Wer darf mit dem Auto über den Deich fahren? Über diese Frage gibt es seit Jahren Streit. Nun spitzt sich die Lage im Blockland zu. Zuletzt wurde einem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr die Fahrberechtigung über die Deichstraße verwehrt. Das berichtet Ortsamtsleiter Gerd Gartelmann. Auch der langjährige Posaunenchorleiter Holger Schumacher habe Schwierigkeiten, seinen Deichschein verlängert zu bekommen, weil er in Ritterhude wohnt. Noch immer ohne Fahrgenehmigung ist ein Handwerker, der das Dorfgemeinschaftshaus im Blockland saniert.
So könne es nicht weitergehe, heißt es seitens des Blocklander Beirates. Vor ein paar Tagen haben die Ortspolitiker aller Fraktionen einen gemeinsamen Beschluss gefasst. Darin fordern sie eine Erklärung vom Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV) zur Vergabepraxis von Ausnahmegenehmigungen für das Befahren der Straßen im Bremer Blockland.
„Insbesondere die Ablehnung von Teilstrecken für Verwandte von Bewohnern des Blocklandes und die großen Schwierigkeiten bei der Beantragung von Deichscheinen für Mitglieder in Blocklander Vereinen sind für uns nicht nachvollziehbar“, heißt es in dem Beiratsbeschluss.
Der zuständige Referatsleiter vom Amt für Straßen und Verkehr, Johannes Heine, habe prompt auf das Schreiben reagiert, berichtet Ortsamtleiter Gartelmann. Der Diplom-Ingenieur hat sich für die kommende Beiratssitzung angekündigt. Wann diese stattfinden kann, stehe allerdings noch nicht fest, heißt es aus dem Ortsamt.
Gartelmann erklärt den Hintergrund des Konfliktes so: Einerseits ist der Deich, insbesondere an Wochenenden, rappelvoll – viele Bremerinnen und Bremer nutzen das Blockland zum Skaten, Radfahren und als Ausflugziel. „Immer mehr Ausflügler fahren aber auch mit dem Auto, um ans Wümmeufer zu gelangen. Auf der anderen Seite haben es Anwohner und deren Verwandte schwer, eine Fahrgenehmigung bis vor die eigene Haustür oder die von Tanten, Onkel oder Freunden zu bekommen.“ Das sei nicht mehr vermittelbar.
Der Spagat zwischen großzügiger Deichscheinvergabe und Verkehrsregulierung auf dem Deich sei schon lange ein Thema, berichtet auch ASV-Referatsleiter Johannes Heine. Er wolle sich der Diskussion gerne stellen, erklärt er auf Nachfrage.
Bislang ist es so: „Das Befahren eines Deiches bedarf einer speziellen Begründung“, heißt es dazu seitens der Bremer Polizei. Wer ohne Berechtigungsschein auf dem Deich Auto fährt, dem droht eine Geldbuße. 20 Euro kostet die erste Verwarnung. „Anwohner und Lieferverkehr frei“, heißt es indes auf den Verkehrsschildern in Richtung Ober- und Niederblockland. Anlieger, also jene, die dort nicht wohnen, sondern nur jemanden besuchen möchten, brauchen ab hier einen Deichschein.
Wer aber täglich ins Blockland fährt, weil er dort wohnt oder Verwandte besuchen möchte, dem steht eine Ausnahmegenehmigung für das Befahren der Straßen im Bremer Blockland zu – maximal läuft diese über drei Jahre und muss dann verlängert werden.
Der Blocklander Posaunenchorleiter Holger Schumacher hatte damit so seine Schwierigkeiten. Seine Eltern und Großeltern kommen aus dem Blockland. Schumacher wohnt inzwischen in Ritterhude. „Als meine Großeltern noch am Deich wohnten, hatte ich einen Deichschein“, berichtet der ehemalige Blocklander. Inzwischen sei die Sache kompliziert. Als Posaunenchorleiter in Wasserhorst wollte man ihm zunächst nur eine Fahrgenehmigung innerhalb von Wasserhorst ausstellen.
„Wir spielen aber im ganzen Blockland zu 80-igsten Geburtstagen mit unserem Chor, außerdem wohnt meine Schwiegermutter im Niederblockland“, berichtet der Musiker. Schumacher beantragte deshalb einen Deichschein für alle Straßen im Blockland. Der bleibt ihm bislang verwehrt. Im Bereich Hemmstraße und der Wallerstraße dürfe er nicht fahren – und müsse sich dafür dann einen Tagesschein bei der Polizei abholen.
Inzwischen seien die Auflagen zur Beantragung einer Fahrberechtigung eine Zumutung, findet Schumacher. Er musste zuvor ein Familienstammbuch vorlegen sowie eine Genehmigung vom Blocklander Ortsamt einholen. „Es kam immer schnell eine Antwort von Amt für Straßen und Verkehr“, räumt der Posaunenchorleiter ein. Insgesamt sei das Verfahren aber „recht schwierig.“
Der zuständige Referatsleiter Heine kann die Kritik nicht nachvollziehen. Wer unter anderem Meldebescheinigungen, Pachtüberweisungen, Unterstellungsverträge oder Mitgliedsbescheinigungen von Vereinen vorlegen könne, dem werde zeitnahe ein Deichschein ausgehändigt. „Oft liegt es an den Antragstellern, dass sie die Papiere nicht vollständig vorlegen“, sagt der Verwaltungsbeamte.
Erneut diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Deichscheinautomaten: Wie ein Parkscheinautomat könnte dieser Deichscheine gegen Gebühr ausdrucken. Die Nutzer hätten so im Handumdrehen eine Berechtigung, um die Blocklander Deiche mit dem Auto zu befahren. Der Geschäftsführer des Deichverbandes am rechten Weserufer, Wilfried Döscher, hatte diese Idee vor über einem Jahr ins Spiel gebracht. Ortsamtsleiter Gartelmann kann dem Vorhaben inzwischen auch etwas abgewinnen. „Es würde immerhin die komplizierten Wege zur Polizei abkürzen“, räumt Gartelmann ein.
ASV-Vertreter Heine hingegen hält diese Idee für Quatsch. „Dann könnte ja jeder eine Ausnahmegenehmigung erlangen. Ein Deichscheinautomat macht aus Gründen der Deichsicherheit keinen Sinn“, sagt Johannes Heine. Das Blockland sei ein Landschaftsschutzgebiet. „Wir müssen verhindern, dass die Leute da Spazierenfahren.“
Wer einen Deichschein kaufen will, muss bislang den Umweg über die Polizeiwache in Kauf nehmen – und dort sein Anliegen erklären. Die Tageskarten sind zwei Tage gültig und kosten einen Euro. 14-Tages-Karten kosten 2,50 Euro. Die Öffnungszeiten der Polizeidienststellen, sind beim jeweiligen Revier zu erfragen. Zuständig sind die Dienststellen in Horn, Gröpelingen, Oberneuland, Borgfeld, Findorff und Schwachhausen, heißt es aus dem Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Die Öffnungszeiten dieser Reviere wechseln allerdings häufig, räumt das ASV ein.