, die aufgrund der Vorschriften für die Wärmedämmung eine zeitliche Begrenzung vorsieht.
Arezoo A. und Babak Z. haben nicht vor, länger als nötig zusammen mit ihrem zwölfjährigen Sohn in ihrer 36 Quadratmeter großen Wohnung zu wohnen. Das Paar floh vor sechs Monaten mit dem Flugzeug aus Teheran. Die Lage im Iran sei bedrohlich, berichtet er. Als Christen fühlten sie sich in dem Land, in dem der schiitische Islam Staatsreligion ist, nicht sicher. Für das Paar handelt es sich dabei nicht um eine allgemeine Stimmung im Land. Vielmehr sei es eine konkrete Bedrohung, die auf ihre Personen gerichtet gewesen sei, berichtet der 35-Jährige. Dann schweigt er.

Die Initiative „Bürger und Polizei“ spendete den Flüchtlingen einen Basketballkorb.
Ob sie Heimweh haben oder den Traum, irgendwann wieder zurückzukehren? Beide schütteln mit dem Kopf. Nein, seine Frau und er wollen nie wieder zurück in die Heimat, wo sie ein Appartement in Teheran bewohnten. Das Leben in Deutschland in einer Container-Wohnung nehmen sie dafür in Kauf.
Trotz der beengten Wohnverhältnisse käme weder Unmut noch Aggression auf, versichern beide. Sie nutzen den Tag für Behördengänge, für die Fahrt zum Sprachkurs in die Stadt uns um Vokabeln zu lernen und Hausaufgaben zu machen. Dabei helfe ihnen ihr Sohn, der das Alte Gymnasium besucht und die deutsche Sprache dadurch wesentlich schneller lerne.
Das Ziel von Arezoo A. für die nahe Zukunft ist es, einen Job als Krankenschwester zu bekommen. Ihr Mann, der im Iran einen LKW-Handel betrieb, möchte sich seinen Bachelor in Mechatronik zunutze machen, um in dieser Branche eine Stelle finden. Beide arbeiten hart daran, über das bislang erreichte Sprachniveau A2 zu kommen. Kontakt mit den Anwohnern hätten sie, auch aufgrund der Sprachbarriere, noch keinen, sagen sie.
Dafür ist beim Sommerfest am Freitag, 25. August, die Möglichkeit, kündigt Viktorija M. an. Musik, Hüpfburg, Stärkungen vom Grill – das Programm sei in Arbeit. Für Anwohner böte dieser Nachmittag eine Gelegenheit, in Kontakt mit den Bewohnern zu kommen – eventuell sogar Patenschaften zu übernehmen, also ganz konkret Hilfe zu leisten. So hat es die Fahrradgarage in Horn-Lehe bereits getan. Ehrenamtliche haben gespendete Drahtesel wieder flott gemacht und den Flüchtlingen gespendet.
Unterstützung kam auch vom angrenzenden Bremer Hockey-Club (BHC). Die Bewohner dürfen dort kostenlos den Fitnessraum und das Angebot für das Kinderturnen nutzen. Das Ortsamt machte sich für Globalmittel stark, die in Sitzbänke investiert wurden. Und die Initiative „Bürger und Polizei“ spendete einen mobilen Basketballkorb und einen Grill.
Immer noch fehle es hier und da an Sachmitteln, berichtet die Einrichtungsleiterin. Doch weder die Räumlichkeiten noch das Personal reichten aus, um säckeweise Spenden zu sortieren. „In einem Übergangswohnheim wurden sogar einmal rund 30 Kühlschränke gespendet“, sagt David Lukaßen von der Sozialbehörde. Um ein ähnliches Chaos zu vermeiden, bittet Viktorija M. um telefonische Absprache unter 69 67 99 69.