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Blocklander Ortsbürgermeister "Wir sind nicht das Blankenese von Bremen"

Sterbende Milchhöfe, schleppender Breitbandausbau, Leben am Fluss und Wünsche für 2023 : Was die Menschen im Blockland bewegt, das erzählt der Blocklander Ortsbürgermeister Gerd Gartelmann im Interview.
01.01.2023, 19:00 Uhr
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Von Petra Scheller

Herr Gartelmann, was beschäftigt den Blocklander Ortsbürgermeister zurzeit am meisten?

Gerd Gartelmann: Als Landwirtschaftsmeister beschäftigt mich das Aussterben der alten Milchhöfe im Blockland. Es gibt so viele, die aufgehört haben zu melken – mich eingeschlossen. Und diejenigen, die weiter machen, fahren mit angezogener Handbremse – was kommt, ist ungewiss - steigende Energiekosten, Lieferengpässe wegen des Ukraine-Krieges. Viele halten sich deshalb mit Investitionen zurück. Zurzeit haben wir nur noch zehn Milchviehbetriebe, vor 20 Jahren waren es noch zwischen 30 und 40.

Landwirtschaft wird immer digitaler – was macht der Netzausbau?

(Lacht.) Er schleppt sich von Tür zu Tür. Weihnachten wollte die Deutsche Telekom eigentlich fertig werden – so war es vor zwei Jahren geplant. Die Hälfte des Blocklands ist jetzt angeschlossen – von Wummsiede bis ins Niederblockland 19, und auch am Kuhsiel haben die Leute Verträge über 50 bis 100 Mbits abgeschlossen. Das klingt zunächst nicht viel, aber wir hatten bislang nur drei bis sechs Mbits. Als Letztes wird wohl das Blocklander Ortsamt angeschlossen, das hat zurzeit nicht einmal einen Telefonanschluss.

Vor drei Jahren sind Sie angetreten, um die Politik im Blockland transparenter zu machen. Ist das gelungen?

Es gibt viele Barrieren. Wir haben kein Internet – also auch keine Homepage, auf mein Behörden-Laptop habe ich eineinhalb Jahre gewartet. Wer das Ortsamt anruft, ruft mich privat an. Da muss man ein dickes Fell haben. Man erreicht die Verwaltung auch nicht so einfach. Alle haben zu viel auf dem Schreibtisch. Der Weg durch die Institutionen dauert zu lange.

Besonders lange dauert auch die Entscheidung zum Thema Autoverkehr am Deich. Sie hatten Anfang des vergangenen Jahres ein Pilotprojekt am Start. Vor einem Jahr gab es den einstimmigen Beiratsbeschluss, dass Anlieger – also Besucher und Lieferverkehre – den Deich ohne Deichschein befahren dürfen. Dann wurde die Initiative von Senatorin Maike Schaefer gekippt. Warum?

Das weiß ich nicht, ob das gekippt wurde. Letztendlich ist die Sache noch offen. Zurzeit verhandeln wir darüber mit dem Amt für Straßen und Verkehr (ASV).

Wie viele Gespräche gab es schon?

Eins. In diesem Jahr soll das fortgesetzt werden.

Die Verkehrssenatorin schlägt vor, dass das Ortsamt Besuchertickets verkauft – ist das eine Option?

Das steht noch nicht fest.

Gibt es einen Zeitplan?

Nein.

Im Blockland wird viel gebaut. Das Dorf verändert sich – wie ist die Strategie der Zukunft?

Wir wollen hier keine reichen Investoren, die ganze Höfe aufkaufen und exklusives Wohnen anbieten – wir sind hier nicht das Blankenese von Bremen. Hier riecht es auch mal nach Gülle – das wissen die Leute. Die Mieten sind zurzeit noch bezahlbar. Auf einer Hofstelle dürfen drei Gebäude entstehen – ein Betriebsleiterhaus, ein Altenteil und ein Landarbeiterhaus. Pro Haus dürfen fünf Wohneinheiten entstehen – daran halten wir uns.

Bleibt das bezahlbar?

Das wohnen am Wümme-Ufer wird immer schwieriger. Aufgrund der starken Strömung in der Wümme brechen die Ufer ab – deshalb wehren wir uns gegen die geplante Weservertiefung. Sie würde den Tidenhub weiter verstärken. Auf den Grundstücken der Höfe, die außendeichs liegen, höhlt das Niedrigwasser die Uferkanten aus. Jahr für Jahr bricht ein Teil der Grundstücke weg. Unser Ziel ist es, die alten Höfe am Wasser zu erhalten – das macht ja den Charme im Blockland aus.

Was wünschen Sie sich für 2023?

Wir haben uns mit den Ortsämtern aller ländlichen Regionen in Bremen zusammengetan – unter anderem sind Timmersloh, Strom, Seehausen und Burglesum mit dabei. Wir wollen die ländlichen Gebiete mehr in den Fokus der Bremer Politik rücken. Wir wünschen uns eine Förderrichtlinie, um Infrastrukturerneuerungen wie die Sanierung alter Höfe fortsetzen zu können – das ist dringend notwendig. Und das wird von der EU bis zu 60 Prozent gefördert – doch Bremen ruft diese EU-Gelder gar nicht erst ab. Darauf wollen wir den Bremer Senat aufmerksam machen. In Bremen wird eine Fahrradstraße nach der anderen aufgezogen und uns brechen die Häuser weg. Wir wünschen uns, dass das zur Kenntnis genommen wird.

Werden Sie nach der Bürgerschaftswahl 2023 noch einmal für das Amt des Ortsbürgermeisters kandidieren?

Auf jeden Fall. Wenn mich der Beirat wieder wählt, bin ich dabei.

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Das Interview führte Petra Scheller.

Zur Person

Gerd Gartelmann (54)

ist seit drei Jahren Ortsamtsleiter im Blockland und seit 2021 Vorstandsmitglied beim Bremischen Deichverband am rechten Weserufer. Der Landwirtschaftsmeister lebt mit seiner Frau in fünfter Generation am Deich. Seit 2003 engagiert sich der Christdemokrat im Beirat, dessen Sprecher er von 2007 bis 2019 war.

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